Weihnachts-Menüs: Tradition auf dem Teller, aber überall anders

Karpfen oder Knödel, Würstelsuppe oder doch ein Gansl? Zur Abwechslung vielleicht ein Fondue? Woher die typischen Festtagsessen kommen und wie sie sich verändern.

Wir mochten unseren Onkel Rudolf. Wirklich. Trotzdem hofften wir jedes Jahr inständig, dass er und seine Frau Weihnachten NICHT bei uns verbringen würden. Denn wenn der Onkel aus Wien am 24. Dezember in seinem Opel Diplomat nach Salzburg rauschte, hatte er immer ein Mitbringsel vom Naschmarkt dabei, das meine Mutter in unserer Küche streng nach seinen Anweisungen zubereiten musste: einen riesigen Karpfen. Und Onkel Rudolf wollte ihn „blau“.

Im Osten Österreichs, so wie in Tschechien und der Slowakei, ist Karpfen ein beliebtes Weihnachtsessen

©Miroslav Beneda - Fotolia/Beneda Miroslav/Fotolia

Da saßen wir dann am Heiligen Abend vor unseren Tellern mit Fisch – und sehnten uns nach unserer gewohnten Nudelsuppe mit weißen und braunen Würsteln. Für die wiederum Onkel Rudolf kein Verständnis hatte: „Man kann doch zu Weihnachten nicht NUR eine Nudelsuppe essen, das geht doch nicht“, sagte er nasal. Was uns damals nicht so bewusst war: Hier ging es nicht bloß um persönliche Präferenzen – was sich da abspielte, war ein astreiner Clash der Kulturen. Oder zumindest der regionalen-Weihnachtstraditionen.

Wäre Onkel Rudolf zum Beispiel Oberösterreicher gewesen, hätte er zwar eventuell auch nach einem Karpfen verlangt. Aber eher nach einem gebackenen. Oder aber, und damit hätte er uns Kinder voll auf seiner Seite gehabt, nach Bratwürstel mit Erdäpfelsalat und Sauerkraut. Auch ein Klassiker aus Oberösterreich: „Schnittlsuppe“, eine Brotsuppe mit gekochtem Schweinefleisch. Hm…

Als echter Wiener wiederum hätte der liebe Onkel auch einen Truthahn gewohnt sein können, weil der nicht nur in den USA, sondern auch in unserer Hauptstadt seit über 100 Jahren Tradition hat. Überhaupt Geflügel, auch ein Dauerbrenner, egal ob als Ente mit Tannenhonig (Oberösterreich) oder Gans (Burgenland, Steiermark), die Gründe fürs Federvieh sind vielfältig.

Fleisch oder nicht Fleisch?

Zum einen ist die Weihnachtsgans quasi die Schwester der Martinigans. Denn während mit der vom 11. November die lange, lange Fastenzeit vor Weihnachten eingeläutet wurde, bedeutete eine fette Gans nach der Christmette eben deren Ende.

Es gibt aber auch das Gerücht, dass gewiefte Kirchenobere im Mittelalter in der Gans oder der Ente ein Schlupfloch in Sachen strenger Fleischverzicht sahen. Sie argumentierten nämlich so: Wenn man Fisch essen darf, der ja im Wasser schwimmt, dann müsste man auch Gänse und Enten essen dürfen, die ebenfalls im Wasser schwimmen, und ja eigentlich beinahe so etwas wie geflügelte Fische wären, oder doch auf jeden Fall eher verwandt mit diesen Wassertieren als mit Kuh und Schwein – und deshalb könne man in dem Fall ja auch gar nicht von „Fleisch“sprechen, der liebe Gott wird also nichts dagegen haben, wenn man sich diese Tiere auch in der Fastenzeit schmecken lässt.

Fondue, Raclette & Co

Aus ähnlich unlauteren Gründen, so heißt es zumindest hier und da, verstecken wir Salzburger unsere Würste dann auch unter einem Haufen Nudeln. Weil wenn’s der liebe Gott nicht sieht, dann ist es praktisch nicht passiert. Ob die Nachbarn im heiligen Land ähnlich argumentieren, soll hier nicht weiter erörtert werden, Fakt ist jedenfalls, dass auch in Tirol die Nudelsuppe ganz weit oben steht auf der Liste der beliebtesten Essenam Weihnachtsabend. Dazu noch Blutwurst, Schweinsbraten – mmmmmh!

Wer’s kulinarisch ein bissl aufwendiger mag, könnte mal einen Weihnachtsurlaub im Burgenland andenken: Außer dem Ganslklassiker wird dort mit Räucherlachs, Tafelspitz und Apfelkren ganz ordentlich aufgetischt.

Und ja, mittlerweile gibt’s natürlich in ganz Österreich, zumindest da haben die experimentierfreudigen 70er dann spät aber doch ihre Spuren hinterlassen, gern Fondue gegessen. Egal ob Käse oder Fleisch, weil’s einfach nett und gesellig ist. Raclette ist auch so ein Thema. Und auch sehr gut ...

Aber wenn ich an meinen Onkel Rudolf denke, sehe ich ihn verständnislos den Kopf schütteln. Da hätte er dann doch eher eine Würstelsuppe mit uns gegessen.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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