TV-Film „Das Wunder von Kapstadt“: Mehr als nur ein Heldenepos

Drehbuchautor Christoph Silber erzählt eine wahre, weithin unbekannte Geschichte über die erste Herztransplantation. Die Botschaft dahinter heißt Hoffnung.

Am 3. Dezember 1967 führte Christiaan Barnard in Kapstadt die erste Herztransplantation durch. Der Star-Chirurg, der im November 100 geworden wäre, schrieb damit Geschichte. Dazu gehörte aber auch ein Team und in besonderer Weise der Schwarze Hamilton Naki - was im Apartheid-Staat gar nicht sein durfte. „Das Wunder von Kapstadt“ (Samstag, 20.15, ORF2) verbindet gekonnt Fiktion mit historischer Realität und heutigen Debatten um Gleichstellung und Rassismus  – aber auch Menschlichkeit.

Ein Gespräch mit Drehbuchautor (und Namensvetter) Christoph Silber über seinen Zugang zum Thema, seine Vorlage für die erste deutschsprachige Disney+-Produktion "Sam - ein Sachse", die Politik in den USA und sein Kinderbuch Die Wolke unterm Dach“, in dem er den Tod seiner ersten Frau aufarbeitet.

„Das Wunder von Kapstadt“ löst eine hohen inhaltlichen Anspruch ein. Was sind für Sie die Kernthemen?

Was mich sofort gereizt hat, war die Möglichkeit, eine wahre Geschichte zu erzählen, die trotzdem kaum bekannt ist. Das Kernthema dieses Films, der im Südafrika der 1960er-Jahre spielt, war ganz klar Ausgrenzung. Es geht darum, was es mit Menschen macht, die wegen Oberflächlichkeiten wie ihren ethnischen Hintergrund oder ihr Geschlecht nicht ihr Talent zeigen, nicht ihre Begabungen einsetzen dürfen, obwohl sie eigentlich dringend gebraucht würden und wofür sie auf die Welt gekommen sind. Das fand ich sehr, sehr spannend. Mein Grundtenor bei allem, was ich schreibe, ist aber auch Hoffnung - einfach nichts auf der Welt muss so sein, wie es ist, sondern die Dinge können sich immer irgendwie doch ändern.

An einer Stelle des Films heißt es: „Für Frauen und Schwarze ist eben kein Platz auf dieser Welt“. Die Absurdität und Unmenschlichkeit dahinter zeigt sich nicht zuletzt darin, dass man Weiße lieber krepieren ließ, als dass Schwarze wie Hamilton Naki ihres dagegen einbringen hätten dürfen. Wie steht es da um die Quellenlage zu Hamilton Naki?

Es gibt tatsächlich einiges an Recherche und Journalisten, die durchaus auch in Südafrika darüber geschrieben haben. Es sind einige Bücher über diese Herz-OP erschienen, in denen die Rolle Hamilton Nakis erwähnt wird. Nicht zuletzt hat Christiaan Barnard selber in seiner Autobiografie darüber geschrieben - soweit ich weiß, hat er damals in Wien gelebt und hier seine Stiftung gehabt. Auch in diversen Interviews hat er ganz offen darüber gesprochen. Faszinierenderweise wurde das Schicksal Hamilton Nakis aber nie in einem Spielfilm thematisiert, auch nicht in seinem Heimatland. Erstaunlich.

Jene Figur, die die Handlung vorantreibt, Dr. Lisa Schell, die von Sonja Gerhardt verkörpert, ist aber eine Erfindung?

Das ist richtig. Ich fand es spannend, sozusagen eine Spiegelung der Ausgrenzung zu zeigen. Das macht den Reiz des Film und der Geschichte aus. Es war natürlich auch der Situation geschuldet, dass der Film, der in Afrika spielt, mit deutschsprachigen Partnern produziert wurde. Und ich musste zudem einfach aus dramaturgischen Gründen eine Figur finden, über die ich diese Geschichte überhaupt erzählen konnte. Das hatte für mich als Autor einen großen Reiz, in eine wahre Geschichte etwas komplett Fiktives tragend einzubauen. Ich werde ständig gefragt, gab es sie wirklich? Das freut mich natürlich, dass das so echt wirkt.

Das Wunder von Kapstadt

Lisa Scheel (Sonja Gerhardt, li.) kommt mit Insider-Wissen nach Kapstadt, um im Team Christiaan Barnards zu arbeiten. Die Wienerin Clara Wolfram gibt Dr. McCarthy (re.)

