Fabelhafte Welt: Der höchst verdächtige Autounfall

Warum akribisches Detektivhandwerk nicht immer einen übelsinnenden Missetäter überführt.

Als ich neulich nach draußen trat, traf mich der Schlag. Jemand war in mein vor dem Haus parkendes Auto gerast, hatte die Tür touchiert und den Spiegel abgerissen. Ein Scherbensee ergoss sich auf der Fahrerseite, aus der Flanke ragten verlorene Kabel.
Ich ärgerte mich maßlos, war aber auch verblüfft. Unsere Straße ist wirklich breit und mein Auto sehr klein. Die anderen Vorstadtmamis fahren protzige SUVs. Ich hingegen einen zusammengestauchten Zweitürer, der in die Kofferräume der hier rollenden Straßenpanzer passt. Zudem hat mein Gogo eine unübersehbare, sehr spezielle Farbe. Das kleinste, auffälligste Auto auf der größten Straße des Grätzls abzuschießen, ist eine beachtliche Leistung. Oder eher Absicht? Wollte mich eine neidische Kollegin ärgern? Hatte ein mir zürnender Leserbriefschreiber wütend Wort gegen teuflisch Tat getauscht?

Lange grübelte ich, wer mir Böses wollte. Bis mein Mann nachhause kam. „Die Unfallverursacherin hat freundlicherweise eine Nachricht hinterlassen. Ich hab schon ihre Versicherungsdaten“, sagte er. Nur ihren Namen wollte er mir nicht verraten. „Lass sie in Ruhe, ist alles geregelt.“ – „Ich lass sie eh in Ruhe, ich will nur wissen, wer sie ist!“ – „Das nennt man Stalking und ist verboten!“
Nachts fand ich zufällig ihre Daten in meines Gatten Büro. Bis in die Morgenstunden googelte ich ihr hinterher, bei Sonnenaufgang gestand ich mir ein: Keine finsteren Motive, banale Unachtsamkeit schien Grund für den Autocrash gewesen zu sein. Wahrscheinlich hatte sie am Handy herumgespielt.

Ich merkte, ich war in eine Falle gestolpert, in die viele Menschen nach zwei Jahren Kontaktreduzierungen, Isolation, umrundet von Masken tapsen: Feinde und Verschwörungen zu sehen, wo keine sind. Nicht hinter jedem Busch lauert ein Angreifer. Hinter den meisten bloß Hundstrümmerln. Glücklicherweise.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

Kommentare