Weihnachtserzählungen: Süßer die Worte nie klingen

Ob Literatur-Nobelpreisträger, Kitsch-Autorin oder Kabarettist – sie alle schrieben oder schreiben Geschichten über Weihnachten. Die freizeit bringt eine bunte Hitliste zwölf internationaler Weihnachtserzählungen.

Der berühmte Paul Auster hat es getan. Märchenerzähler Hans Christian Andersen auch. Fjodor Dostojewski, Heinrich Böll, Charles Dickens und viele andere ebenso. Egal, ob Kitsch-Autor oder Literaturnobelpreisträger – wer in der Schriftstellerei etwas auf sich hält oder hielt, hat im Laufe seines schreiberischen Schaffens irgendwann einmal eine Geschichte geschrieben, in der es um Weihnachten geht. Und wer keine Romane verfasste, sondern Theaterstücke oder Gedichte, hat dem Advent dann eben den einen oder anderen Reim oder dem Weihnachtsfest das eine oder andere Drama gewidmet. Schlag nach bei Goethe, Rilke, Wilhelm Busch, Erich Fried oder Joachim Ringelnatz, nur zum Beispiel. 

Warum das Thema Weihnachten in der Literatur so zieht? „Der Gedanke an Weihnachten, wie man es einst erlebt hat, kann Halt und Zuversicht geben oder ein wenig Trost spenden“, schreibt der deutsche Literaturwissenschaftler Helmut Schmiedt in seinem soeben erst erschienenen Buch „Weihnachten in der Literatur“. Persönliche Erinnerungen also, die alle von uns haben – das ist natürlich wie gemacht für das Erzählen trauriger, fröhlicher, überraschender, jedenfalls aber bewegender Weihnachtsgeschichten. Kein Wunder, dass Autoren und Autorinnen rund um den Globus sich des Themas so gerne annehmen. 

Begonnen hat mit dem Schreiben über das Weihnachtsfest alles irgendwann im 15. Jahrhundert, damals waren es  noch schwer konsumierbare Gedichte, die nur wenigen zugänglich waren. Daraus entwickelte sich eine Tradition, das Weihnachtsfest literarisch zu behandeln. Später, als Armut und Ungleichheit öffentliches Thema wurden, boten, meist traurige, Weihnachtsgeschichten Schriftstellern eine  Möglichkeit, gesellschaftliche Unzulänglichkeiten anzuprangern.Wild bis besinnlich – alles gehtIn der Neuzeit geht es mit Weihnachtserzählungen wild durcheinander. „Über Weihnachten bekommt man von allen etwas geliefert, die schreiben“, sagt Literaturverlegerin Anita Keiper, „vom Schauspieler über den Psychologen bis zum Promi-Koch.“ 

Weihnachtskochbücher, Weihnachtserlebnisse, Weihnachtsleitfaden, alles gibt’s. Dass Weihnachten auch in der hochwertigen Literatur so beliebt ist, begründet Keiper mit „der Sehnsucht in uns allen, in der schnelllebigen Gesellschaft manchmal ein wenig auf die Bremse zu steigen“. Auch wenn das nur passiert, indem man über die Weihnachtszeit liest, in der alles langsamer wird. Sogar ein kurioser schriftstellerischer Trend hat sich jüngst entwickelt: Geschichten aus Cornwall, die zur Weihnachtszeit spielen. Plüschige Liebesgeschichten im Stil von Rosamunde-Pilcher-Romanen sind gerade en vogue. Die eigentlich in Deutschland geborene Autorin Mila Summers zum Beispiel, in deren Erzählungen viel geweint, geliebt und gekitscht wird, ist da etwa mit ihrer Geschichte „Weihnachten in Cornwall“ voll dabei.
 Längst wagte sich eine bunte Gruppe moderner Autoren an das Thema heran. Gerhard Polt, bayerischer Humorist, hat ein Weihnachtsbuch verfasst, in dem ausgelassen über Späße gelacht statt besinnlich der Weihnacht gedacht wird. Oder der Österreicher Daniel Glattauer, früher Journalist und seit gut zwei Jahrzehnten Erzähler leichtfüßig dahin schwebender Storys über unser soziales Zusammenleben – auch er hat mit seinem Roman „Der Weihnachtshund“ schon eine Art Weihnachtsgeschichte verfasst. 

