
Vea Kaisers Kolumne: Vorratsschrankrevision
Was man lernt, wenn man sich der Dinge annimmt, die man lange lange erfolgreich vermieden hat
Unser Jüngster schwor dem Chaos die Treue und interessiert sich brennend dafür, den großen Vorratsschrank in der Küche auszuräumen. Voller Hingabe widmet er sich den komplizierten mottensicheren Verschlüssen der Behältnisse, um dann, wenn er mit seinen Fingerchen ein Schloss geknackt hat, den Gefäßinhalt in den Hundenapf zu kippen.
Semmelwürfel mit Currypulver sind seiner Ansicht nach ein bekömmliches Mahl für einen Vierbeiner. Noch faszinierender finde ich, wie ein Kleinkind, das normalerweise keine dreißig Sekunden still sitzt, plötzlich eine Stunde lang hoch konzentriert verharrt, um den Rohrzucker zu befreien.
Zu den Nebenwirkungen der Elternschaft zählt der Umstand, dass man sich irgendwann mit denjenigen Dingen auseinandersetzen muss, die man bisher erfolgreich gemieden hat. So nahm ich seine Hinwendung zu unseren Vorräten nun zum Anlass, diese endlich zu verkochen.
Dabei entdeckte ich allerdings kaum Rezepte, die ins Standard-Repertoire übergehen werden, sondern einiges über mich selbst. Zum Beispiel, dass ich weltfremd optimistisch bin. Denn nur so ist zu verstehen, dass ich kiloweise extravagante Hülsenfrüchte bunkerte, als ob ich Zeit für die tagelangen Einweich- und Kochprozesse hätte.
Unterbewusst wünsche ich mir scheinbar, in einem Land mit Meerzugang zu leben, denn nur das erklärt das Vorhandensein von sieben verschiedenen Fisch-Gewürzen. Reispapier, diverse Nudeln, die noch nie Weizen sahen, und eine drei Laden umfassende Weltreise in Gewürzen entlarvten mich zudem als in der Theorie experimentierfreudiger denn in der Praxis.
Das große Vorräte-Verkochen zwingt mich dazu, der Mensch zu sein, der ich einkaufend scheinbar werden wollte. Und kann es kaum erwarten, wieder der zu sein, der ich sonst bin. Abwechslung ist nicht nur gut, sondern manchmal auch anstrengend. Lektion gelernt.
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