Spitzenkoch Wolfgang Puck im Interview: "San Sebastián ist aktuell am spannendsten"
Der Hollywood-Koch aus Österreich über kulinarische Hochburgen, Personalmangel in der Gastronomie, teure Preise und die Zukunft des Restaurantbesuchs.
In Beverly Hills ist er nicht nur auf Du und Du mit den Stars, sondern selbst eine Berühmtheit: Der gebürtige Kärntner Wolfgang Puck, eben erst bei der "Rolling Pin Convention" mit dem Lebenswerk-Preis ausgezeichnet, hat Hollywood erobert – und baut derzeit sein Gastroimperium weiter aus, das vor der Pandemie rund eine halbe Milliarde US-Dollar im Jahr umsetzte. Ein Gespräch über das Leben im Scheinwerferlicht, kulinarische Trends und Probleme in der Gastronomie.
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Sie sind auf Besuch in Österreich und werden gefeiert wie ein Rockstar. Überrascht Sie das?
Wolfgang Puck: Ich finde es generell gut, wenn Köche bekannter werden. Als ich in Villach in der Lehre war, hat niemand den Koch eines Lokals gekannt – nur den Restaurantleiter und den Besitzer. Selbst der Michelin-Guide hat nicht über die Köche geschrieben, obwohl ja genau diese die Sterne erkocht haben. Jetzt ist genau das Gegenteil der Fall.
Wie kam das?
Durch die Medien: Fernsehshows, Zeitschriften. Auch durch das neue Bewusstsein für Kulinarik. Besonders die Jungen interessieren sich für Ernährung, Produkte und Genuss. Das Niveau des Berufs ist dadurch massiv gestiegen, auch die Qualität der ganzen Branche. Es gibt so viele Drei-Sterne-Lokale, auch die Weinbauern werden immer besser, denken wir etwa ans Napa Valley, an Bordeaux oder an die Champagne.
Sie gehören zu jenen, die nicht nur die Prominenz verköstigen, sondern selbst prominent sind. Wie fühlt sich das an?
Man gewöhnt sich an alles im Leben. Wohnt man an einem kühlen Ort, zieht man sich ja auch wärmer an. Viele Stars leben in Los Angeles, also sieht man sich das ganze Jahr über. Für mich ist es normal, sie als Nachbarn zu haben.
Und was tischt man diesen Nachbarn bei der Gartenparty auf? Essen sie überhaupt etwas?
Ja, sie essen ganz normal. Vor ein paar Tagen saß ich mit Sharon Stone zusammen, sie wünschte sich ein neues Gericht, jemand am Tisch hat ein Wiener Schnitzel bestellt. Sie fragte mich nach meiner Lieblingsspeise, ich deutete auf den Teller, da wollte sie es auch kosten.
Und wie hat es ihr geschmeckt?
Gut!
Und wie hoch war die Rechnung?
Für das Schnitzel? 80 Dollar.
Ein Wucher, würde man in Österreich sagen.
Gehobene Gastronomie kann nicht billig geführt werden.
Durch die Teuerung können sich viele das Essengehen nicht mehr leisten, selbst regelmäßige Gasthausbesuche werden seltener. Wohin wird das führen?
Die gehobene Gastronomie wird es immer geben – denn die gehobene Schicht hat immer Geld, heutzutage noch mehr als früher. Auch am anderen Ende der Skala sieht es gut aus: Lokale, die im untersten Preissegment liegen, werden künftig keine Probleme haben. Fast-Food-Ketten zum Beispiel. Dort können die Leute billiger essen, als wenn sie dafür einkaufen gehen und dann kochen müssten. Schwierig wird es für Lokale, die „in der Mitte“ liegen.
Die Schere zwischen Arm und Reich geht also weiter auf?
Ja, umgelegt auf die Gastronomie bedeutet das aber auch: Ein klassisches Wirtshaus zum Beispiel, wo gut gekocht wird und das preislich in der Mitte angesiedelt ist, wird es künftig wohl sehr schwer haben.
Wieso? Die, die es sich leisten können, und Hausmannskost lieben, werden weiter ins Gasthaus und nicht ins Fine-Dining-Lokal gehen wollen. Gerade in Österreich ist Wirtshauskultur gelebte Tradition.
Schon, aber die große Problematik ist das Personal: Die Jungen wollen alle in den Sternelokalen kochen, nur bei Familienbetrieben kann man noch darauf hoffen, dass die nächsten Generationen bleiben. Und dann braucht es auch die richtige Kalkulation: Ein guter Koch muss nicht nur kochen können, sondern auch ein guter Wirtschafter sein. Die Zahlen sind genauso wichtig wie die Zutaten.
Doch zählen auch bei Ihnen einige Lokale zum mittleren Segment. Wie funktionieren diese dann?
Stimmt, etwa in Las Vegas. Die funktionieren, weil da genug Touristen sind. Sonst tun auch wir uns in diesem Segment schwer. Und generell, ist es schon auch ein wenig unsere Schuld, wenn wir nicht das Personal haben, das wir brauchen.
Inwiefern?
Die Jungen brauchen Fortschritt und Perspektive. In unserem Unternehmen tun wir uns da freilich leichter, weil wir verschiedene Lokale haben und die Mitarbeiter hier genug Möglichkeiten vorfinden, sich zu entwickeln und zu entfalten. Trotzdem sind wir ein Familienunternehmen geblieben.
