Wie Monica Berg die beste Barkeeperin der Welt wurde
Die Norwegerin Monica Berg ist die beste Barkeeperin der Welt. Im KURIER-Interview spricht sie über Trends und ihr bewährtes Rezept bei einem Kater.
Seitdem sie zur besten Barkeeperin der Welt gekürt wurde, tingelt die Norwegerin Monica Berg wie ein Pop-Star rund um den Globus. Ihr Bar-Konzept Tayēr + Elementary in London rangiert auf der renommierten Rangliste "World Best Bars" als Nummer zwei. Shaken wie Tom Cruise im Film "Cocktail" kann sie nicht – die Barkeeperin ist sogar der Meinung, dass es weder einen Shaker noch teures Equipment in einer Cocktailbar braucht. In ihrer hellen, minimalistischen Tagesbar Elementary setzt sie stattdessen auf ein Zapfhahn-System, aus dem bei Minus 4 Grad die Drinks kommen.
In den kommenden Wochen wird die 41-Jährige drei Kontinente bereisen, um Nachwuchs-Barkeepern Einblicke in ihre Arbeitsweise zu gewähren.
Bei ihrem Zwischenstopp in Wien bat der KURIER sie zum Interview und fragte nach, warum heute noch immer mehr Männer hinter der Theke stehen: "Es ist eine Kombination aus mehreren Faktoren. Im Gastgewerbe und in Bars arbeiten viele Frauen, in manchen Ländern sind Frauen sogar in der Mehrheit. Doch ihr Anteil nimmt im Management ab, diese Positionen bekommen aber mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung. Frauen müssen nicht egoistischer, aber zielorientierter werden, wenn sie nach vorne wollen."
Obstbrände als Trend
Die Konsumenten sind heute viel besser informiert als früher und folgen vor allem ihren eigenen Vorlieben, dennoch ist die Chefin von 15 Mitarbeitern stets auf der Suche nach neuen Entwicklungen. Die Wein-Liebhaberin sieht weiterhin Natural Wines im Trend, aber auch Agaven-Spirituosen und Obstbrände werden wir künftig öfter auf Cocktailkarten finden. "Es ist wie in der Modeindustrie: Ich suche nach etwas, das in zwei Jahren populär sein könnte, wenn es wirklich im Laden erhältlich ist. Wenn wir einen Negroni mit Mezcal und Tequila mixen, ist er immer beliebter als die traditionelle Variante."
Die erfolgreiche Unternehmerin möchte, dass der Gast Drinks in ihrer Bar probiert, die er nie zuvor getrunken hat: "Der Aperol-Spritzer ist großartig, weil er den Leuten Lust auf das Trinken macht. Er ist nicht beängstigend: Man kann ihn wie eine Leinwand für Aromen verwenden. Wir haben ihn schon mit Rhabarber, Himbeeren, Trauben und Mandarinen gemixt."
Das Trinkverhalten von Gästen zu ändern, empfindet Berg als "langwierigen Prozess": Das Ziel sei, dass die Gäste bei ihrem nächsten Aperol-Spritzer in einer anderen Bar sagen: "Oh, es muss nicht so schmecken – ich hatte schon eine bessere Version."
Zur Person
Monica Berg
wurde am 10. Mai 1981 in Korea geboren und wuchs in Norwegen auf
2019 eröffnete sie mit ihrem Geschäftspartner Alex Kratena das Konzept Tayēr + Elementary – die experimentelle Cocktail-Bar und die Tagesbar teilen sich einen Eingang
Wie sie neue Rezepturen kreiert? "Es kann sein, dass ich mich an das Parfum meiner Großmutter erinnere oder Zutaten mich daran erinnern, und dann will ich diesen Duft nachbauen." Der Profi versucht, dieses Geschmackserlebnis zu dekonstruieren und neu zusammenzusetzen.
Ein Beispiel: Wenn Berg an den Sommer und reife Himbeeren denkt, dann will sie die säuerlichen, blumigen und saftigen Aromen nachbauen. "Ich würde zu einem Himbeergeist greifen, dann vielleicht ein bisschen Kirsche und Himbeerwein hinzufügen", so die Expertin. "Dann könnte ich einen Himbeersirup kochen. Blüten des Bitterorangenbaumes würden für grüne Noten sorgen. Dann fügt man alles zusammen und probiert das Getränk: Es schmeckt nach Himbeere, aber es ist keine. Ich will Ingredienzen dekonstruieren, aber den Geschmack rekonstruieren."
