Most Wanted: Wie sich der vergorene Fruchtsaft verändert hat

Seit geraumer Zeit macht nicht nur sauer lustig. Wie sich Österreichs Most von vergleichbaren Produkten um den Globus unterscheidet – und was das mit dem Wein zu tun hat.

Die Wachau hat „Steinfeder“, „Federspiel“ und „Smaragd“.  Dem Wein zugetane Menschen wissen sofort, dass die stolzen Wachauer ihre Tropfen so von leicht bis gehaltvoll klassifizieren. Und sie wissen, dass gerade beim Smaragd Vorsicht geboten ist. Der zeigt nämlich nach rauen Mengen  am nächsten Tag dem Kopf, wo der Barthel den Most herholt. 

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Dort, wo man ihn aus dem Keller holt –  im Mostviertel – sind aller guten Dinge des vergorenen Birnensafts ebenfalls drei.  Brous – ein alter hiesiger Dialektausdruck für Knospe – ist spritzig und eignet sich für den Aperitif. Preh  meint Stolz und ist ein vollmundiger Speisenbegleiter. Exibatur, der Pflug, der hat es dann wirklich in sich. „Das ist ein wahrer Kraftlackl mit kräftiger Aromatik und frischer Säure“, erklärt Toni Distelberger, „Primus“ des Vereins Mostbarone.

Ganz gleich, ob zart am Gaumen kitzelnd oder doch eher Furchen ins Gesicht ziehend, eines zeigt sich: Der Most ist seit geraumer Zeit eben kein herber Trank mehr, dessen Qualität mehr oder weniger ein Produkt des Zufalls ist. Etwas Hefe zuzugeben und sich zu sagen: „Schauma amoi, wos wird“, spielt es nicht mehr.  Nicht nur die geeichten Punkterichter bei den Mostkosten legen Wert auf gute Qualität.

Fruchtig statt süffig

Die Produzenten in Niederösterreich und jene, die wie in Oberösterreich, der Steiermark, Kärnten und Vorarlberg  auch Äpfel vergären lassen, haben ab den Neunzigern die Renaissance des Mosts eingeleitet und sich vom Weinbau und dessen Kellertechniken inspirieren lassen.  Und das ist nur allzu logisch: „Die Menschen in Österreich lieben den frisch-duftigen Weißwein, und auch der Most soll da fruchtig und feingliedrig sein. In anderen Teilen der Welt  geht es mehr um den Trinkfluss, da muss es süffiger sein.“

Aus diesen Birnen wird Most. Im Mostviertel verwendet man nur diese Frucht. Anderswo wird auch mit Äpfeln gemischt.

©lisa eiersebner

Dazu haben findige Marketingleute eigene Flaschen kreiert, die an mit leichtem Wein gefüllte Behältnisse erinnern. Es muss nicht immer nur der schöne Keramikkrug sein. Dazu wird er mancherorts im Stielglas serviert. Und dazu gibt es gar Sorten, die nur von einem Baum stammen. Wer etwas ganz Besonderes machen will, verpasst dem Getränk eine ganz spezielle Bezeichnung. „Jeder kann einen guten Most machen. Aber wenn man die fruchtige Qualität noch mehr hervorhebt oder ihn etwa in Holzfässern lagert, dann hat er sich den Namen Edelmost verdient.“    

Auch wenn der Ertrag zum dritten Mal in Folge eher schmal ist, wird der Most laut des Experten gut werden. Wenn  ein Baum zu viele Früchte trägt, könne er nicht alle optimal versorgen. „Das Wetter ist großartig: viel Sonne, kühle Nächte. Das ist gut fürs Aroma.“ Was Distelberger beklagt: Die Birnbäume werden wegen Klimawandels und Strukturänderungen in der Landwirtschaft weniger. Laut einer Studie aus dem Jahr 1968 gab es allein in Niederösterreich   1,3 Millionen Bäume. Heute liegt die Zahl geschätzt bei höchstens 700.000.

Im Frühling sorgt die Birnenblüte im Mostviertel für malerische Landschaften.

©Franz Weingartner

Das ist nicht nur schlecht für den Most, sondern auch für  Kleinlebewesen, die im Umfeld leben.  Daher werden jene, die es gibt, gepflegt. „So ein Baum wird zwischen 200 und 300 Jahre alt. Bis man die Birnen verwenden kann, können 30 Jahre vergehen. Und richtig gut werden sie überhaupt erst, wenn der Baum 60 bis 80 Jahre alt ist.“

Wenn wir schon beim Wissenswerten sind: Die wahren Mostschädeln  kommen nicht aus dem niederösterreichischen Mostviertel, sondern aus Oberösterreich. Nicht umsonst geben sich manche  diesen Namen selbst.   3,5 Liter „Landessäure“ wird laut einer seit Jahren gleich bleibenden Statistik getrunken.  In Österreich liegt der Mostkonsum pro Kopf bei  1,28 Litern. Die zeigen den anderen, wo der Hammer hängt. Apropos: Wussten Sie, dass der „Barthel“ aus der beliebten Redewendung kein männlicher Vorname, sondern jiddisch für „Brechstange“ ist? Und „Most“ kein Getränk, sondern ebenfalls ein jiddisches Wort  für „Geld“ ist?

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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