Bei Ihnen arbeiten rund 5000 Menschen. Das geht wohl ein klein wenig darüber hinaus.
Im inneren Kern sind wir tatsächlich Familie, mein Bruder Klaus etwa führt alle Lokale auf Flugplätzen – auch das Wiener Lokal, das sehr gut läuft. Unlängst eröffneten wir eines am Airport auf Bali. Mein Sohn Byran hat drei Monate im Steirereck verbracht und soll künftig mehr Verantwortung im Unternehmen übernehmen. Und wir haben viele Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten mit uns arbeiten, sie sind Familie, auch wenn wir nicht alle miteinander blutsverwandt sind.
Sie erweitern derzeit Ihren Betrieb erneut um einige Dimensionen.
Ja, derzeit planen wir unser größtes Restaurant in Malibu. Der Architekt Frank Gehry, der schon das Guggenheim-Museum in Bilbao gebaut hat, entwirft es, in rund zwei Jahren wird es fertig sein.
Ist das Ihr finales Projekt, treten Sie dann kürzer?
Frank ist 94, ich 73. Der Pachtvertrag wurde auf 50 Jahre abgeschlossen, mit einer Verlängerungsoption für 25 Jahre. Interessant, dass keiner nach unserem Alter gefragt hat. Aber, man sieht uns eben an: Wir haben noch große Pläne.
Zurück zum Personalmangel: Was kann ein kleiner Betrieb denn dann eigentlich für Perspektiven geben?
Allen Jobs Bedeutung beimessen, die wesentlich für den Betrieb sind. Köche denken oft, Gäste kämen nur wegen ihnen. Das stimmt nicht. Der Kellner ist genauso wichtig wie der Koch. Es geht darum, dass sich der Gast rundum wohlfühlt – das ist in erster Linie der Job des Services und des Sommeliers.
Kellner werden in der Regel aber schlechter bezahlt als Köche.
In Amerika ist es ein anderes System. Die Kellner verdienen dort sowieso mehr als die Köche, weil das Trinkgeld höher ausfällt. Macht eine Rechnung etwa 200 Dollar pro Person aus, geben die meisten rund 40 Dollar für den Kellner.
In Österreich sind rund 10 Prozent der Rechnung als Trinkgeld üblich. Aus der Gastronomie hört man aber, dass es sich bereits bei nur rund 5 Prozent eingependelt hat.
Das ist natürlich wenig. In Amerika wird ein Teil des Trinkgelds auch aufgeteilt auf Stationen, die nicht direkt am Gast sind, etwa Bar oder Empfang. Aber mindestens 50 Prozent bleiben dem Kellner.
Welche ist die in Ihren Augen aktuell spannendste kulinarische Stadt?
San Sebastián in Spanien. Dort bekommt man beste Produkte, es gibt einfache Lokale wie Tapas-Bars aber auch viele Sternerestaurants. Mir gefällt diese Mischung. Wobei auch Tokio spannend ist, da es dort viele verschiedene Restaurants gibt.
Nun ist der kulinarische Hippness-Faktor ja ein Wanderpokal. Was kommt da in Zukunft auf uns zu?
Stimmt. Vor zehn Jahren etwa hat kaum jemand über Paris als Hotspot gesprochen. Da war London hipp. Es stimmte auch: Da hat sich tatsächlich viel getan. Aber jetzt kommt Paris wieder. Es sind immer Zyklen, die durchlaufen werden.
Und wo steht Österreich?
Österreich gilt als sehr bodenständig, die Küche ist weltweit bekannt, aber es gibt kaum österreichische Lokale im Ausland – wie wir es von den Franzosen kennen. Wir kochen zwar österreichische Gerichte, aber nur punktuell. Mir geht es um die Mischung: In Los Angeles haben wir Kulturen von Korea Town über China Town bis Little Tokio. Ich möchte diese Internationalität abbilden. Das sorgte schon vor Jahrzehnten für Überraschungen.
Inwiefern?
Ich habe im Jahr 1982 rohen Fisch serviert. Zu dieser Zeit eine Neuheit. Keine Restaurants, außer japanische, hatten das gemacht, auch nicht in Frankreich oder New York. Überrascht habe ich auch 1983 mit der ersten Fusions-Küche im „Chinois“. Ich wollte nicht chinesisch oder koreanisch kochen, weil ich das nicht gut kannte. Aber ich habe die asiatische Küche so gekocht, wie ich sie mir vorstellte.
Und womit überraschen Sie jetzt?
Wir haben kürzlich ein Lokal in Riad aufgesperrt. Dort nehme ich den Einfluss Saudi Arabiens auf, so kreierten wir etwa eine Pastilla mit Lamm, Datteln und Erdnüssen. Aber das sind nur Akzente, beim Rest verlassen wir uns auf Altbewährtes – wie etwa auch den Kaiserschmarrn.
Ist das eigentlich Ihr liebstes Essen, abseits des Schnitzels?
Vielmehr liebe ich Schokolade.
Was haben Sie immer im Kühlschrank?
Champagner. Immer. Und Früchte vom Bauernmarkt.
Ansonsten?
Nicht viel. Meine Frau und meine Kinder sagen oft: Papa, da ist nichts zum Essen daheim!
Und wen möchten Sie eines Tages noch bekochen?
Den Papst. Da komme ich vielleicht noch in den Himmel.
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