Her mit dem Westbahnpark! Wien braucht eine neue grüne Lunge
Der Westbahnhof ist eine Planungssünde. Die Stadt könnte Fehler korrigieren und zumindest den Weg frei für eine Grünfläche machen.
Ich stehe auf dem Europaplatz und bin verstört. Der Blick auf den Westbahnhof offenbart eine der offensichtlichsten Planungssünden der vergangenen Jahre. Je länger die beiden Ungetüme stehen, die Wiens schönste Bahnhofshalle unwürdig einzwicken, desto deutlicher tritt zutage, mit welchem gestalterischen und stadtplanerischen Unvermögen die Beteiligten ans Werk gegangen sind, als sie den Westbahnhof in die sogenannte „Bahnhofcity“ verwandelten. Die klobigen Konstruktionen rechts und links von der Bahnhofshalle wirken wie besoffene Giganten, die den Rest des alten Bahnhofs unter sich begraben wollen, aber von den verhassten Kräften des Denkmalschutzes davon abgehalten werden.
Ich gehe durch die Ende der Vierzigerjahre von den Architekten Robert Hartinger, Sepp Wöhnhart und Franz Xaver Schlarbaum entworfene Halle des Westbahnhofs. Sie hat nichts von ihrem Zauber verloren. Helligkeit, Großzügigkeit und ein blendendes Gefühl für das Spiel von draußen und drinnen zeichnen diesen Ort aus. Er ist der letzte seiner Art. Der neue Hauptbahnhof, seit dessen Eröffnung der Westbahnhof zum Regionalbahnhof abgestuft wurde, sollte sich eine Scheibe abschneiden von dieser Architektur, in der sich Praktikabilität und Sehnsucht mischen und nicht jeder Kubikmeter mit Funktion und kommerzieller Verwertbarkeit imprägniert wurde.
Ich verlasse die Halle und gehe zuerst am neuen Ikea-Haus vorbei, das mir ein Schmunzeln abringt, weil es ein paar Sachen richtig macht: es verlangt nicht nach Parkplätzen, es präsentiert der Umgebung Bäumchen und Stauden, die in die Terrasse eingearbeitet sind, und es nährt einen gewissen Optimismus, dass den alten Beton- und Benzinmechanismen etwas Fortschrittliches entgegengesetzt werden kann, wenn sich wer darum kümmert (in dem Fall: Ikea).
1,2 Kilometer Park mit Pool
Zuerst gehe ich am Studentenheim in der Gasgasse vorbei, dann über die Schmelzbrücke hinüber zur Felberstraße, wo ich links abbiege und Richtung stadtauswärts marschiere. Von der Felberstraße fällt eine steile Böschung zu der asphaltierten Fläche neben den Gleisen ab, wo Lkw parken, ein Hubschrauberparkplatz mit weißer Farbe eingezeichnet ist und Fahrschul-Lkw darauf warten, bewegt zu werden.
Warum, haben sich ein paar kluge Menschen gedacht, wird eigentlich dieser 1,2 Kilometer lange Streifen zwischen Westbahnhof und dem Zwickel zwischen Felberstraße und Linzer Straße nicht in eine Grünfläche verwandelt? Genau, denke ich mir, als ich diese Strecke abschreite und mir dabei vorstelle, hier gäbe es Rasen statt Asphalt, neue Bäume, urbane Ruhezonen, ein paar Tränken, vielleicht ein Schwimmbad oder ein Freiluftkino. Pläne gibt es, sichtbar auf der Website westbahnpark.jetzt, und ich kann nur jeder und jedem von Ihnen empfehlen, die Felberstraße einmal rauf und einmal runterzugehen, um eine Idee davon zu bekommen, was diese Stadt mehr braucht: ein urbanes Leo oder mehr vom keuchenden Verkehr, wie ihn die Felberstraße tagaus, tagein produziert.
Hier könnte die Stadt ihre Fehler vom Europaplatz korrigieren. Es ist Zeit dafür.
Die Route
Europaplatz – Westbahnhof – Gasgasse – Schmelzbrücke – Felberstraße – Linzer Straße: 2.400 Schritte
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