Jene, die in dieser Branche erfolgreich sind, sind nicht die Leute, die man im Fernsehen sieht, meint die Wahl-Londonerin. "Gute Barkeeper haben eine hohe soziale Kompetenz: Wenn sie auf der anderen Seite des Raumes jemanden mit einem leeren Wasserglas sitzen sehen, dann würden sie hinübergehen und es auffüllen. Eine Sache sind all die technischen Fähigkeiten, die man Berufsanwärtern beibringen kann, aber dieser echte Wunsch, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer Menschen zu haben, ist das Wichtigste."
Word-Rap
Wein oder Bier? Wein!
Strand oder Berge? Beides!
Pina Colada oder Erdbeer Daiquiri? Wusste Sie, dass die Kombi aus beiden Cocktails, indem man sie übereinander stülpt, Miami Vice heißt? Und ich liebe Miami Vice!
Americano oder Negroni? Negroni mit Tequila.
Tag oder Nacht? Nacht!
Werden Sie lieber als die beste Barkeeperin der Welt oder als einer der besten Barkeeper der Welt bezeichnet?
Monica Berg: Beides hat seine Berechtigung, aber wahrscheinlich Letzteres. Der Beruf ist kein geschlechtsspezifischer Beruf, auch wenn es in manchen Ländern so ist und früher so war. Wir sollten weiterhin dafür kämpfen, dass mehr Frauen sichtbar werden.
Aber warum entscheiden sich so wenig Frauen für diesen Beruf?
Es ist eine Kombination aus mehreren Faktoren. Im Gastgewerbe und in Bars arbeiten viele Frauen, in manchen Ländern sind Frauen sogar in der Mehrheit. Aber der Anteil von Frauen nimmt in höheren Positionen und im Management rapide ab, diese Positionen bekommen aber mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung. Wir sehen die gleiche Situation bei Köchen: Auf der ganzen Welt ergreifen mehr Frauen den Beruf, aber die berühmtesten Köche sind Männer. Frauen müssen nicht egoistischer werden, aber zielorientierter, wenn wir uns selbst nach vorne bringen wollen. Viele Frauen fühlen sich von einer Team-Situation sehr angezogen. Und wenn man sich zum Beispiel erfolgreiche Teams ansieht, dann werden diese erfolgreichen Teams mehrheitlich von Frauen geführt. Es kommt also auf die Sichtweise an.
Sie arbeiten abends und am Wochenende, wenn Familie und Freunde frei haben. Wie fühlen Sie sich dabei?
Natürlich muss man offen sein, das Gastgewerbe ist jedoch sehr flexibel. Mein Leben war schon immer sehr untypisch: Ich arbeite zum Beispiel freitags und samstags, weil da viele Leute ausgehen. Privat würde ich nicht gerne in Warteschlangen warten und in Lokale gehen, die immer überfüllt sind. Ich schätze mich glücklich, dass mein Wochenende am Sonntag und Montag ist und der Großteil meines Umfelds sieht das genauso. Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause und es gibt flexible Arbeitszeiten: Es gibt nicht nur den einen Weg, Karriere zu machen. Ich habe Freunde in der Gastronomie mit Kindern, die sagen, sie hätten niemals ihr Familienleben so leben können, wenn sie normale Bürojobs gehabt hätten.
Es ist ein Geben und ein Nehmen. Der Job kann schwierig sein, wenn man von Montag bis Freitag arbeiten und den alten Freundeskreis beibehalten will, den man hat, wenn man erwachsen wird. Aber der Job ermöglicht auch viel: Ich darf die Welt bereisen. Ich war an Orten, die ich sonst nie gesehen hätte. Einfach so. In den nächsten Monaten werde ich drei verschiedene Kontinente bereisen. Als Barkeeper lernt man so viele tolle Menschen kennen, sieht so viele fantastische Zutaten und Orte. Der Beruf hat sich sehr verändert: Es gibt nicht nur Herausforderungen, sondern auch eine Menge Vorteile.
