Vea Kaisers Kolumne: Dekoriere sich, wer kann
Über blinkende Nikoläuse Mitte November, Weihnachtsbäume zu Ostern und Maria in der Monstera
Mitte November wurde mir in Zürich ein Literaturpreis verliehen. Die Stadt war feierlich geschmückt, jedoch nicht wegen mir: Zürich war bereits zu Leopoldi in Hoch-Weihnachtsstimmung.
Jede Straße, jedes Haus, jedes Schaufenster war weihnachtlich dekoriert, sogar die Schwäne auf der Limmat trugen das weiße Festtagskleid anstatt der schmutzigen Alltagsbefiederung. Schweiz halt, dachte ich, Strebernation, die stets pünktlich für alles gerüstet und auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Da freute ich mich dann doch auf mein Wien, wo charmanterweise vieles zu spät passiert und der Schlampertatsch Walzer tanzt.
In meiner Kindheit wurde Vorweihnachtsfolklore überhaupt entspannt gehandhabt: Wir waren froh, wenn es vor dem 3. Adventsonntag einen Adventkranz gab und der Nikolaus einen Adventkalender brachte. Beides verlässlich zu spät, aber selbst gemacht und mit sehr viel Liebe. Dafür blieb unser Weihnachtsbaum auch mal bis Ostern.
Zurück in Wien jedenfalls stellten sich die neuen Nachbarn, die erst kürzlich ins Haus gegenüber gezogen waren, optisch bei uns vor: Mauerwerk und Thujenhecke zierten blinkende Lichterketten. Ein gigantischer aufgeblasener Weihnachtsmann im Rentierschlitten thronte auf dem Vordach.
Meine Bambini fanden das so super, dass ich umgehend die Weihnachtsdekoration vom Dachboden holen musste. Glücklicherweise verzichteten sie darauf, Engerln in Ecken anzuordnen: Sie schnappten sich nur die Krippe und spielten Bauernhof mit den Figuren. Abends fand ich den Ochs aus der Hundewasserschüssel trinkend, Maria hing in den Luftwurzeln der Monstera und die Hirten saßen in kleinen Rennautos. Ich beließ alle, wo sie waren, und bin gespannt, wo ich sie bis Weihnachten noch vorfinden werde. Denn wenn wir schon streberhaft früh die Dekoration herausholen, dann wenigstens mit einem kreativen Dreh.
Kommentare