Fabelhafte Welt: Halloween am Stadtrand

Welche unersättliche Monster erwachen werden, sollten sich keine verkleideten Monster auf die Straße wagen.

Morgen werden wir unser erstes Halloween am Stadtrand erleben. In meinem niederösterreichischen Dorf ziehen am 31.10. niedlich verkleidete kleine Kinder von Haus zu Haus und schreien: „Süßes, sonst gibt’s Saures!“ (Wobei sie nie Saures geben, weil es eh immer Süßes gibt.)  In der Wiener Innenstadt, wo wir zuletzt wohnten, ziehen aufwendig angemalte erwachsene Kinder von Bartür zu Bartür und genehmigten sich so viele süße Drinks, dass es ihnen am nächsten Tag sauer ergeht.

Das Stadtrandleben fühlt sich nicht selten an wie das uneheliche Kind von Land und City – manchmal das beste aus beiden Welten, manchmal aber auch doppelter Horror. Wie viel Kilo Süßigkeiten sollen wir also vorbereiten, um unser frisch renoviertes Haus vor Streichen zu bewahren? Interessiert Halloween hier überhaupt irgendjemanden?
Am Spielplatz lernte ich, dass in der Nachbarschaft viele Kinder vegan erzogen werden – darf man denen Gummibärchen geben oder gibt’s dann erst Recht Saures? 
Die Nachbarn, die wir bisher kennenlernten, konnten leider keine Auskunft geben: Sie verreisen jedes Jahr zwischen Nationalfeiertag und Allerseelen.

Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, sehe ich mich also gezwungen, einen vielfältigen Vorrat Süßes zu horten, doch das ist gefährlich. Solange die Leere im obersten Küchenkasterl links gähnt, sind wir glückliche und zivilisierte Menschen. Doch so ähnlich wie Werwölfe vom Vollmond in Blutrausch versetzt werden, verwandeln sich der Dottore Amore und ich in willenlose Zucker-Zombies, sobald Naschsachen im Haus sind. Und können nicht ruhen, bis alles aufgefuttert ist. Ich glaube, ich muss am 31. ein Schild an unsere Tür hängen: HOLT EUCH SÜSSES, SONST GIBT’S SAURES! 
So oder so: Bei uns wird Halloween stattfinden. Sollten die verkleideten Monster fernbleiben, werden die großen Monster erwachen.
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Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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