Klaus Eckel über Zuversicht, Midlife-Crisis und naive Volltrottel

Kabarettist und Schnellsprecher Klaus Eckel im Interview: "Ich sehne mich nach Langeweile".

Seine Kabaretts sind nicht nur Einladungen zum Lachen, sondern auch zum Denken. Frohgemut jagt bei Klaus Eckel ein Gedanke den anderen und es ist ein großes Vergnügen, ihm dabei zu folgen, sich darin zu verheddern oder den Faden zu verlieren. 

Sein aktuelles Buch „In meinem Kopf möchte ich nicht wohnen“ (Ueberreuter Verlag, 184 Seiten, 20 Euro) lacht von der Spitze der Bestseller-Charts und beinhaltet humorvolle Kurztexte, wortakrobatisch, denkaktiv, satirisch und voller Pointen. Ob es bei ihm immer so zugeht?

Lieber Klaus, wenn Sie in der Früh aufwachen, was denken Sie? 

An meine To-do-Liste. Ich fürchte, sie wird auch an meinem Grabstein hängen mit der Notiz: Folgende Punkte sind noch offen ...

Das Gedankenkarussell beginnt sich also gleich frühmorgens wie wild zu drehen?

Das war schon als Kind so. Neugierde wird gefeiert, aber sie kann auch belasten. Es interessiert mich einfach so viel. Ich sehne mich ungemein nach Langeweile. In meinem Schädel geht es zu wie in der Villa Kunterbunt. Selbst am Sandstrand in Griechenland kann ich kaum abschalten. Mein Hirn reist ja mit. Ein Riesenproblem. Vielleicht schafft es einmal die KI, das mein Gehirn daheim bleibt und nur mein Körper verreist.

Wissen kann auch belasten und Sie scheinen irrsinnig viel zu wissen. Wissen Sie zu viel?

Die Dummheit wird immer gescholten. Der Dumme kann sich jedoch in die Unwissenheit flüchten, Gebildete sind ständig am Verzweifeln. Ich glaube, Orwell hat gesagt: Denken macht Dinge nur komplizierter, das stimmt. Ich kenne nur wenige Intellektuelle, die glückliche Menschen sind. Die meisten Intellektuellen, die ich kenne, sind tief misanthrop, frustriert und Apokalyptiker. Und die Dummen in meinem Bekanntenkreis springen fröhlich von einer Blumenwiese in die nächste. Ich selbst hänge fest zwischen Apokalypse und Blumenwiese.

Der am schnellsten sprechende Kabarettist des Landes. Das Gute ist: Wenn Klaus Eckel spricht, wird es witzig und klug zugleich

©kurier/Wolfgang Wolak

Ich bin ein Freund der Zuversicht. Sonst muss man gar nicht erst ein Bein aus dem Bett heben. Mich mit der Sinnlosigkeit arrangieren, das will ich nicht.

Klaus Eckel

Geraten Sie oft in Streit ob Ihrer Standpunkte?

Streit wird zu negativ gesehen. Man sollte sich mit Menschen befreunden, die gegenteiliger Meinung sind, die man aber dennoch wertschätzt. Ich möchte mich nicht immer mit meinem Spiegelbild unterhalten. Schön wäre das Ideal der alten Griechen: das Ringen um Wahrheit. 

In den sozialen Medien nimmt die Wahrheitssuche bisweilen überhand. 

Da wird nicht gerungen, da leiden die Leute unter Meinungsinkontinenz. Eine schwedische Studie hat bewiesen, dass Menschen mit Facebook & Co unglücklicher sind als ohne. Man glaubt, soziale Medien spiegeln das Leben wider, dabei haben sie mit dem Leben nichts zu tun. Man wird am Sterbebett kaum bereuen, etwas nicht getwittert zu haben. Ein Gespräch nicht geführt oder Abenteuer nicht erlebt zu haben, eher.

Sie teilen Ihren Kopf und Ihre Buchkapitel in Zimmer auf. Grübelzimmer, Panikkammer, Atrium des Absurden: In welchem der Räume halten Sie sich am liebsten auf?

Im Salon der guten Hoffnung. Ich bin ein Freund der Zuversicht. Sonst muss man gar nicht erst ein Bein aus dem Bett heben. Mich mit der Sinnlosigkeit arrangieren, das will ich nicht. Dazu ist mir das Leben zu kostbar. Als Kind der Achtziger, das Tschernobyl, Waldsterben, Kalten Krieg und Ozonloch überlebt hat, wünsche ich mir, dass der Mensch aus der aktuellen misslichen Lage doch auch noch gelegentlich auf Gelungenes aus der Vergangenheit blickt.

Klaus Eckel im Gespräch mit KURIER Freizeit-Redakteur Alexander Kern

©kurier/Wolfgang Wolak

Kabarettisten sind, habe ich festgestellt, sonst öfter eher misanthropisch veranlagt. Intellektuelle sowieso. 

