Ob im Film oder in der Serie: Vampire sind nicht totzukriegen
Vampire geistern seit den Anfängen des Films über die Leinwände. Sie spuken bis heute, etwa in "Irma Vep". Wie sich die Gestalten verändert haben.
Diese Vampire haben keinen Biss. Aber nur bei ihrer Vorliebe. Sie haben es nicht auf das Blut ihrer Opfer abgesehen, sondern auf deren Vermögen. Das Leben verschont die Bande, die sich „Die Vampire“ nennt, mitunter auch nicht. Ihre Jäger sind keine schrägen Professoren mit todbringenden Instrumenten im Ärztekoffer, sondern Pariser Polizisten. Ihre schöne und geheimnisvolle Strategin Irma Vep betört mit hautengem, schwarzen Catsuit.
Diese zwielichtigen Gestalten sind Teil des französischen Stummfilms „Les Vampires“, aus dem Jahr 1916. Er ist in zehn Episoden gegliedert, gilt als einer der längsten Filme aller Zeiten sowie als cineastisches Wunderwerk. Seit kurzem läuft auf Sky die schräge und mit vielen Metaebenen ausgestattete Serie „Irma Vep“ mit Alicia Vikander in der Hauptrolle. Sie mimt eine Hollywood-Schauspielerin, die nach einer Sinnkrise etwas anderes als nur Blockbuster machen will. Wie gut, dass in Frankreich der Schwarz-Weiß-Klassiker „Les Vampires“ als Arthouse-Serie neu verfilmt wird. Doch am Set herrschen Chaos, divenhafte Akteure und ein Regisseur, der durch den Wind und von schwarzen Catsuits besessen ist. Unbedingte Seh-Empfehlung. Wenn das alles kein Anreiz ist: Der gefeierte Lars Eidinger spielt auch mit – als ständig zugedröhnter Deutscher.
Die ersten Vampire auf der Leinwand waren keine untoten männlichen Aristokraten. Schon vor dem französischen Streifen taucht in Robert G. Vignolas „The Vampire“ eine Frau als sprichwörtlicher Vamp auf. Sie ist eine Femme fatale, die das Leben eines Verehrers auslöscht. Doch bevor der entscheidende Biss kommt, hat er ihr all seine Aufmerksamkeit geopfert, seine Verlobte verlassen und ist zum Alkoholiker geworden.
Immer sehr erotisch
Erotik zieht sich seit Anbeginn durch das Genre. Es sollte aber bis 1922 dauern, bis mit dem expressionistischen, glatzigen, großohrigen Graf Orlok mit Riesenklauen in „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ ein geisterhafter Vampir die Leinwand betrat. Es handelt sich um eine Verfilmung von Bram Stokers „Dracula“. Allerdings wollte sich der Produzent um die Rechte drücken und trickste mit Nosferatu – angeblich ein rumänischer Untoter – bei der Namensgebung. Das half alles nichts. Stokers Witwe klagte und gewann. Alle Kopien sollten vernichtet werden, was nicht gelang.
Der Schauspieler ein Untoter? Nicht nur geniale Licht- und Schattenspiele trugen dazu bei, dass der Film Kult wurde. Es wird auch an der Legende gelegen sein, beim Darsteller Max Schreck könnte es sich um einen echten Untoten handeln ...Ein Gedanke, der in „Shadow of the Vampire“ auf die Leinwand gebracht wurde. Willem Dafoe gibt den undurchsichtigen Schreck, John Malkovich Regisseur Murnau. Und noch gruseliger: 2014 raubten Unbekannte den Kopf des einbalsamierten Murnau-Leichnams.
Filmexperten sind sich bis heute nicht einig, ob auch „Nosferatu“ von Werner Herzog Grausames angetan wurde. Der deutsche Meisterregisseur ließ 1979 Klaus Kinski als grapschendes, aber auch unglückliches Wesen über die Leinwand spuken. So wie wir uns heute einen klassischen Vampir vorstellen, sah Graf Orlok auf jeden Fall nicht aus.
Mit Bela Lugosi als Dracula kam zehn Jahre später ein Bilderbuch-Vampir mit Gentleman-Gehabe und schönem Anzug ins Kino. Der Umhang und die Erotik kamen nicht zu kurz. Der osteuropäische Untote mit Akzent verdrehte Damen reihenhaft den Kopf – nicht nur in seinen Filmen, wenn er zubiss.
