Wie Club Mate zum Szenegetränk wurde
Heute ist Club Mate beinahe überall im deutschsprachigen Raum zu bekommen. Das war nicht immer so. Warum und wann Computer-Hacker die Limo beliebt machten.
Für die einen schmeckt es wie abgestandenes Red Bull mit Zigarettenstummeln drin. Nicht umsonst lautet der Werbespruch: "Club Mate... Man gewöhnt sich dran." Für die anderen ist es ein wohlig über den Gaumen rinnendes Lebenselixier, das wach halten und dazu noch einen Hauch von Großstadt versprühen soll (auch wenn man es mittlerweile auch in jedem Land-Supermarkt bekommt). Ein durch und durch berlinisches Produkt, das perfekt zum Zeitgeist passte, als sich vor rund 20 Jahren das Hipstertum zu neuen Höhenflügen aufschwang. Könnte man meinen.
Doch das stimmt gar nicht. Die Limonade hat ein gutes Jahrhundert auf dem Flaschenhals und aus Berlin ist sie auch nicht.
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"Club-Mate und viele seiner urbanen Konsumenten haben eins gemeinsam: Sie kommen aus der Provinz", unkte 2011 die taz über die "Einhornpisse". Tatsächlich stammt die Limo aus dem fränkischen Dietenhofen, wo sie laut dpa teilweise immer noch als "Sekt-Bronte" bestellt wird. Derart benamst entdeckte Getränkehersteller Georg Latteier die alkoholfreie Flüssigkeit 1924 auf einer Getränkemesse. Er war ganz angetan von dem ursprünglich thüringischen Produkt der "Deutsche Matte-Industrie G.m.b.H". Der fränkische Geschäftsmann erwarb die Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb dieses alkoholfreien Getränkes, das aus koffeinhaltigem Mate-Tee, Zucker und anderem bestand. Die Werbung pries es als "Anregendes Erfrischungs- und Tafelgetränk" an. Es wäre "naturrein, ärztlich empfohlen".
Und auch wenn das vielversprechend klang, wirklicher Erfolg wollte sich nicht einstellen. "Sekt Bronte" teilte das Schicksal mit vielen Limos ländlicher Brauereien - es blieb ein regionales Phänomen.
Mit dem DDR-Lkw nach Berlin
Latteiers Schwiegersoh, Hans Sauernheimer, benannte die Bronte in den 1950ern in Club Mate um. Doch die Flaschen wurden ihm auch unter neuem Namen nicht aus den Händen gerissen. Das sollte sich erst in den Neunzigern ändern, als er die Lizenz zur Herstellung von Bronte an die Brauerei Loscher aus dem nahen Münchsteinach verkaufte.
Als man dort 1994 mit der Herstellung begann, fuhr ein DDR-Lkw der Marke "Robur" vor. Darin saß mit Frederik "Freke" Over ein ehemaliger Hausbesetzer und nunmehriger alternativ angehauchter Getränkehändler aus Berlin. Dorthin kehrte Over mit 200 Kästen auf der viel zu kleinen Ladefläche zurück. "Da müsste ich heute noch den Führerschein für entzogen bekommen", sagte er einmal der dpa.
Die Hackerszene, die gerade im Entstehen war, entdeckte das belebende Getränk. Denn Over war Mitglied des Chaos-Computer-Clubs (CCC). Wer in der Nacht Cyber-Schabernack betreibt, kann sich keinen Schlaf leisten. Over zog 1995 für die postkommunistische PDS ins Berliner Landesparlament ein und nahm Club Mate für die Sitzungen mit. Nicht erst die Piraten, die sich rund 15 Jahre später vielfach aus Computer-Freaks rekrutierten, brachten das Getränk in die Politik. Mittlerweile ist Club Mate im deutschen Bundestag keine Seltenheit mehr.
Auch die Raver aus dem Berliner Nachtleben entdecken in den wilden Neunzigern den Wachmacher für sich. Mate passte hervorragend zur Techno-Kultur ohne Sperrstunde.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war auch, dass das Getränk nicht immer verfügbar war. Der wichtige Inhaltsstoff Mate aus Lateinamerika galt immer wieder als Mangelware. Auch im Jahr 2011 kam es zum Engpass, im Internet wurde gar eine "Matecalypse" ausgerufen. In diesem Fall war die Nachfrage zu groß beziehungsweise, zu wenige Pfand-Glasflaschen waren zurückgegeben worden.
Nachhaltiger Lifestyle
Club Mate passte auch hervorragend zum Hipster-Berlin der 2000er. Jute-Tasche, Retro-Brille, Club-Mate-Flasche waren ein gewisses Statement oder ein Klischee, je nachdem. Außerdem konnte man - gerade in Berlin -, wenn man damit am Sonntag- oder Montagabend durch Friedrichshain-Kreuzberg streifte, signalisieren: "Gestern war ich ganz schön kräftig feiern."
Dazu passte auch, dass man alte Lebensmittel wie Mate aus dem Yerba-Strauch wieder neu entdeckte. "Sie stellte als Lifestyletrend zunächst einen soziokulturellen Trend dar, der mit der Philosophie eines bewussteren, nachhaltigeren, gesünderen und sozialgerechteren Konsumverhaltens verbunden war", war in einer Seminararbeit der Uni Potsdam zu lesen. In anderen europäischen Städten wurde das aufgegriffen - ganze Bars waren mit Kisten voll von Club-Mate-Flaschen ausstaffiert. Immerhin wollte jede Stadt ein bisschen wie Berlin sein.
Andere wollten davon aber nix wissen. "Undercut und Jutebeutel / Ich trinke Club Mate / "Oder gibt's den Café Latte auch mit Sojamilch?“, gifteten Kraftklub 2011 in ihrem Song "Ich will nicht nach Berlin."
Angesagt, naturnah, eine deutsche Alternative zu globalen Marken wie Coca Cola oder Red Bull. Genau das gefiel dann den deutschen Neo-Nazis, die ihre Skinhead-, Hooligan-, oder völkische Ästhetik hinter sich gelassen hatten, als Wölfe im Schafspelz auftraten und das Auftreten des linksextremen Schwarzen Blocks oder der Hipster kopierten. Und auch die Vertreter der Jungen Alternativen, der Jugendorganisation der AfD, zeigten sich gerne mit der Halbliterflasche. Gegenüber des Magazins Vice distanzierte sich die Brauerei Löscher 2014 ausdrücklich. "Club-Mate soll ein Getränk für jedermann sein und auch bleiben", teilte sie mit.
Nazi-Hipster wollten Deutsches
Häme und Nazis konnten Club Mate nichts anhaben. Die Limo hat sich gehalten. Anders als andere vormals angesagte Getränke wie die Bionade. Feuilletonisten sprachen angesichts des Erfolges beim großstädtischen Öko-Bürgertum vom "Bionade-Biedermeier“. Doch das half nichts, Marketingfehler und mehrmalige Verkäufe setzten der Limo zu, heute ist die fast vergessen. Auch direkte Konkurrenzprodukte wie das - eigentlich besser schmeckende - österreichische Makava kann Club Mate nicht wirklich etwas anhaben. Das Original zählt offenbar. Ob in Berliner Spätis oder in österreichischen Supermärkten.
Ausgetrunken
In diesem Format beleuchtet die freizeit die Historie diverser Drinks und wirft einen Blick auf deren kulturelle Bedeutung.
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