Es ist Ihr Traumjob?
Ja, denn ich habe auch in anderen Bereichen des Gastgewerbes gearbeitet. Und ich brauche für mich das richtige Tempo. Es ist ein sehr schnelllebiger Beruf und eine sehr schnelllebige Branche. Für manche ist das zu viel – mir tut das aber gut. In einer normalen Woche arbeite ich drei Tage in der Bar im Service. Ich arbeite also immer Donnerstag, Freitag und Samstag. Wenn ich nicht arbeite, vermisse ich es. Laute Musik, überall Menschen, die laut reden: Ich verstehe, dass das überwältigend sein kann und nicht für jedermann was ist. Ich liebe es.
Jene Leute, die in dieser Branche erfolgreich sind, sind nicht unbedingt die Leute, die man im Fernsehen sieht. Gute Barkeeper haben eine hohe soziale Kompetenz: Wenn sie auf der anderen Seite des Raumes jemanden mit einem leeren Wasserglas sitzen sehen, dann würden gute Barkeeper hinübergehen und es auffüllen. Eine Sache sind all die technischen Fähigkeiten, die man Berufsanwärtern beibringen kann, aber dieser echte Wunsch und das Bedürfnis, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer Menschen zu haben, ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Denn am Ende des Tages geht es nur um die Interaktion mit den Gästen.
Haben Sie ein gutes Kater-Rezept oder haben Sie nie einen Kater?
Oh doch, deswegen schaue ich genau, wie viel ich trinke. Ich empfehle Kaffee und Multivitamine. Und ich mag wirklich Sushi oder etwas Scharfes, wenn ich verkatert bin. Und wenn es so richtig schlimm ist, dann ein Glas Champagner, weil man dann wieder von Vorne beginnen muss.
Welche Trends gibt es diesen Herbst?
Ich glaube, dass die Konsumenten jetzt viel mehr über Getränke wissen, so dass sie eher ihren eigenen Vorlieben folgen als wenn man sagt, was sie trinken sollen. Selbst wenn sie etwas trinken, das im Trend liegt, wie zum Beispiel einen Negroni, passen sie ihn an ihre Vorlieben an. Wenn wir zum Beispiel einen Negroni mit Mezcal und Tequila mixen, ist er immer beliebter als der traditionelle. Natural Wines und Agaven-Spirituosen werden immer beliebter. Auch weniger verbreitete Kategorien wie Obstbrände.
Haben Sie diesen Sommer den Limoncello-Spritz ausprobiert?
Nein, noch nie, aber wir bieten immer einen Aperol-Spritzer mit saisonalen Einflüssen an. Der Aperol-Spritzer ist ist großartig, weil er den Leuten Lust aufs Trinken macht. Er ist nicht beängstigend: Man kann ihn wie eine Leinwand für Aromen verwenden. Wir haben schon Rhabarber-Aperol-Spritz, Himbeer-Aperol-Spritz bis hin zu Trauben-Apfel-Spritz und Mandarinen-Aperol-Spritz gemixt. Wir wollen saisonale Drinks schaffen, den es nicht überall gibt: Diesen Sommer hatten wir einen Nektarinen-Aperol-Spritz auf der Karte, als das Steinobst Saison hatte.
Welche Idee steckt dahinter?
Es ist wie in der Modeindustrie: Ich suche nach etwas, das in zwei Jahren populär sein könnte, wenn es wirklich im Laden erhältlich ist. Bei solch populären Getränken will ich die absolut beste Version machen. Das Ziel ist, dass meine Gäste bei ihrem nächsten Aperol-Spritzer in einer anderen Bar sagen: Oh, es muss nicht so schmecken – ich hatte schon eine bessere Version. Und auf diese Weise kann man langsam die Qualität steigern, denn niemand will, dass die Leute in eine Bar gehen und schlechte Getränke trinken. Es gibt viele Situationen, in denen Gäste nicht wissen, was sie trinken sollen. Meine Mutter zum Beispiel hat immer das Gleiche getrunken: Rotwein und im Notfall einen Gin Tonic. Aber nur, weil der Barkeeper, wenn sie in eine Bar ging und nach einer Empfehlung fragte, ihr das Gefühl gab, dumm zu sein.
