Seilers Gehen: Auf den Spuren der ehemaligen Telegrafie-Station
Ein Spaziergang auf den Goldberg, der längst vergangene Zeiten wieder aufleben lässt.
Ich verlasse den Kurpark Oberlaa dort, wo sich am Waldrand die „Panoramaschenke“ aufgebaut hat, ein voluminöses Wirtshaus, das eine klassisch wienerische Küche zelebriert, vom gedünsteten Zwiebelrostbraten bis zum Herrengulasch mit Spiegelei, Würstel und Gurkerl. Der Duft nach Essen liegt über dem voll besetzten Parkplatz. Ich lasse mich aber ausnahmsweise nicht locken, sondern biege in den Musterhauspark ein, der unmittelbar an das Wirtshausgelände anschließt. Hier sind in privilegierter Lage – der Blick von den Grundstücken reicht weit über den Zentralfriedhof Richtung Flughafen und Hainburger Pforte – Fertigteilhäuser ausgestellt. Eines dieser Häuser scheint mir übrigens bewohnt zu sein: Vielleicht hat ein findiger Kunde nicht nur das Haus, sondern auch gleich den Garten eingekauft.
Ehrgeizige Häuser
Nein, ich lasse mir keinen dieser Prototypen einpacken, sondern gehe die Heimkehrergasse weiter, die leicht bergab an der gleichnamigen Siedlung vorbei führt. Hier waren nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Gelände des damaligen Truppenübungsplatzes Laaer Berg Nutzgärten für Kriegsheimkehrer angelegt worden, samt kleinen Baracken. Inzwischen ist die Heimkehrersiedlung eine dauerbewohnte Gartensiedlung, wo durchaus ehrgeizige Häuser stehen, was die Auffälligkeit ihrer Formen und ihrer Farben betrifft.
Verbindung zum Mittelmeer
Aber meine Aufmerksamkeit wird von der Brache auf der rechten Seite der Straße in Anspruch genommen. Hier auf dem „Goldberg“ steht zwischen einer Batterie von Antennen ein energischer Bau, dessen Fenster mit Holz vernagelt sind und – kein Zweifel – vor dem gerade ein Rudel Rehe äst. Die Anlage geht auf das k.u.k.-Militär zurück. Vom Laaer Berg aus wollte das Oberkommando im Kriegsministerium per neu entwickelter Funktechnologie Verbindung zur Marine im Mittelmeer und den Außenposten der Armee aufnehmen, gesendet wurde von den pyramidenförmigen Masten aus, die noch immer über das Grundstück verteilt stehen.
Der Erfolg der 1913 erbauten Radiotelegrafiestation war nicht zufriedenstellend. Bald wurde in Bad Deutsch-Altenburg eine wesentlich größere Anlage aufgestellt. Die Station auf dem Goldberg wurde bis 1985 noch für den Empfang internationaler Telegrafieverbindungen gebraucht. Seither gehört die Wiese den Tieren. Und wie.
Natürlich wundere ich mich, dass auf dem schönen Gelände nicht längst gebaut wurde, so scharf, wie Immobilienentwickler gerade auf jede freie Wiese in der Stadt sind. Es gab auch bereits das Projekt einer „Villenkolonie“ mit 90 Häusern, allerdings ergab die Umweltverträglichkeitsprüfung, dass auf dem Goldberg Wiens letzte Zieselkolonie zu Hause ist. Deren Schutzwürdigkeit verhinderte die Schleifung des historischen Radiogebäudes und die Verbauung des Geländes. Ich umrunde die versteppte Radiowiese, gehe durch die Steinschötelgasse und die Männertreugasse, die bald in einen Wanderweg übergeht, noch einmal zurück an den Start und mache mich dann auf zum „Gasthaus zum Heimkehrer“, um auf die Ziesel und die Rehe des Goldbergs ein gepflegtes Glas Bier zu heben.
Die Route
Kurpark Oberlaa/Filmteichstrasse – Musterhauspark – Vollnhoferplatz – Heimkehrergasse – Steinschötelgasse – Männertreugasse – Vollnhoferplatz – Heimkehrergasse: 2.500 Schritte
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