Wie in Paris: Glanz und Gloria des Wiener Cottage-Viertels
Ein Rundgang durch eine Gegend, in der einst Arthur Schnitzler, Franz Lehar oder Arik Brauer residierten.
Durch das Wiener Cottage-Viertel zu stromern, hat einen therapeutischen Effekt: Es ist, denke ich, als ich vom Sternwartepark kreuz und quer bergab gehe, nicht alles schlecht. Hier stehen Häuser, deren Glanz und Gloria besser nach München, Paris oder, sagen wir, dem Biarritz der guten, alten Zeit passen würden, die sich aber ohne jeden Zweifel in Wien befinden.
So finde ich mich vor der Villa von Arthur Schnitzler wieder, wo der Schriftsteller von 1910 bis zu seinem Tod im Jahr 1931 gelebt hat. Das gelbe Haus wirkt im Schatten größerer Nachbarn und Schatten-werfender Baustelleneinrichtungen direkt bescheiden. Nur ein kleines Schild erinnert an den berühmten Bewohner der Sternwartestraße 71.
Schräg gegenüber war Ferdinand Schmutzer zu Hause. Er war der Maler der Wiener Gesellschaft der Jahrhundertwende, porträtierte den Kaiser, Albert Einstein, Sigmund Freud – und natürlich auch seinen Nachbarn Schnitzler. Die vom Architekten Robert Örley errichtete Villa auf Nummer 62-64 steht unter Denkmalschutz, und ich verstehe, warum: Das monumentale Haus steht erhöht und stolz über der Straße in einem Garten, den man bei aller Tiefstapelei Park nennen muss. Bescheidenheit war nicht die dringlichste Motivation des Architekten.
In den Gassen links und rechts fallen mir Geschichten in den Schoß. In der Colloredogasse hat der wunderbare Arik Brauer (1929–2021) gewohnt. Dessen Präsenz ist bis heute unübersehbar: An der Fassade des Hauses sind Gemälde des fantastischen Realisten angebracht, und seine wichtigsten Ölgemälde können hier zu festgelegten Terminen besichtigt werden (ntry.at/ArikBrauer).
Respektvoll betrachte ich die Reichtum und Dominanz verströmende Villa des Kohlenbarons Gutmann Ecke Colloredogasse und Cottagegasse. Dann verirre ich mich in die Hasenauerstraße, wo ich auf Nummer 29 das unglaubliche Haus betrachte, das Heinz Rollig für den Komponisten Emmerich Kálmán gebaut hat.
Franz Lehar wohnte hier
Dieses Haus erzählt exemplarisch ein Stück österreichischer Geschichte. Der neben Franz Lehár erfolgreichste Operettenkomponist des Landes zog 1934 an der Adresse Hasenauerstraße ein, blieb genau vier Jahre, bis die Familie wegen ihrer jüdischen Herkunft das Land verlassen musste und über die Schweiz und Frankreich in die USA floh.
In Kálmáns Haus zog während des Kriegs ein Lazarett ein. Nach dem Krieg blieb es sich selbst überlassen und verfiel, Kálmán kehrte nicht zurück. In den fünfziger Jahren übernahm schließlich das Opus Dei die Villa, das darin das – wie es heute heißt – Studentinnenheim Währing unterbrachte. Viel mehr doppelte Böden und Fallstricke gibt es an kaum einer anderen Adresse der Stadt.
Ich gehe durch den Währinger Park, beeindruckt von der Welthaltigkeit des Cottage, das seine Bewohner liebevoll „Kotteeeesch“ nennen, keine Ahnung warum, und sehne mich nach etwas Staub. Bekomme ich: Im „Steirerbeisl“ in der Semperstraße sind „Wildwochen“ ausgelobt, die nie anbrechen werden. Das Lokal ist dauerhaft geschlossen. Ich bin zurück im Wien, das ich kenne.
Die Route
Sternwartepark – Sternwartegasse – Gustav-Tschermak-Gasse – Colloredogasse – Cottagegasse – Weimarer Strasse –
Hasenauerstrasse – Währinger Park – Semperstrasse: 3.000 Schritte
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