Genuss in Kärnten: Hier prägen Slow Food & Soul Food die Esskultur
In Kärnten, wo die Alpen-Adria-Küche wurzelt, prägen Slow Food und Soul Food die Esskultur.
von Katharina Baumhakel
Jauntaler Hadn, Gailtaler weißer Landmais, Metnitztaler Wild und Kärntner Laxn: Unter diesen und zahlreichen weiteren regionalen Köstlichkeiten biegen sich die Küchentische der passionierten Slow-Food-Köchinnen und Foodbloggerinnen Doris (57) und Victoria (28) Latschen regelmäßig bei ihren Kochkursen.
Das Mutter-Tochter-Duo hat sich zum Ziel gesetzt, Bewusstsein für die Vielfalt und den Reichtum der Kärntner Küche zu schaffen und einen Anstoß zu geben, das Slow-Food-Konzept stärker in ihr heimisches Soul Food zu integrieren. Während Victoria, Mitglied in der Slow Food Cooks Alliance, die Kärntner Küche gerne neu interpretiert, bringt Doris ihre langjährige Erfahrung als Köchin, geprägt durch Begegnungen mit den renommierten Kärntner Haubenköchen Gottfried Bachler und Hans Tschemernjak, ein.
Alpen-Adria-Fusion
"Die traditionelle Kärntner Küche ist in vielerlei Hinsicht einzigartig", wissen die beiden. Verwurzelt in der Alpen-Adria-Region, verschmelzen italienische und slowenische Einflüsse mit den Traditionen Kärntens – doch Doris und Victoria Latschen verleihen ihr frischen Schwung.
Für sie ist die Küche ein lebendiger Prozess, der sich stetig weiterentwickelt. Ihre moderne Interpretation des Ritscherts, eines klassischen Eintopfs mit Gerste, ist ein Paradebeispiel: Statt mit Selchfleisch veredeln sie das Gericht mit geräucherter Seeforelle, die für Leichtigkeit und Raffinesse sorgt. Schweinsbraten weicht bei Doris zugunsten von zarter Laxn, die in harmonischem Kontrast zu Kärntner Süßkraut steht.
Und die Kasnudel? Die wird nicht nur traditionell mit einer Mischung aus Bröseltopfen und Erdäpfeln oder Hirsebrein gefüllt, sondern auch mit Wild oder Kürbis. "Der Charakter des Gerichts soll auf jeden Fall erhalten bleiben – wenn auch mit einer neuen Note", betont Victoria. "Mitunter treffen wir mit diesen Adaptierungen auch aktuelle Ernährungstrends."
Dabei verzichten sie bewusst auf Lebensmittel, die außerhalb der Saison oder Region liegen – etwa Erdbeeren im Winter oder Exoten wie Mangos und Avocados. Stattdessen experimentieren sie mit heimischen Alternativen, wie etwa alten Apfelsorten oder Erbsen als Avocado-Ersatz für ihr Kärntner Sushi.
Erinnerungen auf der Zunge
Für Familie Latschen hat Essen eine besondere emotionale Bedeutung. Doris erinnert sich nostalgisch an Gerichte aus ihrer Kindheit, die bis heute auf den Tellern landen: der unvergleichliche Reindling ihrer Mutter, die wärmende Brotsuppe ihrer Großmutter und die knusprigen Brathendln von Tante Greti. Gerichte, die weit mehr als bloße Mahlzeiten sind: Reminiszenzen für Zunge und Gaumen.
Auch Victoria wurde früh in diese kulinarische Tradition eingeführt. Aufgewachsen im ehemaligen Gasthof der Familie, lernte sie von Kindesbeinen an den Wert regionaler und saisonaler Zutaten zu schätzen. Das Konzept von Slow Food war für sie bereits Normalität, lange bevor es in Kärnten breit verankert wurde.
Ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Latschens schreibt auch Victorias Vater Valentin, der in Klagenfurt die renommierte Brennerei Pfau betreibt. Seine Edelbrände finden regelmäßig ihren Weg in die Küche der leidenschaftlichen Köchinnen und dienen als aromatische Veredelung ihrer Gerichte. Besonders gefinkelt setzt Victoria die Destillate etwa mit einem "Schnapszerstäuber" ein – sei es, um feinsten Whisky über ein Beef Tatar zu sprühen, Gin mit Kräuterseitlingsragout zu vermählen oder Desserts mit einem Hauch von Zwetschkenbrand zu parfümieren.