Es ist ein langwieriger Prozess, wenn man das Trinkverhalten der Menschen ändern will, und man muss sich die Zeit nehmen, immer und immer wieder die gleiche Frage zu beantworten. Und die lautet: Warum sollte ich nicht das trinken, was ich normalerweise trinke, sondern das probieren, was Sie mir servieren wollen? Barkeeper können dann antworten: Lassen Sie mich wenigstens die beste Version von dem machen, was Sie normalerweise trinken und dann sehen Sie selbst, ob Sie es mögen. Und irgendwann vertrauen dir die Leute. Sie werden dir genug vertrauen, um etwas anderes zu probieren, und dann kannst du den Mut vorantreiben. Man kann nicht einfach zu jemandem gehen und sagen: Ich weiß, dass du normalerweise Bier trinkst, aber ich mache dir jetzt einen Whisky Sour und du wirst ihn mögen. Das ergibt keinen Sinn. Es geht darum einen Weg zu finden, mit dem Gast zu kommunizieren.
Ich weiß nicht, ob ich einen habe. Die Art, wie wir Getränke kreieren, ist sehr saisonabhängig und hängt von den Zutaten ab. Ich würde also sagen, meine Signatur ist nicht ein bestimmtes Getränk, sondern dass ich von Geschmackserinnerungen oder Erlebnissen beeinflusst bin. Es kann sein, dass ich mich an das Parfum meiner Großmutter erinnere oder Zutaten mich daran erinnern und dann will ich diesen Duft nachbauen.
Wie arbeiten Sie dann weiter?
Ich liebe es, mit Zutaten zu arbeiten, bei denen man versuchen kann, sie zu dekonstruieren und neu zusammenzusetzen. Man kostet eine Himbeere und stellt fest: Oh, die ist sehr säuerlich, ziemlich blumig. Manchmal hat sie diesen schönen scharfen Abgang und sie ist saftig. Was kann ich mit dieser Struktur machen? Einfach nur mit Wodka mischen, wird nicht gut schmecken. Aber wenn man verschiedene Techniken anwendet, dann fängt man an, das Geschmacksprofil der Himbeere zu dekonstruieren. Ich würde zu einem Himbeergeist greifen, dann vielleicht ein bisschen Kirsche und Himbeerwein hinzufügen. Dann könnte ich einen Himbeersirup kochen. Blüten des Bitterorangenbaumes würden für grüne Noten sorgen. Dann fügt man alles zusammen und probiert das Getränk: Es schmeckt nach Himbeere, aber es ist keine Himbeere. Wir haben die gleichen Eigenschaften von einer Himbeere, aber es ist ein Cocktail. Ich will Ingredienzen dekonstruieren, aber den Geschmack rekonstruieren.
Die Bar bezeichnet die toughe Barkeeperin als ihr Kind – sie lässt es sich daher auch nicht nehmen, an drei Abenden in der Woche selbst hinter der Bar zu stehen. "Es ist ein sehr schnelllebiger Beruf und eine sehr schnelllebige Branche. Für manche ist das zu viel – mir tut das aber gut. Laute Musik, überall Menschen, die laut reden: Ich verstehe, dass das überwältigend sein kann und nicht für jedermann etwas ist. Ich liebe es." An den restlichen Tagen experimentiert sie, setzt Sirupe an und aromatisiert Spirituosen.
Ihren Traumjob fand die beste Barkeeperin der Welt durch Zufall: Als ihr mit 20 Jahren das Wirtschaftsstudium in Oslo zu langweilig wurde, jobbte sie einer Barschule, kauft diese schließlich und übersiedelte nach England.
Ob sie nach so vielen Jahren im Nachtleben ein gutes Kater-Rezept hat? "Ich empfehle Kaffee und Multivitamine. Und ich mag wirklich Sushi oder etwas Scharfes, wenn ich verkatert bin. Und wenn es so richtig schlimm ist, dann ein Glas Champagner, weil man dann wieder von Vorne beginnen muss."
(freizeit.at, kaa)
|
Stand:
Über Anita Kattinger
Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.
Kommentare