"West Side Story": „Mein Vater war ein Bastard“, sang Spielberg
Steven Spielberg, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, verfilmte das berühmte Musical zu einer hinreißenden Hommage an das klassische Hollywoodkino
Steven Spielberg hat sich einen Traum erfüllt und die „West Side Story“ verfilmt. Sein dringlicher Wunsch, das berühmte Musical neu auf die Leinwand zu bringen, reicht schon lange zurück. Der Regisseur war erst zehn Jahre alt, als seine Eltern die Platte kauften und er sie umgehend in sein Kinderzimmer entführte. Dort spielte er sie Tag und Nacht auf einem kleinen Grammofon ab und lernte die Texte auswendig: „Beim Abendessen habe ich dann meinen Eltern ein paar Songzeilen vorgesungen: ,Mein Vater war ein Bastard, meine Mutter ein SOB (Son of a Bitch, Anm.)’“, erinnert sich Steven Spielberg anlässlich einer virtuellen Pressekonferenz genüsslich an seine erste Begegnung mit „West Side Story“.
Die Alten waren naturgemäß nicht erfreut ob des frechen Tischgesangs: „Woher kennst du das Wort SOB?“, will der Vater erbost wissen.
„Ihr selbst habt die Platte gekauft und sie mir zum Anhören gegeben“, erwiderte der kleine Spielberg fröhlich den verblüfften Eltern. Seit damals ist er Fan der „West Side Story“, und seine Leidenschaft ist deutlich spürbar.
75. Geburtstag
Steven Spielberg, der übrigens genau heute seinen 75. Geburtstag feiert, verfilmte die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Tony und Maria als hinreißende Hommage an das klassische Hollywoodkino.
„West Side Story“ (derzeit im Kino) greift Shakespeares Romeo-und-Julia-Motiv auf und transferiert es ins New York der 1950er Jahre, wo sich zwei rivalisierende Banden – die Jets und die aus Puerto Rico stammenden Sharks – Straßenschlachten liefern. Als sich der ehemalige Anführer der Jets in ein Mädchen verliebt, dessen Bruder die Sharks befehligt, kommt es zum Eklat.
Der erst kürzlich verstorbene Stephen Sondheim schrieb die Gesangstexte zu „West Side Story“ und Leonard Bernstein komponierte die charismatische Musik. Das Musical startete 1957 mit großen Erfolg, 1961 folgte die Verfilmung mit Natalie Wood als Maria und Rita Moreno als Marias resche Freundin Anita. Sie ist es, die mit dem legendären Song „America“ brilliert.
Rita Moreno erhielt dafür den Oscar als beste Nebenrolle und war die erste puerto-ricanische Schauspielerin, die mit Hollywoods Höchstpreis belohnt wurde. Für die Neuverfilmung schrieb Drehbuchautor und Pulitzer-Preisträger Tony Kushner („Angels in America“) der mittlerweile 90 Jahre alten Dame eine kleine Rolle als Ladenbesitzerin auf den Leib. Es sei ihr nicht leicht gefallen, eine gemeinsame Szene mit der „neuen“ Anita zu spielen, gesteht Rita Moreno aufgeräumt bei der Pressekonferenz: „Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, ich wäre nicht eifersüchtig gewesen. So gerne wäre ich wieder jung und würde noch einmal die Rolle spielen.“
Aber Moreno ist kein Kind von Traurigkeit: „Ich habe dafür diese wundervolle neue Rolle bekommen. Ich liebe mich in diesem Film. Und so etwas kommt einem nicht leicht über die Lippen.“
Hautfarbe
Die „neue“ Anita, eine umwerfende Ariana DeBose, macht ihrer Vorgängerin jedenfalls Ehre: „Ich kann zwar singen, tanzen und spielen “, erzählt DeBose dem KURIER: „Trotzdem dachte ich, die nehmen mich nie.“
Grund für diese Annahme sei ihre Hautfarbe: „Anita wird traditionellerweise nicht von einer schwarzen Schauspielerin gespielt. Ich war sicher, dass ich keinen Auftrag habe“, so Ariana DeBose lakonisch. Umso größter die Aufregung, als sie dann doch engagiert wurde.
Sowohl für sie als auch für Rachel Zegler, die Darstellerin der verliebten Maria, sei Rita Moreno von Jugend an ein wichtiges Vorbild gewesen: „Ich habe sie schon gesehen, als ich noch ein Kind war“, erinnert sich Zegler, die seit Teenagertagen einen YouTube-Kanal betreibt, in dem sie Musikstücke und Coverversionen vorstellt: „Sie war die erste Person, mit denen sich junge Latinas, die schauspielen oder sich zumindest repräsentiert fühlen wollten, identifizieren konnten. Sie ist eine Ikone.“
Sprich Englisch!
Hollywoods Besetzungsentscheidungen werden heutzutage mit scharfem Auge beobachtet. Spielberg legte großen Wert darauf, möglichst authentisch zu casten und für die Rolle der Puertoricaner Schauspieler und Schauspielerinnen mit lateinamerikanischen Wurzeln zu engagieren. „Sprich Englisch!“ ermahnt zwar die assimilationswillige Anita ihre puerto-ricanischen Kollegen und Kolleginnen immer wieder. Aber in Spielbergs Originalfassung von „West Side Story“ fallen auch wiederholt spanische Dialoge, die nicht untertitelt werden. Ihre Bedeutung muss sich jeder selbst zusammenreimen, was aber nicht weiter schwierig ist.
Schwieriger schon erwiesen sich die Dreharbeiten, die im Hochsommer in New York bei tropischen Temperaturen stattfanden. Besonders hitzig gestalteten sich die Drehtage für die berühmte Straßentanzszene, in der Anita „America“ singt und für die ein Wochenende lang eine Straße in Harlem abgesperrt wurde.
„Der Asphalt war so heiß, dass ich mir glatt Löcher in die Schuhe gebrannt habe, als wir die ,America’-Szene drehten“, meint Ariana DeBose: „Das war echt wild.“
Auch Steven Spielberg stehen in Erinnerung an die Gluthitze von damals noch die Schweißperlen auf der Stirn: „Es war unerträglich und der Dreh der Tanzszenen nahm eine lange Zeit ein. Die armen Darsteller schwitzten ihre gesamten Kostüme durch. Aber“, und hier macht Steven Spielberg ein verschmitztes Gesicht: „Man sieht nirgendwo Schweißflecken unter den Armen. Die haben wir alle dank digitaler Technologie entfernt. Und zwar eine ganze Menge.“
Steven Spielbergs erstes Musical
Oscarpreisträger
Der dreifache Oscarpreisträger Steven Spielberg, berühmt geworden mit Filmen wie „Der weiße Hai“ (1975), „E. T. – Der Außerirdische“ (1982) und „Schindlers Liste“ (1993), drehte mit „West Side Story“ sein erstes Musical.
Mit nur 10,5 Millionen Einspielergebnis am ersten Wochenende erwies sich „West Side Story“ bisher als Flop an den Kinokassen. Das Budget für den Film hatte 100 Millionen Dollar betragen.
Bei den Kritiker und Kritikerinnen kam „West Side Story“ hervorragend an. Das Musical zählt zu den höchstbewerteten des Kinojahres. Seit den Dreharbeiten zu „E. T.“ hätte ihm kein Film so viel Spaß gemacht wie dieser, so Steven Spielberg.
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