Auf den Spuren des perfekten Kebaps

Döner muss nicht immer billiges Streetfood sein. Ferhat Yildirim steht für gesunden Edel-Kebap. Für seinen Döner stehen die Wiener Schlange.

Du bist Ferhat? Ich gratuliere!“ Der Mann in Daunenjacke, Bart, Sneakers grinst übers ganze Gesicht. Ehrfürchtig steht er von seinem Sessel im Restaurant auf, dann hebt er freudestrahlend die rechte Hand und streckt sie Ferhat Yildirim, dem Besitzer von Ferhat Döner, entgegen. Milde lächelnd nimmt der gefasst die Komplimente über das Essen an. Lob ist er gewöhnt. Haubenkoch ist er keiner.

„Unser Döner schmeckt besser als jedes Steak in Wien“, sagt Ferhat. „Das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Und das wissen die Leute.“ Wer jetzt aufhört zu lesen, weil er eine entgeltliche Einschaltung vermutet: nein, ist es nicht. Aber es muss etwas dran sein, an der starken Ansage.

Österreich im Döner

Ein Lokalaugenschein bestätigt das: Wien, Favoritenstraße. Hier schlägt das Herz der Stadt. Doch zwischen den Geschäften von H&M bis Palmers ändert sich das Bild der Einkaufsstraße, durch die manche flanieren, andere hasten. Vor Ferhats Döner stehen die Leute Schlange bis auf die Straße hinaus.

90 Prozent Stammkunden. Aber auch: Touristen, aus Deutschland, der Schweiz. 1,1 Millionen Aufrufe verzeichnet das Video des Influencers Lukas über das Restaurant auf YouTube. Das wird gesehen. „Für ein gutes Essen benötigst du nichts Außergewöhnliches“, sinniert Ferhat. „Du musst nur das verarbeiten, was die Natur dir anbietet.“

Von Hand: Das Brot wird bei Ferhats Döner selbst gemacht 

©KURIER/Jeff Mangione

Bei ihm geht das so: „Brot, selbst von uns hergestellt, mit Mehl aus der Steiermark. Fleisch von Weiderindern aus Tirol und Salzburg. Salz. Pfeffer. Offenes Feuer. Und sonst nichts.“ Wo andere es sich einfach machen und tiefgefrorene Kebapspieße aus Deutschland importieren, mit Fleisch aus Polen, fertigt Yildirim sie aus eigener Hand. Saucen, Geschmacksverstärker, Bindemittel, Konservierungsstoffe verbietet er sich. Faschiertes Fleisch? Ganz böse, weil der Fleischwolf alle Aromen zerquetscht. Yildirim verwendet einzig das Beiried und die Schale vom Rind. So kann er ein natürliches Gericht garantieren.

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Geschmack wie als Kind

Mit inkludiert: jede Menge schöner Erinnerungen. Den Geschmack des Kebaps aus seiner Kindheit, den wollte er wieder finden, sagt Ferhat. Als die Essenszutaten aus eigenem Anbau und eigener Züchtung stammten. Und während des Ramadans die wohlhabenden Familien für den Rest des winzigen Dorfes, aus dem er kommt, mit seinen 70 Häusern, 40 Kilometer von der Hauptstadt Ankara entfernt, kochten. Ergebnis heute: ein Edel-Kebap, made in Austria.

Und ganz weit entfernt vom schlechten Image des Fleisch-Sandwiches. Fettig, kalorienreich, mit minderwertigen Zutaten und schlicht ungesund: Der Erfolg bei den Kunden sorgte dafür, dass an jedem Eck ein Kebap-Stand aufsperrte. Was der Qualität der Speise – gelinde gesagt – wenig guttat.

Brot, warm gemacht auf der Feuerschale 

©KURIER/Jeff Mangione

Die Historie des Döner

Wobei Kebap nicht gleich Döner ist. Kebap steht im Türkischen schlicht für gegrilltes oder gebratenes Fleisch. Ein Döner wird am Teller mit Reis und Salat serviert. Ursprünglich wurde nur Hammelfleisch oder Lammfleisch verwendet. Heute sind auch Rind und Huhn üblich. Als Imbiss wird es in aufgeschnittenem Fladenbrot verspeist.

Bereits um 1840 wurde in der Türkei das am Spieß gegrillte Fleisch in Brot angerichtet. In den 1940er Jahren wurde es in Restaurants auch in Istanbul verkauft. Ab den Sechzigern stand es dann im Straßenverkauf. Die Legende, dass Döner Kebap in Deutschland erfunden wurde, scheint also falsch. „Als ich ein Kind war, kannten das schon mein Vater und Großvater“, erzählt etwa Ferhat Yildirim. Dass laut dem Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa der Gastronom Kadir Nurman in den 1970ern am Bahnhof Zoo in Berlin den von ihm kreierten Döner zum ersten Mal verkauft hätte, wollen wir an dieser Stelle dennoch nicht unerwähnt lassen.

In Deutschland ist Mustafa’s Gemüse Kebap zu einiger Berühmtheit gelangt. Touristen bewerten ihn in Superlativen, Elon Musk schaute auf einen Happen vorbei. Dabei halfen auch geschicktes Marketing und wohlüberlegte Geschäftsentscheidungen. Zum Beispiel existiert Mustafa gar nicht. Der Besitzer heißt Tarik Kara. Mustafa ist für Lieschen Müller als Name bloß einprägsamer.

In Wien steht Ferhat für Kult-Döner. Auch bei ihm kommen Promis und Politiker essen, zudem alle Gesellschaftsmilieus. Arbeiter in Latzhose genauso wie Bürohengste mit Krawatte. Eine blonde Hipster-Frau mit Baseball-Kappe macht Fotos. Vom Lokal, vom Döner, von ihrem Freund beim Essen.

„Das ist kein Hype“, erklärt Ferhat die Schlange vor seinem Lokal. „Es ist einfach gesundes Essen.“ Die Leute hätten verlernt, wie das mundet. Und sich stattdessen daran gewöhnt, dass die Industrie ihnen wenig wohlschmeckende, verarbeitete Lebensmittel vorsetze, um ordentlich Reibach zu machen. Als er mit seinem Lokal vom zweiten in den zehnten Bezirk umzog, zweifelten viele, ob das gut gehen würde. Nun zeigt Yildirim uns stolz eine Baustelle: Hier, im Gebäude nebenan, residiert ab Mai Ferhats Döner und bietet Gästen endlich mehr Platz. Für das alte Lokal hat er neue Pläne: ein vegetarisches Restaurant soll es werden. Aber nicht mit vegetarischem Essen, das sich anstrengt nach Fleisch zu schmecken, sondern nach bewährtem Rezept: Natur pur.

Feinstes Fleisch: Ferhat Yildirim am Döner-Spieß

©KURIER/Jeff Mangione
Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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