Marilyn Monroe machte rote Lippen berühmt

Marilyn Monroe: Vor 60 Jahren verglühte in Hollywood ein Stern

Vor 60 Jahren starb in der Nacht zum 5. August Marilyn Monroe. An ihren Zauber erinnern zwei Fotobände.

"Eine Stunde verging. Zwei. Drei. Ich fand bald heraus, dass sie ihrer eigenen Uhr folgte“, erinnert sich Lawrence Schiller an den Tag, der sein Leben verändern sollte. Fotoshooting mit Marilyn Monroe. Ein Apriltag im Jahr 1960. Das bekannteste Geschöpf Hollywoods lässt die versammelte Journalistenmeute zur Promotion ihres aktuellen Films, „Machen wir’s in Liebe“ mit Yves Montand, vor der Garderobe des 20th Century-Fox-Studios warten. Und warten. Und warten.

Nicht etwa aus Bosheit oder gar Überheblichkeit, wie der damals erst 23-jährige Pressefotograf merken sollte. Sondern aus Kalkül. „Wie ich später erfuhr, glaubte sie, dass sie unterbezahlt sei“, so Lawrence Schiller im Fotoband „Marilyn & Me“ (Taschen), „und lag deshalb seit Jahren mit Fox im Krieg“.

Sieben Jahre zuvor hatte „dieses goldene Mädchen, das auf der Leinwand wie Champagner wirkte“ – so später der US-Dramatiker Arthur Miller über seine Ex-Frau – eine Bombenrolle neben Jane Russell in der Komödie „Blondinen bevorzugt“ ergattert. Die Startrampe zum Erfolg für das ehemalige Pin-up-Girl. Dass ihre Filmpartnerin eine Gage von 200.000 US-Dollar erhielt, sie hingegen mit 15.000 Scheinen abgespeist wurde, wollte sie nicht so einfach hinnehmen. „Immerhin bin ich die Blondine“, klopfte sich Marilyn Monroe schon damals mit zornigem Seitenblick auf die brünette Kollegin auf die Brust. Und rächte sich fortan mit notorischer Unpünktlichkeit.

Plitsch-Platsch mit Blondine

Die Fotos, die Lawrence Schiller damals an drei Tagen am Set aufgenommen hat, waren alle schwarz-weiß. „Journalistische Bilder aus der Kleinbildkamera“, so der Fotograf. „Die Idee war, sie entspannt einzufangen.“ Die Übung gelang, zwei Jahre danach gab es ein neuerliches berufliches Date der beiden. Die anfängliche Entspanntheit wich nun einer erotischen Spannung. Der Grund: Marilyns neuer Film, „Something’s Got to Give“ mit Co-Star Dean Martin, sollte sie nach einer längeren Pause wieder in die Schlagzeilen bringen.

In ihrem vor kurzem bezogenen und im spanischen Stil gehaltenen Bungalow mit der Adresse 12305 Fifth Helena Drive in Brentwood, Los Angeles, wurden Ideen für das bevorstehende Foto-Shooting ausgetauscht. Schiller hatte schon im Drehbuch von der Pool-Szene gelesen und ließ leise anklingen: „Was ich wirklich aufnehmen möchte, ist ...“ – „,Warten Sie, lassen Sie mich raten’, unterbrach sie mich. ,Plitsch-Platsch’.“ Bingo. Der Fotograf ahnte, dass ihm hier eine Aufnahme gelingen könnte, die es mit jenem berühmten Bild von Marilyn im vom Wind hochgewirbelten Kleid auf einem New Yorker U-Bahn-Schacht aufnehmen könnte. Ganz im Sinne der Monroe offenbar.

Sam Shaw: Marilyn Monroe und Tom Ewell in Das verflixte siebente Jahr, Regie: Billy Wilder, 1954 ©/ Sam Shaw Inc.- licensed by Shaw Family Archives

Gar nicht cool am Pool

„Sie dachte eine Weile nach“, so Lawrence Schiller, „und fuhr dann fort: ,Ich habe über unsere jetzige Szene nachgedacht. Ich werde einen Badeanzug tragen, wenn ich hineinspringe, aber vielleicht komme ich ohne ihn wieder heraus.“ Wow! Sogar Marilyns persönliche Pressebeauftragte Pat Newcomb war darauf nicht gefasst. „,Das ist ein Scherz, oder?’“, so deren Reaktion.

