Gartenarbeit macht Freude

Warum man gut daran tut, einen Garten Garten sein zu lassen und nicht mit allem zu vergleichen. Vor allem, wenn es um die Arbeit an ihm geht.

Für meine Männer ist es der erste Frühling, den sie (bewusst) erleben. Das süße Söhnchen kam erst im Herbst auf die Welt und der geliebte Gatte wohnte zuvor in innenstadtnahen Altbauwohnungen. Bis wir an den Stadtrand zogen, bedeutete Frühling für ihn, dass der Hausmeister den Rollsplit vom Gehsteig fegt. Nun führe ich sie täglich durch unseren Garten, um sie auf Schneerosen oder Krokusse aufmerksam zu machen. Ich zeige ihnen, wer schon blüht, wer Knospen gebildet hat, auf wen wir noch warten müssen.
 Das fanden sie anfangs sehr spannend, doch dann regte sich eine gewisse Unzufriedenheit in meinem Männerverein. Bauxi findet es ziemlich blöd, dass er sich die Blüten nicht in den Mund stecken darf, der Hund, dass die Beete Tabuzone sind und mein Mann, dass ein Garten auch Arbeit macht. „Gartenarbeit macht vor allem Freude!“, sagte ich. „Gärten sind wie Buffets: Sie halten für jeden etwas bereit!“
Ich gestehe: Ich wünschte mir seit Jahren einen kleinen Garten. Die Schriftstellerei erlaubt dem Geist zwar, an exotische Gestade zu entschweben. Doch egal, wohin die mentale Reise führt: Der Körper bleibt am Schreibtisch sitzen, die Augen starren auf Bildschirm oder Papier. Dazwischen aufstehen und ein paar Sträucher zurückschneiden zu können sorgt nicht nur für körperliche, sondern auch geistige Erholung.

„Das Gärtnern und die Urologie sind nicht unverwandt. Für beide ist von essenzieller Bedeutung, dass Wasser problemlos abfließen kann. Es wird viel beschnitten, unerwünschte Fortpflanzung verhindert.“

Einen Roman zu schreiben dauert Jahre. Einen fiesen Stachelix auszugraben ist nicht minder mühsam, aber an einem Nachmittag erledigt und somit ein greifbarer Erfolg. Die Gartenarbeit und das Schreiben haben überhaupt einiges gemeinsam: Schönes wird erst sichtbar, wenn man das Stutzen und Trimmen nicht scheut. Ob das, was man sät oder aussetzt auch gedeiht, weiß man im Vorfeld nicht. Und egal wie viel Blut, Schweiß und Tränen man vergießt, nicht alles kann man beeinflussen, oft sind große Mühen umsonst. Zudem kamen mir die besten Ideen für meine Romane noch nie am Schreibtisch, sondern bei körperlicher Anstrengung. Ich dachte, mein Mann könnte ähnlich empfinden. Als Urologe hält er sich viel in sterilen Innenräumen auf, sitzend, über Patienten gebeugt, wären frische Luft und wohlriechender Gartendreck nicht ein willkommener Ausgleich?

 Zudem: Das Gärtnern und die Urologie sind nicht unverwandt. Für beide ist von essenzieller Bedeutung, dass Wasser problemlos abfließen kann. Es wird viel beschnitten, unerwünschte Fortpflanzung verhindert, die größten Feinde sind Pilze und Krankheiten. „Sieh unseren Garten als einen Patienten, der tägliche Kontrolle und Zuwendung braucht“, riet ich ihm.
Den nächsten sonnigen Tag verbrachten Mann, Sohn und Hund draußen. Als ich ihnen Gesellschaft leistete, erschrak ich: An jeder zweiten Pflanze klebten neongelbe, grüne und pinke Haftnotizen. „In der Medizin wie in der Gartenpflege geht es um Arbeitsteilung“, sagte mein Mann. „Ich hab die Diagnostik übernommen: Gelbe Zetterln bedeuten kleine Eingriffe, rote Zetterln radikale Entfernungen, grüne Zetterln weiterführende Kontrollen.“
 Dann machten es sich meine Männer auf der Hollywood-Schaukel bequem und sahen zu, wie ich mir die Handschuhe überstreifte, die Instrumente bereit legte und mich ans Werk machte. „Nicht vergessen, mein Schatz: Gartenarbeit macht Freude!“, sagte mein geliebter Gatte und alle drei grinsten mich freudig an.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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