Körperkult: Wie Selbstoptimierung nicht zum Perfektionswahn wird
Ein neuer Horrorfilm hält der jugendverliebten Gesellschaft den Spiegel vor. Auch, weil seine berühmte Hauptdarstellerin Demi Moore ihr Leben lang selbst unter dem Perfektionswahn litt.
Der wahre Horror in der Filmbranche ist ein alternder, sich verändernder Frauenkörper. Demi Moore, die im November 62 Jahre alt wird und in den Neunzigern eine der bestbezahlten Schauspielerinnen der Welt war, hat dies am eigenen Leib erfahren.
"Ging nur darum, dünn zu sein"
Unzählige Radikaldiäten und Sportprogramme, Schönheitsoperationen und Botox-Behandlungen hat sie im Laufe der Jahre über sich ergehen lassen, um dem einem gewissen Körperideal zu entsprechen.
"In den Neunzigern ging es nur darum, dünn zu sein", erzählte Moore kürzlich im Guardian zum Kinostart ihres neuen Films.
Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter sei sie mitten in der Nacht aufgestanden und hundert Kilometer von Malibu nach Hollywood geradelt – jeden Tag.
Oscar-Chancen?
Der Body-Horror-Thriller "The Substance" wird nun als ihr großer, vermutlich sogar oscarwürdiger Comebackfilm gefeiert.
Nicht nur, weil die dreifache Mutter und Neo-Oma mit ihrer Darstellung brilliert. Sondern auch, weil "ihre" Lebensthemen – Jugendwahn, Körperkult und Selbstoptimierung – darin in gruseliger Science-Fiction-Manier satirisch abgehandelt werden.
Eine verlockende Tinktur
Moore spielt Elisabeth Sparkle, eine 50-jährige einstige Schauspielerin und Fitnessmoderatorin, die wegen ihres Alters von ihrem sexistischen Chef gefeuert wird (manche meinen: Sie spielt sich selbst).
Dann wird ihr eine mysteriöse Substanz angeboten, die sie in eine jüngere Version ihrer selbst verwandelt. Mit allen Konsequenzen. Gäbe es tatsächlich eine Substanz, die einen 25 Jahre jünger macht – sie würde wohl nicht nur in Hollywood gut ankommen.
Longevity: Jünger werden
Die Anti-Aging-Industrie boomt seit Jahren, zur optischen wie internen Verjüngung steht mittlerweile eine Masse an Pillen, Pulvern und Tinkturen bereit.
Auf die Spitze treibt es die "Longevity"-Bewegung mit ihrem Zugpferd Bryan Johnson (47): Der ehemalige Tech-Unternehmer aus den USA investiert öffentlichkeitswirksam Millionen, um seinen Körper auf den Stand eines 18-Jährigen zu bringen. Allzu weit ist das Drehbuch von "The Substance" also nicht von der Realität entfernt.
"Das Streben nach Verbesserung ist nichts Negatives"
Jünger, attraktiver, gesünder, und das um jeden Preis: Der Entstehung und den Grenzen der Selbstoptimierung widmet sich der Politikwissenschafter Michael Girkinger in seinem Buch "Alles. Immer. Besser.
(Promedia). An sich sei diese nichts Negatives, sagt er, sie werde nur medial oft so konnotiert."Das Streben nach Verbesserung ist menschlich und das Verlangen danach sollte ernst genommen werden. Allerdings ist es oft ein schmaler Grat zwischen sinnvoller Selbstsorge und einer übersteigerten Selbstoptimierung."
Ständiger Vergleich durch Social Media, allgegenwärtige Konsumimpulse sowie Apps und Wearables (wie Fitnessuhren) haben laut Girkinger in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen das Maximum herausholen möchten. Wann aber wird die Selbstverbesserung ungesund?
Wann wird es problematisch?
"Problematisch ist Selbstoptimierung, wenn es zu hohe Erwartungen gibt", erklärt Girkinger.
"Wenn man Druck verspürt, der einem nicht guttut. Wenn anderes vernachlässigt wird, nur um das Ziel zu erreichen. Oder wenn es einem danach schlechter geht als vorher."
Studien legen etwa nahe, dass Schönheit als Optimierungsziel wenig zufriedenstellend ist. "Und dass die intensive Glückssuche das Gegenteil bewirkt."
Richtige Messlatte finden
Coaches und Ratgeber würden einem suggerieren, dass man alles sein und erreichen kann. "Dann läuft man unerreichbaren Idealen hinterher und wird unzufrieden. Die Kunst ist es, für sich die richtige Messlatte zu finden und auch kleine Verbesserungen wahrzunehmen und zu schätzen", sagt der Autor.
"Dabei hilft es, sich vor Augen zu halten, dass ein gutes Leben nicht in einem vollkommenen Leben liegt."
Umdenken
Eine Erfahrung, die auch Hollywoodstars machen (müssen). Demi Moore konsultierte Therapeuten, suchte Halt in der Kabbala-Lehre und bei spirituellen Heilern. Schlussendlich war es eine Tarot-Kartenlegerin, die in ihr ein Umdenken bewirkte.
"Du wirst dich nie gut genug fühlen", sagte sie zu Moore, die ob dieser Klarheit schockiert war, wie sie im Guardian erzählt. "Aber du kannst deinen eigenen Wert schätzen. Du musst nur die Messlatte niedriger legen." Seitdem schafft Moore, was ihrer Rolle nicht gelingt: radikale Selbstakzeptanz.
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