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©Lawrence Schiller/Taschen Verlag

Aber wenn es um den Beruf ging, beliebte Marilyn Monroe nicht zu scherzen. Sie wollte dem Fox-Studio, das schon seit Monaten an der Fertigstellung von „Cleopatra“ arbeitete, unbedingt eines auswischen und mit einem Schlag die Aufregung eines ganzen Sommers auf sich ziehen. Vor allem, weil Elizabeth Taylor als weiblicher Star des Monumentalepos eine Gage von einer Million US-Dollar erhielt. Lediglich ein Zehntel davon sollte Marilyn Monroe für ihren neuen Film bekommen.

Der Jungfotograf witterte seine Chance. Lawrence Schiller erinnert sich an die Antwort: „Nun, Marilyn, Sie sind schon berühmt. Jetzt müssen Sie mich berühmt machen.“

Marilyns nasse Haut und ihre funkelnden Augen wurden tatsächlich zum Karrierebooster für den 25-jährigen Fotografen. Schiller sollte sich noch einen Namen als Regisseur und Produzent von 20 Kinofilmen machen, etwa der Dennis-Hopper-Doku „The American Dreamer“. Nur drei Monate später aber, in der Nacht zum 5. August, starb das Sexsymbol der Fifties und frühen Sixties mit nur 36 Jahren nach einer Überdosis Schlaftabletten.

Spekulationen, Sensationen

Nicht nur Hollywood, alle waren geschockt. Die damals meistfotografierte Frau der Welt, so plötzlich aus dem Leben gerissen. Von Depressionen und Selbstmordabsichten war bald die Rede. Reine Spekulation, nichts davon stimmt. Das scheint zumindest die Botschaft der 2.658 Fotos zu sein, die Bert Stern (1929-2013) nur sechs Wochen vor Marilyn Monroes Tod gemacht hat.

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©©The Bert Stern Trust Courtesy Staley-Wise Gallery New York / © Bert Stern

Als „Marilyns letzte Sitzung“ gingen die intimen Aufnahmen des 1926 als Norma Jean Baker geborenen Stars schon vor Jahren in die Geschichte der Fotografie ein. Der Taschen Verlag veröffentlicht sie nun ein neuerliches Mal. Ergänzt durch einen Originaltext von Pulitzerpreisträger Norman Mailer (1923-2007) ergibt das Foto-Kompendium ein Zeitdokument der besonderen Art.

Einige der hier entstandenen Aufnahmen zählen zu den sinnlichsten, die von MM existieren. Jene, die sie mit X gekennzeichnet hat – Marilyns Nagellack – sollten unter Verschluss bleiben, da sie ihr missfielen.

Die Ironie der Geschichte ist, dass sich heute alle an diesen Outtakes erfreuen können. Vielleicht sogar Elizabeth II. Die Queen kam 1926 nur fünf Wochen vor der Monroe auf die Welt und ist neben dem heute 85-jährigen Lawrence Schiller eine der wenigen Glücklichen, die eine persönliche Erinnerung an Marilyn haben. Als diese 1956 in England mit Sir Laurence Olivier „Der Prinz und die Tänzerin“ gedreht hat, empfing eine junge Queen den gleichaltrigen Filmstar.

Zu Marilyns 20. Todestag schrieb der Kulturpublizist Hellmuth Karasek: „Denkt man heute an die Monroe zurück, dann will es einem scheinen, als habe Hollywood mit ihr zum letzten Mal seine volle Pracht und Macht entfaltet.“

 

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©Lawrence Schiller/Taschen Verlag

Vierzig Jahre später hat sich nichts daran geändert. Auch das ist eine Tragödie.

Zwei Fotobücher für die Ewigkeit

Norman Mailer/Bert Stern, Marilyn Monroe, 276 Seiten, 80 €

Lawrence Schiller, Marilyn & Me, 200 Seiten, 50 €

(beide im Taschen Verlag)

©Taschen Verlag

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