Weihnachten in der Literatur boomt jedenfalls seit jeher. Und waren früher die Geschichten meist ein wenig schwermütig, traurig, und wurden stets mit erhobenem Zeigefinger erzählt, so ist Weihnachten in der Literatur mittlerweile zur fast schon unkomplizierten leichten Unterhaltung geworden, die alle mögen. Verlegerin Keiper veranstaltet mit ihrer Grazer Edition Keiper jährlich am ersten Adventsonntag eine öffentliche Lesung, in der nur Weihnachts- und Adventgeschichten erlaubt sind. „Da ist unser Haus immer bummvoll“, sagt sie. Der nächste Termin ist am 28. November um 15 Uhr. Weihnachten in der Literatur ist eben beliebt, bei den Literaten ebenso wie bei den Lesern.
 

Die Weihnachtsgeschichte aller Weihnachtsgeschichten. Der Brite Charles Dickens erzählt im Klassiker, der auf Deutsch meist den Titel „Eine Weihnachtsgeschichte“ trägt, vom Heiligen Abend des schwerreichen alten Geizkragens Ebenezer Scrooge. Ihm erscheinen vier Geister, die dem kauzigen Alten sein schrulliges, einsames Leben vor Augen führen. Am Ende machen sie ihn zu einem besseren Menschen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum kennt jedes Kind diese Story, bis heute hat es in der Adventzeit wohl abertausende Schulaufführungen dazu gegeben. Dutzendfach wurde der Stoff für Hollywood adaptiert, am bekanntesten ist wohl die Verfilmung „Die Geister, die ich rief“ mit Bill Murray in der Hauptrolle. Aber auch Jim Carrey, Albert Finney und sogar Patrick Stewart, der als Captain Picard vom Raumschiff Enterprise berühmt wurde – sie alle spielten schon die Rolle des Ebenezer Scrooge in einem der Filme oder Theaterstücke.

Erhältlich bei: Knesebeck, 25 €

©Knesebeck

In gleich zwei Erzählungen berichtet der französische Krimi-Altmeister Georges Simenon vom Weihnachtsabend in  Paris. Er lässt im Polizeihauptquartier den Polizisten Lecoeur gegen Weihnachtsblues, Langeweile und das Verbrechen ankämpfen. Dann wird ein Mord gemeldet und Lecoeur ist von diesem Moment an in ein dramatisches Kuddelmuddel verwickelt. In der zweiten Geschichte treffen, ebenfalls am Weihnachtsabend und ebenfalls in Paris, zwei Frauen aufeinander – die eine am Rand des Suizids und die andere als rettender Engel. Mit überschwänglichem Lob hat die internationale Literaturkritik die beiden Simenon-Weihnachtsgeschichten zwar nie überhäuft, Fans des Kommissars Maigret aus den bekannteren Kriminalromanen Simenons mögen sie trotzdem.

Erhältlich bei: Kampa, 17,40 €

©Kampa

Eine Weihnachtsgeschichte wie ein Antidepressivum: Der österreichische Schriftsteller Daniel Glattauer hat vor knapp 20 Jahren einen Weihnachtsklassiker der anderen Art geschrieben. „Der Weihnachtshund“ ist die Liebesgeschichte von Katrin und Max, die einander nicht kennen, jedoch beide dem Stress der Weihnachtszeit entfliehen wollen. Der gemeinsame Nenner dabei ist Kurt, der etwas seltsame Hund von Max, der über Weihnachten Unterkunft und Pflege benötigt, weil sein Herrchen dem Feiertagstamtam in den Süden entkommen möchte. Da kommt Katrin ins Spiel. Eine verworrene Handlung entwickelt sich. Heimischer Weihnachtsklamauk, der beim Publikum bestens ankam und auch verfilmt wurde. 