©ORF / Producers at Work/Mia-Film/Frizzi Kurkhaus
Was für Bild haben sie durch ihre Recherchen für diesen Film von Star-Chirurg Christiaan Barnard bekommen? Die 1960er-Jahre sind für viele weit weg, eine fremde Welt.

Er war ohne Zweifel ein charismatischer und attraktiver Mensch. Wenn er den Raum betrat, schaute man hin. Er hatte einfach eine Aura, die Menschen fasziniert hat. Und er hat, das habe ich an mehreren Stellen gelesen, die Frauenwelt beeindruckt. Das war dann natürlich auch eine interessante Herausforderung: Wie schreibt man so eine Figur, dass es eine Frau auch heute noch als wahr empfindet. Darüber habe ich auch mit mehreren Frauen gesprochen. Sonja Gerhardt war mit diesen Szenen, wie sie geschrieben waren, sehr glücklich. Alexander Scheer, ebenfalls ein grandioser Schauspieler, hat Barnard, soweit ich das recherchieren konnte, beinahe so gespielt, wie er tatsächlich war.

Wie ging es Ihnen beim Schreiben? Der Film zeigt drastisch, wenn auch dosiert fürs Fernsehen, die Brutalität des Apartheid-Regimes in Südafrika. Da bekommt man Gänsehaut.

Das beschreibt es ganz gut und das gilt umso mehr für mich. Ich bin schon in Südafrika gewesen und kenne mehrere afrikanische Ländern. Dazu kommt, meine Kinder sind beide dunkelhäutig und ich bin nun erneut mit einer Frau mit einem afroamerikanischen Hintergrund, Tracey, verheiratet. Das führt dann noch mal zu einem etwas anderen Tiefgang. Und grundsätzlich ist das bei einem Autor ja ähnlich wie bei einem Schauspieler - wenn man nicht wirklich mitempfinden kann, dann ist es schwer, über etwas zu schreiben. Man lernt über die Jahre, sich doch gewissen Emotionen auszusetzen. Dabei hilft immer, dass man erstens genau weiß, warum man die Geschichte erzählt, dass man es nicht zum Spaß tut. Dann kann man es auch mal aushalten, für ein paar Tage schwierige Sachen zu schreiben. Für mich ist da ganz wichtig, dass ich wirklich ein stabiles Familienleben habe. Also, es gab da eine Zeit, da konnte ich wegen sehr tragischer Dinge in meinem Privatleben keine schwierigen Geschichten schreiben.

Wie lange haben Sie an „Das Wunder von Kapstadt“ gearbeitet?

Die Entwicklungsgeschichte zog sich vom ersten Kontakt an ungefähr über ein Jahr. Es war also kein ganz langes Projekt. Produzent Christian Popp hat sich bei mir gemeldet, wir sind alte Freunde. Wir haben zum Beispiel damals auch Das Mädchen auf dem Meeresgrund", die Geschichte von Lotte und Hans Hass, miteinander gemacht. Er hatte die Autobiografie Barnards gelesen und meinte, wenn dir da was einfallen würde, wie man die Geschichte erzählen könnte, mit einer deutschen, starken Figur, das wär‘s. Den Kniff haben wir dann gefunden.

Christoph "Chris" Silber ist Autor, Produzent und Regisseur und das gleichermaßen in Europa wie in den USA

©Sam Silber
Der Film wird ausgestrahlt am 17. Dezember. Das ist der Tag vor dem Fußball-WM-Finale. Sie können sich auch für Fußball begeistern?

Ich bin ein riesiger Freund des Fußballs. Es geht da um Menschen, um Sportlerinnen und Sportler, um Begeisterung und das Zusammenkommen. Deswegen will ich das nicht komplett schlechtmachen und bin auch kein hundertprozentiger Freund von Boykottaufrufen wegen der WM gewesen. Aber klar ist, das war und ist ein grandioser Fehlgriff, den man noch stärker der FIFA ankreiden muss als dem Veranstalterland Katar. Das war ein furchtbar dummes Verhalten.

Sie leben mit ihrer zweiten Frau Tracey Graves in Atlanta, Georgia.

Ja, seit noch nicht mal ganz einem Jahr. Wir haben Anfang 2022 geheiratet. Wir haben uns in Los Angeles, wo ich acht Jahre gelebt habe, kennengelernt. Sie ist Schauspielerin, die im Augenblick erfreulicherweise recht erfolgreich ist und aufregende, große Filme dreht. Atlanta ist eine Stadt, die für unser Business wirklich sehr günstig liegt und auch besser liegt, um nach Europa zu fliegen. Wir haben beide entschieden, dass es der bessere Ort für uns ist für die nächsten Jahre.

