Flaschenpost: Vornehme Zurückhaltung
Einer übers Jahr strapazierten Leber tut die kurze Verschnaufpause fraglos gut.
Früher nannte man radikal reduzierte Zufuhr von Kalorien und Promille Fastenzeit – das klingt freilich nach lustloser Entsagung. Daher hat man sich wohl auch in unseren Breiten zumindest für den Alkoholverzicht auf die ungleich smartere Formulierung "Dry January“ verständigt. Auch wenn damit weder der ausschließliche Konsum von Extra-brut-Schaumweinen oder Dry-Martini-Cocktails gemeint ist, hat "Dry January“ einen gewissen Appeal.
Es klingt nach vornehmer britischer Zurückhaltung statt nach ödem Diätfrust. So oder so: Einer übers Jahr strapazierten Leber tut die kurze Verschnaufpause fraglos gut. Langfristige Wirkung darf von dem trockenen Vorhaben hingegen nicht erwartet werden, selbst wenn man sich über den Jänner hinaus bis Aschermittwoch kasteit. Nachhaltigkeit verspricht lediglich die vergleichsweise simple Binsenweisheit für Genießer: Weniger, aber gut.
Weniger Alkohol, weniger Zucker, weniger Liter, besserer Stoff. Eine gnädige Fügung des Schicksals beschert uns zunehmend Winzer, die es verstehen, herausragende Weine zu produzieren, die sich promilletechnisch zurückhalten. Weine, die keine exotischen Fruchtexplosionen am Gaumen vollziehen, sondern durch Feingliedrigkeit und Tiefgang, durch subtile Aromen überzeugen. Weine, die bei all dem Geschmackskrawall nicht gleich wahrnehmbar sind – die jedoch mit der Zeit ziemlichen Spaß machen. Hat man sich darauf eingetrunken, kann man nicht mehr zurück zu den Muskelprotzen, die dann bloß mühsam und beschwerlich erscheinen.
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