Veredelt mit Koji: Wo wir Rüben essen, die nach Salami schmecken

Thomas Marquardt wird im März eine Produktionsküche für fermentierte Rote Rüben eröffnen und die Gastro mit seinem edlen Produkt beliefern.

Das erdige Superfood liefert Unmengen an Vitaminen, Spurenelementen und Antioxidantien – besonders bekannt ist die Rote Rübe aber für ihren Eisenanteil. Genau das ist das Problem der Rohne, genauer gesagt ihr Imageproblem: Wir verbinden das einstige Arme-Leute-Essen mit winterlicher Eintönigkeit, einem Stamperl Rübensaft sowie einem sauer eingelegten Salat.

Dabei kann die Knolle vielmehr, wie Autor Jeremy Umansky weiß. Sein Kochbuch gilt als Bibel für alle Fermentierfreudigen. Darin befindet sich ein Rezept für mit Edelschimmel überzogene Roten Rüben, das weltweit und jetzt auch in Österreich für Gaumenfreude sorgt.

 

Der 28-jährige Deutsche Thomas Marquardt eröffnet im März eine kleine Produktionsküche "Flora und Rauna" in Wien, um Rüben mit Koji-Pilzsporen für die Gastronomie zu veredeln. Nach dem Fermentationsprozess sehen die Rüben wie vertrocknete Zitronen aus – fein aufgeschnitten erinnern sie an luftgetrockneten Rinderschinken.

Aus diesem Grund wird die so neu entstandene Delikatesse auch als vegetarische Charcuterie bezeichnet.

Verschrumpelte Zitronen, die nach Camembert schmecken

©mariosalvenmoser.com

"Zuerst koche ich die Rüben, dann beize ich sie in Salz und Gewürzen. Für Geschmack und Haltbarkeit ist das besonders wichtig. Die Rüben werden mit Pilzsporen und Stärke bestreut. Dann kommen die Rüben für zwei Tage bei 28 Grad und mindestens 70 Prozent Luftfeuchtigkeit in die Fermentationskammer."

Nach diesem Prozess sehen sie nicht mehr nach Rüben aus: "Man merkt aber, dass das Produkt noch nicht fertig ist: Jetzt schmecken sie wie gekochte Rüben mit einer Camembert-Schale. Um den Geschmack zu intensivieren, müssen sie noch drei Tage lang trocknen." Und dann erinnern ihre Geschmacksnuancen an Camembert oder Salami mit feinem Rüben-Noten – die weiße Schicht bekommt einen rosafarbenen Touch.

Für diese Umami-Explosion zeichnet sich der Hefepilz Aspergillus flavus var. Oryzae, verantwortlich – besser bekannt unter seinem japanischen Namen Nihon Kōjikabi. Luftfeuchtigkeit hat Koji (so die Kurzform) besonders gerne: Wenn er sich so richtig wohlfühlt, breitet er sich rasend schnell aus.

Wie die Delikatessen aufgetischt werden sollen

©mariosalvenmoser.com

Wie soll das veredelte Gemüse gegessen werden? "Ich würde die Rüben nicht nochmals erhitzen oder backen, sondern dünn aufschneiden und damit Brot, Pizza oder Flammkuchen nach dem Backen belegen. Auch ein Tartar aus gekochten Rüben mit der Charcuterie angerichtet oder in Kombination mit Kren und Dille kann ich sie mir gut vorstellen."

Der Sohn deutscher Zuckerlmacher möchte im Februar mit der Produktion starten, bekannte Delikatessengeschäfte und Gastronomen wie Jonathan Wittenbrink haben bereits Interesse bekundet. Dieser möchte die Rüben in seinem neuen Restaurant Jola ab März auftischen.

Was noch auf dem Produktionsplan von Marquardt stehen wird: Trockenfleisch, also Beef Jerkey von der Roten Rübe mariniert mit Fenchel und Knoblauch. Offen sind noch die Verpackungsfrage und die Laboranalysen zur Haltbarkeit – der US-Erfinder verspricht, dass seine verschrumpelten Rüben bis zu sechs Wochen haltbar sind. Und dies am besten im Kunststoff-Behälter wie Wurst oder Käse im Kühlschrank.

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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