Georgia ist, politisch betrachtet, sozusagen Battleground. Was passiert in dieser Post-Trump und möglicherweise Prä-Trump-Zeit? Was ist bloß los mit den USA?

Auch nach 15 Jahren in Amerika verstehe ich manche Sachen immer noch nicht - jedenfalls emotional. Das ist hier eine grundsätzlich andere Art zu denken, zu leben. Es ist eine andere Gesellschaft, die mich in ihrer zynischen Härte und Hoffnungslosigkeit manchmal erschüttert. Diesen Extrem-Kapitalismus werde ich, glaube ich, nie wirklich gut finden können. Und letztlich kann man alles, was hier politisch passiert, damit auch erklären. Das ist eine Gesellschaft, in der Menschen eher ein Massaker hinnehmen, als auf ihre Freiheit einzuschränken, indem sie Waffengesetze ändern. Ich glaube aber auch, es ist jetzt durchaus eine Zeit, in der es in mancher Hinsicht einen Wandel gibt. Das gilt auch für das Gesicht, das die Republikaner zeigen. Die Zeit von Trump ist wahrscheinlich vorbei und vielleicht ist das dann insgesamt doch ein gutes Zeichen. Ich bin ja ein Mensch der Hoffnung, und ich hoffe, dass wir zumindest darüber hinweggekommen sind, dass die Demokratie hier komplett abgeschafft wird. Diese Ängste gab es ja bei vielen, weil von Trump wirkliche Diktatur-Bestrebungen ausgegangen sind. Ansonsten bin ich keiner, der da jetzt die rosarote Brille aufhätte, also Amerika ist einfach ein hartes Pflaster.

Der Glaube an den amerikanischen Traum ist also ein Irrglaube?

Der ist richtig absurd und das in vieler Hinsicht. Mein Sohn, der schon Anfang 20 ist, ist nach Berlin gezogen. Er hat die Situation ganz realistisch analysiert. Erstens hat er die ersten Jahre seiner Kindheit dort gut verbracht, und zweitens hat er gesagt, in Deutschland gibt es ein soziales Netz, dass es in Amerika einfach nicht gibt. In Berlin kann er studieren, ohne dass er sich damit für sein ganzes Leben verschulden muss. In Deutschland darf er auch krank werden, ohne dass das Krankenhaus alles, was er hat und sich erarbeitet hat, rausquetscht, worauf das weitere Leben zusammenbricht. Also für mich gilt, aus vielerlei Gründen lebe und arbeite ich immer noch gerne hier. Unser Geschäft hier ist einfach sehr aufregend. Auf lange Sicht sich hier zur Ruhe zu setzen, da bin ich mir nicht sicher, ob das mein Ziel ist.

Sie und Tracey schreiben nun auch gemeinsam Skripts?

Das ist richtig. Es gibt da demnächst sogar schon einen Dreh, produzieren wird das, wie „Das Wunder von Kapstadt“, erneut Christian Popp. Es wird ein Weihnachtsfilm. Also es passieren in unserem Leben gerade sehr viele, sehr aufregende Dinge. Im nächsten Frühjahr folgt dann eine Serie, „Sam – ein Sachse“ für Disney+. Da bin ich sowohl Miterfinder als auch Chefautor gemeinsam mit Jörg Winger und Tyron Ricketts. 

Wie lautet der Arbeitstitel des Weihnachtsfilms?

„Die geschenkte Familie“, wobei ich nicht weiß, ob das ZDF den nimmt. Film-Titel und Fernsehsender, das ist schon eine spezielle Angelegenheit. Erfreulicherweise wird wieder, wie auch mit Franziska Buch bei „Das Wunder von Kapstadt“, eine Regisseurin den Film machen, die durchaus bekannt und erfolgreich ist und die sich unseres Drehbuchs angenommen hat und es offenkundig sehr liebt. Bekanntgeben muss das aber der Sender.

Zur Person: Christoph Silber

Der Autor
Der Berliner  Christoph  „Chris“ Silber (51)  startete  als Autor mit einer Arbeit fürs Burgtheater durch. Er lebt  in den USA, schreibt deutsch- und englischsprachige Drehbücher und ist als Produzent und Regisseur tätig.  Preise (u. a.): International  Emmy, ROMY,   Grimme Preis. (TV-) Filme: „Das Wunder von Kärnten“, „Nordwand“, „Ich bin dann mal weg“, „Tatort“. Musical:  „Knockin’ On Heaven’s Door“

Der Film
In „Das Wunder von Kapstadt“ spielen Sonja Gerhardt, Alexander Scheer, Loyiso MacDonald, Fritz Karl und  Clara Wolfram. Regie: Franziska Buch.  Christian Popp   erhielt für die ARD/ORF-Produktion den  Hamburger Produzentenpreis

 

Sehr gespannt ist man schon auf „Sam – ein Sachse“, es ist die erste deutschsprachige Disney+-Produktion überhaupt. Sie erzählt vom ersten schwarzen Polizisten in DDR-Zeiten, der eine, sagen wir, sehr durchwachsene Lebensgeschichte hatte.

