Fabelhafte Welt: Schwimmanfänge damals wie heute

Warum es nicht immer entspannend für die Eltern ist, wenn ihre Kinder ihnen vertrauen

Mein geliebter Dottore Amore lernte in den Achtzigern schwimmen, ich in den Neunzigern. Er im Golf von Neapel, ich im Freibad Pyhra. Wir beide wurden von unseren Vätern unterrichtet und deren Methode war die gleiche: Nach Einweisung im flachen Wasser musste im Tiefen geschwommen werden. Ohne Hilfe aber mit Betonung auf müssen. Mich schubbste mein Vater ins Sportbecken und schrie: „Wie macht der Frosch?“ Ich erinnere mich daran, sehr viel Chlorwasser geschluckt und, sobald ich wieder Boden unter den Füßen und Luft zum Schimpfen hatte, meinen Vater ausgiebig genamelt zu haben. 

Mein Mann widerum wurde von seinem Vater fernab der Küste aus dem Motorboot gestoßen. Er erinnert sich nur noch an eine unendliche Freude darüber, nicht abgesoffen zu sein. Trotzdem oder deswegen wurden wir gute Schwimmer. Wenn auch mit viel Respekt vor dem Wasser. Bis heute hasse ich Chlor, mein Mann schwimmt nicht gern weit vom Ufer weg. Ausgerechnet wir zwei haben ein Kind produziert, das keine Angst vor Wasser kennt. Sieht Bambino Wasser, springt er hinein. Egal ob mit Schwimmflügerl oder vollbekleidet. Egal ob Meer, Becken oder Bach. Wasser zieht ihn an. 

Er taucht, er schluckt, er spuckt, er friert, er klettert hinaus und hüpft lachend wieder rein. Jahrzehnte später sind mein Mann und ich abermals nervös, kommen wir in die Nähe von tiefen Gewässern. Neulich waren wir im Hallenbad. Hätte nicht der Bademeister kraft der Authorität seiner Uniform Bambino erklärt, dass ein Zweieinhalbjähriger nicht vom Fünf-Meter-Brett springen darf, er wäre gehüpft. Weder mein Mann noch ich würden freiwillig vom Fünfer hüpfen. Außer für unseren Sohn. Und wahrscheinlich ist das der Grund, warum Bambino keine Angst kennt: Weil er weiß, wir springen ihm schon hinterher. Kindliches Urvertrauen und elterliche Entspannung bedingen einander halt nicht immer.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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