Intellektuell ist man heute dann, wenn man möglichst negativ denkt. Wenn du sagst, das Leben ist ein Genuss, giltst du als naiver Volltrottel. Wenn du aber behauptest, die Welt geht den Bach runter, gewinnst du an Status. Pessimisten sind im Vorteil: Geht etwas schlecht aus, haben sie es schon immer gewusst. Geht es gut aus, dann weil sie davor gewarnt haben. Der Optimist bekommt nie Lob. Der Apokalyptiker gilt aber als einer, der mehr weiß als der Rest.

Was löst bei Ihnen Panik aus?

Ich habe panische Höhenangst. Das fürchte ich mehr, als ob Trump in Grönland einmarschiert.

Wie können Sie abschalten?

Meine Meditation heißt: Sport mit Ball. Ich bin ein schlechter Fußballer, liebe aber Tennis. Seit drei Jahren spiele ich sehr viel Paddletennis. Ich kann nicht im Schneidersitz Ooohm sagen, ich jage lieber zwei Stunden einen gelben Ball und versuche, ihn für den Gegner unspielbar ins Feld zu bringen. Das macht mich innerlich total still. Auch, weil ich dabei mit meiner Tollpatschigkeit überfordert bin. So komme ich nicht ins Denken.

Klaus Eckel

Klaus Eckel

Klaus Eckel wurde 1974 in Wien geboren. Er arbeitete ursprünglich als Logistiker, 2001 begann er Kabarett-Texte zu verfassen. Er gewann u. a. den Österreichischen Kabarettpreis und den Salzburger Stier. Aktuelles Programm: „Wer langsam spricht, dem glaubt man nicht“. Vater von zwei Kindern. 

Eine Zeit lang war es wenig lustig in Ihrem Leben. Wie hat die Auszeit Sie verändert?

Das Leben und seine Anforderungen sind mir kurzfristig zu viel gewesen. Darauf habe ich mir acht Monate Auszeit genommen. Ich hatte einen Tinnitus, der mich belastet hat. Ich habe nichts gehört, hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, es ist mir schwergefallen, auf die Bühne zu gehen. Ein Stress-Symptom, heute geht es mir wieder gut.

Macht sich der Tinnitus noch bemerkbar?

Der Körper ist ein Speichermedium. Er signalisiert mir, wenn ich stressgefährdet bin. Der Tinnitus ist zum Freund geworden. Ein Warnton des Lebens.

Was haben Sie aus dieser Phase gelernt?

Auf Wanderkarten gibt es oft einen Pfeil mit der Aufschrift: „Sie befinden sich hier!“ Man tut gut daran, nicht nur beim Wandern zu schauen, wo die ursprüngliche Route hinführen sollte und an welchem Punkt man aktuell steht, sondern auch im Leben. Und sich dann fragen: Kann man mit der Abweichung leben, oder nicht? Kehrt man zurück zum alten Weg? Eben eine gelegentliche Standortbestimmung.

Eckel: „Wenn du sagst, das Leben ist ein Genuss, giltst du als naiver Volltrottel“

©kurier/Wolfgang Wolak

Ihre bevorzugte Methode zur Standortbestimmung?

Ich gehe ab und zu ein oder zwei Tage wandern. Ich mute mir Langeweile zu und schaue, was daraus entsteht.

Sie sind 50 geworden. Wie war die Midlife Crisis? 

Früher waren 50-jährige Männer für mich alte Säcke mit über den Bund gezogenen Hosen, die überlegten, ob sich der Kauf eines Rückfahrtickets im 71er zum Zentralfriedhof tatsächlich auszahlt. Heute bin ich selber 50, halbwegs fit und habe dem Leben gegenüber an Gelassenheit gewonnen. Ich nehme nicht mehr alles todernst, mich kränkt nicht mehr jede Beleidigung oder schlechte Kritik. Ich lasse nicht mehr alles an mich heran, weil ich mir das Leben von Negativität nicht versauen lassen will. Ich verliere mich nicht mehr in Kleinigkeiten.

Das Buch

Das Buch

Klaus Eckel: "In meinem Kopf möchte ich nicht wohnen". Satirische Rundreise durch die Baustellen der Gesellschaft. Ueberreuter Verlag, 184 Seiten, 20 Euro.

Daran arbeite ich noch. Wie haben Sie das geschafft, was haben Sie dafür getan? 

Das entsteht irgendwann von selbst und mit Blick auf die eigene Wanderkarte. Und aus der Einsicht, dass viel weniger Tage vor einem liegen als hinter einem. Es trifft mich nicht mehr hart, wenn ein Handwerker mich übers Ohr haut oder ich eine halbe Stunde lang keinen Parkplatz finde.

Sind Sie krisenresistenter geworden? 

Klimakrise, Wirtschaftskrise, Pensionskrise, Bildungskrise – man kann mittlerweile an jedes Wort „Krise“ hinzufügen und hat irgendwie recht. Vielleicht liegt der Fehler manchmal in der Sehnsucht nach Vollkommenheit. Ich glaube in Österreich verläuft vieles nach dem Motto: „Wir pfuschen uns vorwärts“. Das ist mir nicht ganz unsympathisch.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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