Erhältlich bei: Goldmann,  10,30 €

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Natürlich kommt alles andere als ein Weihnachtsbuch dabei heraus, wenn der bayerische Kabarett-Polterer Gerhard Polt seine besten und lustigsten Sketche rund um die besinnlichste Zeit des Jahres in Buchform herausbringt. Aber warum in der Weihnachtszeit immer nur besinnlich sein? Wer unter dem Christbaum nicht nur singen, sondern auch lachen möchte, ist bei Polt richtig. In seinem Buch „Nikolausi“ hat er 25 Texte rund um das Thema Weihnachten verfasst. Erzählungen und Satiren sind ebenso darunter wie Gedichte und Theater-Miniaturen. Kräftig im Ton, fein ziseliert in der Satire und treffsicher im Spott, nimmt Polt in seinem Buch zum Thema Weihnachten Festfreude, Besinnlichkeit und Feierlaune aufs Korn.

Erhältlich bei: Kein & Aber, 10 €

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In Theodor Storms Novelle „Unter dem Tannenbaum“ finden sich reihenweise Geschichten und Ereignisse, die alle Leser mit einer gewissen Schwermut an die Zeit um Weihnachten erinnern sollen. Die Geschichte des norddeutschen Dichters vom Weihnachtsfest hat alles, was eine richtige Weihnachtsgeschichte eben so benötigt: einen Baum, der geschmückt werden will, Gebäck, dazu Melancholie, Wehmut und Heimweh. Sogar eine Begegnung mit Knecht Ruprecht ist dabei. Weihnachten, wie Weihnachten eben sein soll.

Erhältlich bei: Suhrkamp Insel,8 €

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Einen ganzen Band mit Weihnachtsgeschichten hat die Grande Dame der britischen Kriminalliteratur dem Thema Weihnachten gewidmet – eben unter dem Titel „Das Geheimnis des Weihnachtspuddings“. Darin kommt alles vor, was die Geschichten der englischen Autorin auszeichnet – der belgische Privatdetektiv Hercule Poirot ebenso wie die rustikale Miss Marple. Agatha Christie kann aber auch ohne Kriminalhandlungen wunderbar und besinnlich von Weihnachten erzählen, sogar eine sehr persönliche Erinnerung liefert sie in ihrem Weihnachtsband mit.

Erhältlich bei: Atlantik, 12 €

©Verlag

Unter seinen vielen Erzählungen hinterließ der deutsche Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll eine besonders einfühlsame: Die Geschichte von Tante Milla, die sich im Zweiten Weltkrieg um die Freuden eines unbelasteten Weihnachtsfestes gebracht sieht – und durchdreht. Ihre Familie muss fortan täglich Weihnachten feiern, um die Tante von Nervenzusammenbrüchen fernzuhalten. Das bringt die Familiengemeinschaft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und hat ungeahnte Folgen. „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ ist eine von Heinrich Bölls bekanntesten Erzählungen und ein Beispiel dafür, wie sich sogar die deutsche Trümmerliteratur der Nachkriegszeit mit dem Thema Weihnachten auseinandergesetzt hat.

Erhältlich bei: dtv,  8,90 €

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Die Figuren des Schweizer Schriftstellers Peter Stamm befinden sich, zumeist in irgendeiner Form allein in die Welt gestellt, stets auf der Suche nach Liebe, Geborgenheit, Heimat, Seelenfrieden. Wie gemacht für das Thema Weihnachten. So auch Marcia, die Titelheldin von Stamms Weihnachtsgeschichte. Die beginnt mit einem unheimlichen Vorfall, der erst am Schluss aufgeklärt wird. Dazwischen entspinnt sich eine verwirrende Weihnachtsjagd mit Wendungen, Volten, Sprüngen zwischen Handlungsschauplätzen und Zeiten sowie Hoffnungen und Träumen. Der studierte Psychologe und Psychopathologe Stamm schreibt ein wenig wie Paul Auster, versponnen und geheimnisvoll und reduziert. 

Erhältlich bei: S. Fischer,  10 €

©S. Fischer
Stephanie Angerer

Über Stephanie Angerer

Chronik-Redakteurin im Reporterteam

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