Und das entspricht auch der Wahrheit. Ich habe ihn selbst kennengelernt. Er war auch an der Entscheidung beteiligt, wer Headautor seiner Geschichte sein sollte. Dass ich es wurde, kam sicherlich davon, dass ich die Realität schwarzer Menschen in Deutschland ganz gut kenne und dass ich auch aus dem Osten komme. Mein Sohn heißt sogar Sam (lacht). Es ist etwas ganz Besonderes, diese Geschichte erzählen zu dürfen. Sie ist sehr, sehr emotional und man darf sich auf vieles freuen. Diese Geschichte hat die tragischen, faszinierenden und dramatischen Elemente, die man von den großen internationalen Produktionen kennt. Im Mittelpunkt steht ein Polizist, der am Ende die Seiten wechselt und damit auch die Seiten des Gesetzes. Auf jeden Fall hat man die Geschichte der deutschen Wendezeit so noch nie erlebt.

Sie sagten, Sie sind ein Mensch, der als Hauptthema für sich die Hoffnung hat. Anfang des Jahres haben Sie ein Kinderbuch „Die Wolke unterm Dach“ veröffentlicht, in dem sie das Sterben ihrer ersten Frau thematisieren. Ist das auch ein Ausdruck dessen?

Ja. Für mich ist es ganz wichtig gewesen, das Buch nach vielen Jahren doch endlich zu schreiben. Es ist ein tiefes persönliches Thema und es hat lange gedauert, bis das Buch so geworden ist, dass es auch meiner Tochter Sarah zusagt, um die es in diesem Buch ja geht. Es gibt das eine oder andere eher psychologisch eingefärbte Buch für Kinder, das sich Trauer und Verlust widmet. Das Besondere an „Die Wolke unterm Dach“ ist, dass die Thematik komplett aus Kindersicht erzählt wird. Ich habe darin meine Erfahrungen verarbeitet, wie eben ganz speziell Kinder mit Trauer umgehen und wie die Kreativität und die Imagination, die bei ihnen so wichtig ist bei der Annäherung an alle Themen, wie das tatsächlich Hoffnung schaffen kann. Das Buch lädt dazu ein – und das hat die wunderbare Illustratorin Annabelle von Sperber so gut verstanden -, dass wir als Erwachsene auf diese spielerische, imaginative Seite von Kindern mehr vertrauen und wir Erwachsene wiederum dadurch von unseren Kindern lernen können.

Für den Beginn ihrer Karriere als Autor hatten sie sich das Burgtheater ausgesucht.
 
Das stimmt, bei anderen ruft Hollywood an, bei mir war es das Burgtheater.
Für Theater ist wohl jetzt keine Zeit mehr?

Vor etwa einem Jahr kam tatsächlich ein Musical mit dem Titel „Knockin´ On Heaven´s Door“ heraus, das ich hauptsächlich mit dem wunderbaren Komponisten Alex Geringas geschrieben habe, der als ausgewanderter Deutscher sehr viel in Hollywood arbeitet. Wir waren sogar nominiert für den deutschen Musicalpreis, ich zudem als Texter. Und ich muss gestehen, ich habe tatsächlich wieder Lust bekommen. Also ich würde gerne wieder etwas für die Bühne machen, mal schauen, was sich ergibt. Es sind so viele Dinge: Buch, Bühne, Filme, Fernsehen und das sowohl in Amerika als auch in Deutschland. Da ist der Zeitplan ein wichtiges Thema.

Zumal Sie ja nun auch noch begonnen haben zu produzieren?

Ja, das kommt immer mehr. Bei „Sam“ habe ich mich vor allem um die Entwicklung, um das kreative Schreiben gekümmert. Aber inzwischen ist es eigentlich bei allen Projekten, bei denen ich in letzter Zeit beteiligt war, immer so, dass ich doch sehr viel inhaltlich mitwirke und das an völlig anderen kreativen Entscheidungen als dem Script. Und es ist ja so und das zeigt sich da auch: Das Leben fängt jeden Tag wieder neu an.

Danke für das Gespräch.
Christoph Silber

Über Christoph Silber

Schreibt über Medien-Wirtschaft und -Politik, Werbung und Fernsehen und das seit 1997 beim Kurier.

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