Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Die Krux mit den Urlaubsabfahrtsverzögerungen

Wie der Erwerb eines Klimatickets zur Neubewertung eigener Kindsheiterinnerungen führen kann

Einst war meine Mutter Speed-Queen der Landstraße, dann kaufte sie sich ein Klimaticket und wurde leidenschaftliche Zugfahrerin. Sie weigerte sich sogar, an der (Beifahrer-)Seite meines Vaters in unseren Großfamilien-Skiurlaub zu reisen und kommandierte ihren klimaticketlosen Gatten in mein Auto.

Insgeheim hegte ich den Verdacht, dass sie sich im Zug ersparen wollte, wovor ich nun zitterte: Eine lange Abfahrtsverzögerung durch ewiges Herumwursteln meines Vaters. Meine Kindheitsurlaube hatten stets damit begonnen, dass wir Kinder stundenlang erst aufgeregt, dann entnervt auf die Abreise warten mussten, während mein Vater noch Diverses erledigte. Um meinen Buben dieses Trauma zu ersparen, packte ich nicht nur am Vortag, sondern zwang meinen Vater, bei uns zu übernachten. 

Als ich ihn am Abreisetag um sechs Uhr wecken wollte, drang das Geräusch seines Rasierapparats aus dem Bad und ich dachte, einer baldigen Abfahrt stünde nichts im Weg. Der Hauptgrund, warum ich seit Jahren fast immer zu spät bin – mein Dottore Amore – weilte ohnehin in Salzburg auf einer Fortbildung. Während mein Vater mit den Buben frühstückte, belud ich das Auto. 

Als ich die staubigen Bobs ein bisserl abspritzen wollte, sah ich, dass der Hahnverbinder des Gartenschlauchs kaputt war. Um einen neuen zu finden, musste ich die Glühbirne im Geräteschupfen wechseln, dabei merkte ich, dass die Fernsteuerung der Heizung neu programmiert werden wollte. Dann entdeckte ich noch ein paar zu überweisende Rechnungen und bis wir endlich wegkamen, war es weit nach Mittag. 

Doch meine Kinder waren keineswegs quengelig. Mein Vater hatte sie hervorragend bei Laune gehalten. "Es ist ein undankbarer Job, das Familienmitglied zu sein, dass vor dem Wegfahren das Wegfahren ermöglicht", kommentierte er kurz und ich dachte: recht hat er. Und schon immer recht gehabt.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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