Kritik

Zweierlei von der Oper aus Erl: Raritäten mit Perlen und Gags

"L'Amico Fritz" und "Le Postillon de Lonjumeau" bei den Tiroler Festspielen.

von Helmut Christian Mayer

Unwillkürlich denkt man an "Cavalleria rusticana", wenn man von Pietro Mascagni spricht. Doch neben diesem, seinem einzig erfolgreichen Opernerstling schrieb der italienische Verismo-Komponist sage und schreibe noch 15 weitere Bühnenwerke. Diese ereilten jedoch alle das Schicksal, Raritäten und selbst in Italien kaum gespielt werden. So auch seine zweite Oper "L’amico Fritz" (UA 1891 in Rom), die jetzt bei den Tiroler Festspiele Erl zu sehen ist.

 

LAmico Fritz

©Tiroler Festspiele Erl/Xiomara Bender

Mascagni wählte bewusst ein einfaches Libretto mit einer harmlosen, dahinplänkelnden Liebesgeschichte inklusive Happy End um den eingefleischten Junggesellen Fritz, der eine Wette mit seinem Freund David verliert, weil er sich in Suzel verliebt und letztlich heiratet.

Zeitlose Inszenierung

Ute Monika Engelhardt zeigt eine zeitlose Inszenierung der naiven Handlung, die nicht wie im Libretto vorgesehenen im Elsass, sondern überall stattfinden kann. Statt idyllischer Weinberge sieht man graublaue, hohe Kassettenwände, die sich mit der Zeit öffnen und im zweiten Akt mit blühenden Bäumen dekoriert sind. Fallweise werden sie auch durchschaubar und zeigen Visionen und Traumbilder, die alten Meistern wie etwa Botticelli nachempfunden sind (Bühne: Sonja Füsti).

LAmico Fritz

©Tiroler Festspiele Erl/Xiomara Bender

 

In heutigen Kostümen (Henriette Hübschmann) ist die Personenführung unspektakulär, aber geprägt von Klarheit. Man arbeitet viel mit ästhetisch wirkenden seitlichen Lichteffekten und Schatten.

Umfunktioniert wird die Hosenrolle des "Zigeuners" Beppe in die einer Frau, die mit dem Titelhelden eine ständige On-Off Beziehung haben soll, woraus sich eigentlich nichts gewinnen lässt.

Undramatische Partitur

Auch musikalisch kann die farbige, mit einfachen Melodien gewürzte, aber völlig undramatische Partitur nicht die Klasse der "Cavalleria rusticana" erreichen. Aber sie strahlt mit reichen Klangfarben und hochmelodiösen Perlen. Diese werden vom Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter dem exakt und jeden Einsatz gebenden Francesco Lanzillotta sehr direkt aber klangschön gespielt. Dabei sei der Konzertmeister mit seinem exzellent musizierten, langen Solo besonders hervorzuheben. Großteils aus Frankfurt stammt das von Intendanten Bernd Loebe, der ja dort die Oper leitet, gut ausgewählte Sängerensemble: Karen Vuong ist eine mädchenhaft, schüchterne Suzel mit kraftvollem und nuancenreichem Sopran. Gerard Schneider verfügt als Titelheld über einen schöngefärbten Tenor mit etwas engen Höhen. Nina Tarendek singt die Beppe sehr intensiv. Wunderbar weich hört man Domen Krizaj als David. Homogen singt der Chor. Viel Applaus!

Wiederholungen am: 2. und 4. Jänner

 

 

LAmico Fritz

©Tiroler Festspiele Erl/Xiomara Bender

"Le Postillon de Lonjumeau": Eine spritzige, zu Unrecht vergessene Rarität

Selbst Richard Wagner soll, wenn er nicht schlafen konnte, das berühmte "Postillon"-Lied gesungen haben. Dieses ist aber der einzige, von Tenören gefürchtete, weil bis zum hohen D reichende Hit der Opéra-comique von Adolphe Adam, ein seinerzeitiger Kassenschlager (UA 1836 in Paris), der bis heute übrig blieb.

Eben diese bravouröse Arie, die der "Postillon de Lonjumeau", während seiner Hochzeitsfeier singt, hört zufällig der Intendant der Pariser Oper. Er sagt ihm eine glänzende Zukunft als Sänger voraus und überredet ihn, noch am selben Tag mit ihm nach Paris zu reisen. Zehn Jahre später gelingt es der mittlerweile zu Reichtum gekommenen Madeleine, jetzt eine vornehme Madame de Latour bei einem Gastspiel in ihrem Schloss sich bei dem Treulosen zu rächen und ihn bloßzustellen. Nach zahlreichen Intrigen kommt es letztlich mit einem Refrain des Postillons-Liedes zum Happy End.

 

Le Postillon

©Tiroler Festspiele Erl/Xiomara Bender

Zwei exzellente Stimmen

Um das Stück aufführen zu können, bedarf es zumindest zweier exzellenter Stimmen, die den mörderisch schweren Anforderungen der Partien gerecht werden können. Und diese gibt es bei den Tiroler Festspielen in Erl: Denn Francesco Demuro singt den Titelhelden Chapelou und späteren Opernstar Saint-Pahr mit allen extremen Höhen aber auch Tiefen mühelos und mit viel Schmelz – ausstaffiert mit riesigem Federkopfschmuck und Engelsflügeln.

Monika Buczkowska als Madeleine verfügt über einen ungemein flexiblen Sopran mit blitzsauberen Koloraturen. Joel Allison gefällt als Bijou. Steven LaBrie ist ein köstlicher Marquis de Corcy. Spielfreudig agiert und singt der nur manchmal aus dem Tritt geratene Chor.

Die reiche musikalische Komik, die graziöse Melodik und pikante Rhythmik werden vom Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter dem energiegeladenen und stets animierenden Erik Nielsen mit großer Spritzigkeit, teils zugespitzten Tempi und Nuancenreichtum musiziert. Die geschickt konstruierte Intrigenhandlung der prickelnden Opéra-comique mit einer Reihe von humorvollen Szenen und französischen Dialogen wird von Hans Walter Richter mit tempo- und ideenreicher Vitalität, vielen Gags bis zu praller, teils überdrehter Komik in der Zeit belassen, in der sie spielt, gezeigt.

 

Herrlich überzogen

©Tiroler Festspiele Erl/Xiomara Bender

Auf einer drehbaren Guckkastentheaterbühne des Spätbarocks auf den verschiedensten Bereichen einer Spielfläche, der Seitenbühne, Backstage wird in herrlich überzogenen Rokoko-Kostümen (Ausstattung: Kaspar Glarner) ungemein spielfreudig agiert. Jubel! Wiederholungen am 30.12. 2021 und 5.1.2022

 

 

 

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