Welt-Kuscheltag: Warum Berührungen so wichtig sind
Ob Streicheln, Umarmen oder liebevolles Festhalten: Körper und Psyche profitieren von häufiger Nähe.
Sie umarmen einander seit 5.000 Jahren: Einander zugewandt und in einer engen Umarmung wurden die beiden menschlichen Skelette im Jahr 2007 entdeckt. Der Grabfund von Valdaro nahe dem italienischen Mantua zeigt, dass Umarmen durchaus im Rang einer universellen Geste der Menschheit zu sehen ist. Beste Voraussetzungen also, um dem heutigen Welt-Kuscheltag Tribut zu zollen.
Ohne Romantik betrachtet, ist alles nur (Bio-)Chemie. Sie führt direkt von außen nach innen – und wieder zurück: Ein Hormon löst im Körper eine Kaskade von Reaktionen aus, die überlebenswichtig für Menschen sind. Berührungen sind es, von Umarmungen bis zum intensiven Kuscheln, die dafür verantwortlich sind.
Langfristiger Nutzen
Neueste Studien zeigen zudem, dass sich diese Effekte nicht nur für den Moment einstellen, sondern auch langfristig wirken: Sie verbessern die Entspannungsfähigkeit und liefern damit Widerstandsfähigkeit im Alltag.
Ob sanftes Streicheln, eine feste Umarmung, eine Massage oder stundenlanges Aneinanderkuscheln: Der Mensch ist ein soziales Wesen, Berührung berührt. Durch diese werden an der menschlichen Außengrenze – der Haut – taktile Rezeptoren aktiviert. Diese Reize gelangen über die Nerven des Rückenmarks in jene Gehirnregion, die für das Verarbeiten sensorischer Reize zuständig ist. Und mehr: Schon 20 Sekunden Berührung reichen, damit das Hormon Oxytocin – auch Bindungs- oder Kuschelhormon genannt – ausgeschüttet wird, schreibt die Neurowissenschafterin Rebecca Böhme in ihrem Buch „Human Touch“. Im Idealfall kommen noch die Glückshormone Serotonin und Dopamin dazu. Was wiederum erklärt, warum sich Verliebte und Paare besonders gern umarmen.
Dazu kommt, dass Oxytocin zusätzlich regulativ auf den Organismus wirkt. Es reduziert das Stresshormon Cortisol und die Herzfrequenz – dies wirkt beruhigend und gegen Ängste. Kein Wunder also, wenn Kuscheln so viel Wohlbefinden auslöst und manche gar nicht genug davon kriegen können. Für Babys sind Berührungen, Nähe und eben Kuscheln sogar überlebenswichtig.
„Ihr Leben hängt von der Zuneigung der Bezugsperson ab“, erklärt die klinische Psychologin Melanie Lenger von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, MedUni Graz. Zudem zeigen Studien, dass Neugeborene, die nach der Geburt engen Hautkontakt hatten („Bonding“), mit einem Jahr weniger schnell frustriert waren und sich selbst besser beruhigen konnten.
Beruhigend
Apropos beruhigen: Streicheln, kuscheln oder ein Bussi von Mama, Papa oder anderen engen Bezugspersonen haben auf Kinder fast einen heilenden Effekt. Der Hintergrund ist – Sie ahnen es vielleicht – einmal mehr Oxytocin. Es fungiert wie ein körpereigenes Schmerzmittel. Das fanden Forscher bei Ratten heraus, die im Gehirn ein Schmerz-Regulationszentrum haben, in dem auch Oxytocin produziert wird.
Sogar auf das Immunsystem haben Berührungen eine positive Wirkung. Wer isoliert und ohne soziale Kontakte lebt, hat ein höheres Risiko für Erkrankungen. Forscher vermuten, dass dafür auch das Fehlen von Berührungen verantwortlich ist. Genug Gründe also, um heute ausgiebig zu kuscheln!
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