Seilers Gehen: Auf Fassadenschau rund um den Schwedenplatz

Ein Rundgang, der Mittelmeerferienarchitektur, Spielzeugwaffen und Kunst inkludiert.

Ich treibe mich rund um den Schwedenplatz herum, auf der Suche nach urbanem Leben, denn davon ist hier besonders viel zu finden.

Zuerst lockt mich das O.M.K. in der Praterstraße, eine Filiale des Asia-Comfortfood-Spezialisten Mochi, wo ich mir einen kleinen Imbiss hole, dann betrachte ich mit gemischten Gefühlen das Schaufenster der Firma Schunko in der Aspernbrückenstraße, wo Signal- und Spielzeugwaffen ausgestellt sind. Die Schunko-Auslagen sind ein Magnet für jedes Kind, das gern Indianer spielt. Für alle anderen Passanten bleiben sie ein etwas verstörender Ort.

Ich überquere die Aspernbrücke und gehe auf dem Franz-Josefs-Kai entlang Richtung Schwedenplatz. Mächtige Bauten schaffen leicht zurückgesetzt etwas Freiraum, im Kunstraum Franz Josefs Kai 3 gelingt mir ein tiefer Blick in die wunderschönen Ausstellungsräume, die Fassade des Amtsgebäudes, das dem Bundesministerium für Landesverteidigung gehört, ist vorschriftsmäßig grau, und vor dem Hotel Capricorno wundere ich mich, dass es tatsächlich ein Stück Mittelmeerferienarchitektur in die Wiener Innenstadt geschafft hat.

©Klobouk Alexandra

Dann fällt mein Blick auf die andere Seite des Donaukanals. Bekanntlich braucht es angemessenen Abstand, um die Finessen einer Stadt erkennen zu können, und diesen Abstand bietet das Flussbett des Kanals auf besonders praktische Weise. Zwischen den dominanten Türmen von SO/Vienna und News-Tower auf der einen Seite und den Komplexen von IBM und Raiffeisen auf der anderen, sehe ich den Georg-Emmerling-Hof, einen Gemeindebau, dessen gut strukturierte und frisch renovierte Fassaden Zeugnis davon ablegen, dass auch in den Fünfzigerjahren erstaunlich feinsinnig gebaut wurde.

Zwar sind in die Geschäfte im Erdgeschoss ein paar Mieter eingezogen, die mit lauten Farben und großen Schriftzügen auf ihre Präsenz aufmerksam machen, aber sie können damit dem interessanten Rhythmus der Fassaden, wie ihn die Architekten Rudolf Hofbauer, Leo Kammel junior und Elisabeth Hofbauer-Lachner erdacht haben, nichts anhaben.

Kein Krater, sondern Kunst 

Natürlich springt mir auch der Krater ins Auge, der zwischen dem fünften und dem sechsten Stock des linken Wohnhauses in die Wand geschlagen wurde: Ein Arbeiter ist gerade dabei, mit einem gigantischen Hammer das Loch in der Außenmauer zu vergrößern, ein zweiter sitzt daneben und schaut zu.

Das Loch in der Wand ist natürlich kein Loch, sondern ein besonders gelungenes Beispiel von Kunst am Bau. Das Künstlerkollektiv Steinbrener/Dempf/Huber macht mit den Figuren ihrer Arbeit „Themroc“, die Arbeitern aus den Zwanzigerjahren nachempfunden sind, auf das Spannungsfeld aufmerksam, in dem sich der soziale Wohnbau gerade befindet.

Wer diese Errungenschaft, die der Architekturtheoretiker Dietmar Steiner für das „eigentliche Weltkulturerbe Wiens“ hielt, gerade gefährdet, lassen sie offen. Ich stehe auf der Terrasse des „Motto am Fluss“. Der Blick auf den Georg-Emmerling-Hof ist von hier aus ideal und unverstellt. Die Stadt schützt sich, indem sie sich in Frage stellt. Ich finde, das ist eine gute Nachricht.

Die Route

Praterstrasse – Aspernbrückenstrasse – Aspernbrücke – Franz-Josefs-Kai: 1.000 Schritte

Christian Seiler

Über Christian Seiler

Kommentare