Vea Kaisers Kolumne: Sommerliche Superhelden
Wie eine kleine Outdoor-Grillküche den wahren Charakter eines Mannes enthüllen kann.
Jeden Sommer bin ich fasziniert: Wie sich Clark Kent in Superman verwandeln kann, so wird mein Liebster zu Sommerman. Superman tritt auf, sobald Metropolis Gefahr droht. Sommerman wagt sich erst heraus, wenn der Winter weg ist. Natürlich könnte er der bösen Kälte ins Anlitz blicken, aber sein innerer Süditaliener findet Pünktlichkeit spießig. Wird es warm, wirft der Liebste die Hornbrille weg und greift in die vierundzwanzigteilige Sonnenbrillensammlung.
Statt nach elf Stunden Schlaf müde zu sein, ist er nach fünfen topfit. Während wir Normalsterblichen ab 35 Grad schwitzen, ist er zu Hochleistungen bereit. Öffnet Sommerman das Hemd, kommt statt Superman-S der Panzer des Süditalieners-ü-40 hervor: ein überdimensionierter goldener Jesus am Kreuz. Sein Feind ist nicht Luthor, sondern schwarze Katzen, herabfallende Spiegel und der böse Blick.
Dass dagegen der Gekreuzigte hilft, ist nicht vom Vatikan abgesegnet, aber der Süden ist großzügig: Alles darf, nichts muss. Das weiß, wer dort Auto fuhr: Zebrastreifen sind dekorativ und Verkehrsschilder Verhaltsempfehlungen. Unlängst bestand mein Super-Sommer-Man in Belgien die Europäische Facharztprüfung.
Oder wie es mein frecher kleiner Bruder ausdrückte: Kein Spatzi Europas ist mehr vor ihm sicher. Ich schenkte ihm daraufhin einen Outdoor-Beistelltisch, damit er mehr Ablagefläche für’s Grillen hat. Seither herrscht er über seinen Grillplatz wie ein Diktator über eine Bananenrepublik. Nur er darf ihn berühren, einräumen, putzen. "Am besten du schaust meine Grillküche gar nicht an", sagte er.
Wenn Superman den Einsatz beendet hat, wird er wieder Clark Kent. Und mein Sommerman bleibt halt unter der Bräune ein hygienebesessener Urologe, der seine Arbeitsflächen gern so sauber hält, dass er drauf eine Notfall-Vasektomie vornehmen könnte. Aber gottseidank: Alles darf, nichts muss.
Weitere Infos: www.veakaiser.de
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