Flaschenpost: Vom Saulus zum Paulus

Als Bestandteil von Liebfrauenmilch eilt dem Müller-Thurgau ein schlechter Ruf voraus. Berechtigt oder falscher Spott?

Es gibt Rebsorten, nach denen kein Hahn zu krähen scheint. Müller-Thurgau etwa, der den biederen Namen seinem Schweizer Erfinder, Professor Müller aus dem Kanton Thurgau verdankt. Man nannte ihn auch Rivaner, in dem Glauben, es sei eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner. Viele Forschungsjahre später kam man drauf, es handelt sich um einen Mix aus Riesling und Madeleine Royale, den wiederum kein Hund kennt. Im Vergleich zum Riesling stinkt der Müller-Thurgau mächtig ab, da sind sich alle Experten einig. Die Latte liegt aber auch ziemlich hoch, zählt Riesling doch gemeinhin zu den edelsten aller weißen Sorten. Schuld an dem üblen Ruf des Müller-Thurgaus ist nicht zuletzt die Tatsache, dass er Bestandteil der so genannten „Liebfrauenmilch“ war, einem industriell gefertigten lieblichen Wein aus Deutschland, der so gar nicht lieblich ist – vielmehr eines der größten sensorischen Missverständnisse in der Geschichte des Weins.  

Schuld an dem üblen Ruf des Müller- Thurgaus ist nicht zuletzt die Tatsache, dass  er Bestandteil der so genannten ‚Liebfrauenmilch‘ war.

Christina Fieber

Die renommierte britische Weinkritikerin Jancis Robinson hält Müller-Thurgau gar für eine „mittelmäßige Züchtung, die dem deutschen Weinbau bloß Unheil brachte“. Freilich, der ertragreiche Müller-Thurgau verleitet zur Massenproduktion – dennoch gibt es spannende Vertreter der diskriminierten Sorte: Von Matthias Warnug und Martin Arndorfer oder der Domäne Wachau etwa, die alte Müller-Thurgau-Rebanlagen erwarben und sie nicht ausreißen wollten. Daraus entstehen unaufgeregte, finessenreiche Weißweine mit Tiefgang – ganz einfach, weil sie gut mit ihm umgehen.

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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