Der Legende nach soll der Schauspieler auch im Kostüm mit Umhang begraben worden sein. So das nicht stimmt, dann ist es gut erfunden. Wie Zitate, die dem aus Österreich-Ungarn stammenden Akteur zugeschrieben wurden. „Ich habe noch nie einen Vampir getroffen, aber ich weiß nicht, was morgen passieren könnte.“
Trashiger Aristokrat
Im schönen Zwirn war auch Christopher Lee in den Dracula-Filmen aus den Hammer-Studios gewandet. Mit seinen dunklen Augen und seinem grimmigen Blick wäre er ein Parade-Gruselaristokrat gewesen. Doch die Firma setzte nicht auf die feine Klinge, sondern auf handfesten Trash. „Bei den Vampirfilmen gab es nun keine verhaltene Erotik mehr, sondern handfeste sexuell konnotierte Reize und blutige Details. Mit diesem Rezept und zahlreichen Fortsetzungen der Dracula-Geschichte sowie anderer bekannter Horrorthemen hatte Hammer Films im In- und Ausland bis in die späten 1970er großen und vor allem kassenträchtigen Erfolg“, schrieb der Filmpädagoge Martin Ganguly in einem Beitrag für die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.
Mit Blutsaugern ließ sich gut Geld verdienen. Sex-Klamotten und Pornos wussten das zu nutzen. Roman Polanski legte 1967 mit „Tanz der Vampire“ eine Parodie hin. Hier taucht ein jüdischer Untoter auf, der beim Anblick eines Kruzifixes nur lacht, anstatt die Flucht zu ergreifen oder zu erstarren. Und nicht jeder Vampir ist, wie man es damals im Film gewohnt war, ein stramm heterosexueller Verführer. „Neben stark erotisch konnotierten Vampirfilmen wurden in den 1970ern international auch Variationen mit politischen Untertönen produziert.
Berühmtes Beispiel hierfür ist etwa Blacula, in dem Dracula von einem schwarzen Darsteller gespielt wird, oder Hans W. Geißendörfers Debütfilm Jonathan, in dem die Vampire die herrschende kapitalistische Klasse darstellen, die sich vom Blut der Bevölkerung ernährt“, erklärt Ganguly. Aber die großen Kracher fehlten lange.
Die Neunziger sollten dem Vampirfilm wieder neues Leben einhauchen. Francis Ford Coppola verfilmte „Bram Stoker’s Dracula“ mit einem riesigen Starensemble von Winona Ryder bis Anthony Hopkins beinahe werkgetreu. Gary Oldman spielte einen verzweifelten, aber bitterbösen und mit schräger Turmfrisur ausgestatteten Grafen. Dieser fährt, nachdem er dem von Keanu Reeves verkörperten Anwalt einiges an Blut ausgesaugt hat, verjüngt als gut aussehender Dandy von Siebenbürgen nach London und treibt dort sein Unwesen. Seine Bisse sind mitunter so sexy wie Küsse.
Schick und sexy waren auch Tom Cruise und Brad Pitt in der Buchverfilmung „Interview mit einem Vampir“. Cruise, der die Massen in die Kinos locken sollte, gefiel der Autorin Anne Rice aber so gar nicht. „Ich war schon erstaunt über das Casting. Cruise ist ebenso wenig mein Vampir Lestat (die Hauptfigur, Anm.) wie Edward G. Robinson (verkörperte hauptsächlich Bösewichte, Anm.) Rhett Butler ist.“ Später revidierte sie ihre Meinung.
Wenig gediegen waren gegen Ende des Jahrzehnts trashige, aber in die Popkultur eingegangene Werke. Kaum eine Person zwischen 35 und 55, die nicht das Hals-Tattoo von George Clooney oder Salma Hayek als laszive Tänzerin im Titty Twister aus „From Dusk Till Dawn“ vor Augen hat – oder die Party im Schlachthaus in „Blade“, die sich zu einem veritablen Blutbad auswächst. Gerade versucht Netflix in „Day Shift“ mit Geschmacklosem zu punkten und schickt Jamie Foxx als Pool-Reiniger und Vampirjäger durch Kalifornien. Dass ist nichts für Zartbesaitete – die Macher der hyperbrutalen John-Wick-Filme haben auch hier Hand angelegt.
Kritik an Rassismus
Nach so viel Tschingbum war ab den Nullerjahren Romantik angesagt. Ein blasser Robert Pattinson betörte in der „Twilight“-Saga die Teenies. Und dabei blieb es eine Weile. „Häufig sind es romantische Liebesgeschichten, die mit Horrorelementen und sexuellem Begehren spielen“, meint Ganguly. Ausnahme sei die Serie „True Blood“. Sie spiele in den erzkonservativen amerikanischen Südstaaten und prangere Rassismus, Sexismus und religiösen Fanatismus an.
Ganz und gar nicht bierernst sind wiederum die Bewohner einer Vampir-WG aus der Serie „What We Do in the Shadows“, die auf Disney+ mittlerweile in der vierten Staffel läuft. Sie basiert auf einem gleichnamigen Film von Taika Waititi und gibt Einblicke in den Alltag der Wohngemeinschaft. Dort ernähren sich nicht alle von Blut. Mitglied Colin, der Brille, Krawatte und eine Glatze trägt, ist eine Energievampir und langweilt seine Opfer. Wer kennt solche Typen nicht?
Vampire sind einfach nicht totzukriegen.
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