Die richtige Lagerung für Wein: Kindsmorde und Kellerleichen
Über die Lagerfähigkeit des Genussmittels und den Marketing-Schmäh dahinter.
Die Welt ist voller Missverständnisse. So verbreitet wie untilgbar ist etwa die Annahme, Rotweine besäßen per se bessere Lagerfähigkeit als Weißweine. Wie immer ist alles komplex und einfache Antworten sind nur ein Marketing-Schmäh. Das viel besungene Lagerpotenzial hängt von etlichen Faktoren ab, egal welche Farbe der Wein hat. Freilich, einige Rotweinsorten sind besonders reich an Gerbstoffen – punkto Lagerung zweifelsohne ein Vorteil: Tannin bindet Sauerstoff und verhindert so rasche Oxidation. Wer je, man möge das politisch unkorrekte Wortbild verzeihen, Kindsmord an traditionellem Barolo beging, weiß um die Kratzbürstigkeit zu jung getrunkener, gerbstoffreicher Weine.
Einige Jahre im Keller machen aus dem Raubtier eine Schmusekatze. Weil aber Zeit Geld ist, werden etliche Rotweine so hergerichtet, dass sie noch blutjung zum Plüschtier verkommen. Das spart Lagerkosten und sorgt zudem gern für gute Bewertungen. Dass sich Turboreifung eher ungünstig auf die Lagerfähigkeit auswirkt, liegt auf der Hand. So manche Weinkarte ist voller Rotweine, die ihre beste Zeit hinter sich wissen. Hinter der einen oder anderen Rarität verbirgt sich dann eine Kellerleiche. Umgekehrt werden Weiß- wie Süßweine mitunter zu jung getrunken, dabei sind Säure oder Zucker ein Jungbrunnen. Bei reifem Riesling etwa können die Sterne leuchten! Meist verhält es sich aber so, wie es ein kluger Winzer einmal formulierte: „Ein guter Wein ist immer gut.“
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