Kärntner Essenzen
"Die Alpen-Adria-Region mit ihren Produkten spiegelt sich in ganz Kärnten wider", erzählt Doris. Jede Talschaft hat ihre eigenen, oft in Vergessenheit geratenen Produkte und Speisen, die nur darauf warten, wiederentdeckt zu werden. Eine dieser Delikatessen ist die weiße Polenta aus dem Gailtal. Auch das Kochen mit Apfelsaft und Apfelmost gehört dazu. "In unserem Gasthof Pfau hatten wir sogar einen eigenen Menüteil für die Apfelküche", erinnert sich Doris. Darunter Kärntner Mosttorte, Mostbratl und Apfelknödel.
Gerade weniger bekannte Zutaten wie der Hadn, auch als Buchweizen bekannt, erfahren bei den Slow-Food-Köchinnen neue Wertschätzung. Hadntorte oder Hadnsterz, traditionelle Spezialitäten aus dem Gailtal, feiern bei ihnen eine kulinarische Hoch-Zeit. "Der Hadn hat in Kärnten lange eine zentrale Rolle gespielt", so Doris. "Heute rücken wir ihn wieder in den Vordergrund – er ist gesund, nahrhaft und in der heimischen Landwirtschaft verwurzelt."
Eine weitere lokale Empfehlung ist Talggen, ein warmes Frühstücksgericht, das Victoria liebevoll als "Kärntner Superfood für die Seele" bezeichnet. Dabei handelt es sich um gedämpftes, gedarrtes und vermahlenes Getreide, das mit heißem Wasser angerührt und mit Butter, Zucker oder Honig verfeinert wird.
Wild und echt
Mutter und Tochter, beide hauptberuflich Pädagoginnen, bieten der regionalen Küche bewusst mit ihrem gemeinsamen Blog "Foodisourpassion" eine Bühne. Dabei sind es nicht nur Rezepte, die sie teilen. Es ist die Philosophie dahinter: eine Rückbesinnung auf die Herkunft der Zutaten und die Wertschätzung des Handwerks.
"Für uns ist es wichtig, dass wir nicht nur mit Produkten arbeiten, die wir schätzen, sondern dass wir auch die Geschichten dahinter erzählen", erklärt Doris. Und genau diese Hintergründe und Geschichten bringen sie den Menschen bei Caterings, auf ihrem Blog und in ihren Kochkursen näher. Letztere werden regelmäßig unter einladenden Mottos wie "Kraut und Ruabn" oder "Born to be wild" in Villach angeboten, wo Teilnehmende lernen, aus einfachen Lebensmitteln großartige Gerichte zu zaubern.
Mit dem Wechsel der Jahreszeiten ändert sich auch das Angebot in der Küche. "Die kalte Jahreszeit bringt uns zurück zu wärmenden, nährenden Speisen", erzählt Victoria. Wenn es draußen kälter wird, rücken Zutaten aus dem "Kraut und Ruabn"-Kistl in den Vordergrund. "Im Winter arbeiten wir gerne mit heimischem Wild", ergänzt Doris.
Kulinarische Höhepunkte ihres Repertoires sind Gams-Suppe mit Wild Fagottini oder Wildburger mit in Earl Grey Sous vide gegarter Rehschulter und mariniertem Rotkraut. Was in der üppigen Erntezeit nicht direkt verwertet werden kann, wird für den Winter eingekocht, getrocknet oder fermentiert – Vorratshaltung ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.
Mit Pfeffer und Magie
"Kochen ist unsere Leidenschaft, Geschmack ist für uns Magie", lautet das Credo von Doris und Victoria Latschen. Die emotionale Verbundenheit zu Slow Food zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Gerichte, die nicht nur dem Gaumen schmeicheln, sondern als Soul Food auch das Herz berühren.
Selbst wenn es bei der gemeinsamen Rezeptentwicklung von Mutter und Tochter manchmal hitzig und nicht immer konfliktfrei zugeht – etwa, wenn es um die Wahl der richtigen Pfeffersorte geht – ist es gerade dieser leidenschaftliche Austausch, der die traditionelle Kärntner Küche lebendig hält. Die Diskussionen und der stetige Dialog zwischen den beiden Generationen bringen frische Impulse in alte Rezepte, sodass jeder Gang aus ihrer Küche zur Hommage wird an das, was war – und zu einer Verheißung dessen, was noch kommen mag.
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