Fabelhafte Welt: Fette Autos und fette Mietzen

Über den Versuch eine andere Welt zu verstehen, in der man für’s Auto und im Internet lebt

Abends gehen der Hund und ich unsere Runde. Wir sinnieren, wir schnuppern, freitags und samstags wundern wir uns. Unser Weg nämlich kreuzt eine Tankstelle, an der sich junge Männer mit sehr teuren Autos tummeln. Wie die Gockelhähne am Misthaufen thronen sie neben ihren Boliden und beweisen ihr Heldentum, indem sie sich furchtlos die widerwärtigsten Sorten Energiedrink hineinkippen, die ein der Geschmacksknospe feindlicher Labortechniker ersann. 

Aus den Autofenstern dröhnt brutaler Gangsterrap; Lieder, die vom Gackimachen auf Gesetz und Gesellschaft fantasieren. Dazu nicken die geduschten, ordentlich rasierten und sehr stark parfümierten Leistungsträger von morgen. Ansonsten stehen sie rum und passen auf ihre Autos auf, damit sich die übergewichtigen Nachbarskatzen nicht auf die hochheiligen Motorhauben setzen. Diese Abendgestaltung wirkt auf mich noch langweiliger als die Vormittagsgestaltung ihrer Opas: Die verbringen hier viel Zeit mit Auto-Aussaugen. 

Wofür man sich zumindest bewegen muss. „Was kostet dein Auto?“, frage ich manchmal, um ins Gespräch zu kommen. Freigiebig erzählen diese Burschen vom astronomisch hohen Neupreis der Karre, Versicherung, Leasingraten und berichten mit Stolz, dass fast ihr gesamtes Einkommen dafür draufgeht. Als Land-Teenie hing ich auch oft mit PS-depperten Burschen herum, nur waren die stolz auf ihre selbst genähten Leoparden-Sitzbezüge oder den Subwoofer im Kofferraum ihrer schrottigen Gebrauchtwagen. Die wollten was erleben, wozu sie ihre Autos brauchten. Die Tankstellenburschen hingegen scheinen es als Erlebnis zu erachten, sich in ihren Autos auf TikTok oder Insta zu zeigen. „Wie geil das ist, verstehst du nur, wenn du sowas fährst!“, erklärte mir einer. Das mag stimmen. Was garantiert stimmt: Dass es auch geil ist, wenn einem der fette Popsch der Nachbarskatze wurscht sein kann.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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