Selbstversuch: In einer Woche zum Barpianisten oder Flamencogitarrist

Kein Meister fällt vom Himmel, oder doch? Mit Minimalaufwand zum Meisterpianisten oder Flamenco-Star.

Brotbackkurs, Yogakurs, Origamikurs. Die vergangenen Monate waren so hart, dass sich manche die Zeit vor und nach dem Homeoffice auf die vielfältigste Weise vertrieben. Wie man hört, sogar mit einem Kurs "Arbeiten im Homeoffice".

Da wusste ich etwas Spannenderes. Statt Musik nur zu hören, bildete ich mir ein, Musik selber machen zu wollen. Und zwar nicht irgendeine, sondern die härteste Version davon - Klaviermusik.

Das Instrument selbst lässt sich ja noch einigermaßen leicht organisieren. Aber darauf zu spielen, steht wohl auf einem völlig anderen Blatt. Absolute Laien stellt schon eine Klaviatur vor ein unlösbares Rätsel. So viele Tasten, 88 in der Regel, muss das sein? Und warum schwarze und weiße? Und das auch noch in Zweier- und Dreierblöcken? Wo soll ich dabei nur anfangen?

Schritt 1: So geht Klavier

Für den Anfang muss es wirklich kein Steinway-Flügel sein, ein E-Piano tut es auch. Und das gibt es bei Klavierspezialisten wie der Klaviergalerie, dem Fachgeschäft Stingl Klavier oder einer Musikalienhandlung in deiner Nähe bereits unter tausend Euro.

Ist einmal die erste Hürde geschafft, und das Instrument zu Hause aufgestellt, geht es ans Eingemachte. Ran an die Tasten: Roll over Beethoven, eine Gaudi mit Ludovici Einaudi, ein "Hello" mit Adele. Leichter gesagt als gespielt. Ohne große Vorkenntnisse bin ich erst einmal aufgeschmissen.

Frage an das Musikhaus Wien in der Äußeren Mariahilferstraße: "Gibt es vielleicht eine DVD oder ein Lehrbuch in der Art: ,Die Kunst des Klaviers: In einer Stunde zum Meisterpianisten'?" Die freundliche Antwort der Verkäuferin: "Nein, leider, das hätte ich auch gerne."

Gut, also weitersuchen. Ah, da weiß einer Rat: Paul McCartney. In einem Video erklärte er vor Kurzem, wie man ohne Notenkenntnisse schon bald etwas klimpern kann, das sich nicht nach totalem Chaos anhört. Ganz wichtig: "In der Mitte befindet sich das C", so Paul. Und er zeigt uns, wie wir mit nur drei Fingern der rechten Hand auf den weißen Tasten einen Akkord bilden können, die Tastatur nach rechts hinaufwandern und dazu mit der linken Hand eine Begleitung spielen.

Na bitte, ist doch gar nicht so schwer für den Anfang, oder? Ob Eddie Cochrane, Jerry Lee Lewis, John Legend oder Johann Sebastian Bach: Sir Pauls Finger tasten sich in sekundenschnelle durch die musikalischen Jahrhunderte. Und: Hört und sieht man genau hin, findet sich garantiert eine Anleitung fürs eigene Klavierspiel.

"Unser Lieblingskomponist war Bach", sagt Paul McCartney. "Wir haben einfach einen Beat dahintergelegt", so der Ex-Beatle, "dann wurde er besser."

Schritt Nr. 2: Musikstück wählen

Merke: Sich an der Musik, die einem gefällt, zu orientieren, ist kein Fehler. Dann schlägt die Stunde der Experimente. Und vor allem gilt: Jeder Meister hat einmal klein angefangen, selbst Klassikstar Igor Levit.

Der deutsche Pianist hat für sein 2018 aufgenommenes Doppelalbum "Life" ein Stück ausgegraben, das sich für unsere Zwecke, als chilliger Barpianist Eindruck zu schinden, perfekt eignet. Bill Evans, unter anderem Pianist bei Miles Davis, hat 1958 - am ersten Höhepunkt des Kalten Krieges - eine Komposition mit dem viel sagenden Titel "Peace Piece" aufgenommen. Übersetzt "ein Stück Frieden", quasi die jazzige Vorwegnahme von Nicoles "Ein bisschen Frieden."

Das sechs Minuten lange Stück erinnert an Kompositionen von Erik Satie, klingt zeitlos, ja, fast modern. Und stellt mit seinen lediglich zwei Akkorden selbst einen absoluten Beginner vor keine allzu großen Probleme.

Super, dass es auf YouTube sogar einen Clip eines Pianisten gibt, der daher genau dieses Stück als Paradebeispiel für einen ambitionierten Anfänger wählte.  Auch, weil man dazu nur die weißen Tasten anschlagen muss.

Schritt Nr. 3: üben, üben, üben

Natürlich dauert es, bis ich wenigstens drei, vier Takte halbwegs flüssig spielen kann. Aber zumindest die klingen wesentlich aufregender als der 08/15-Einstieg eines herkömmlichen Klavierkurses, etwa "Bruder Jakob" in "Alfreds Klavierschule für Erwachsene".

Üben bleibt trotzdem das Gebot der Stunde. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft aller Profis, denn auch Lidia Baich oder Jamie Cullum haben Üben einen jeden Tag fett gedruckt im Kalender stehen.

Und so klingt das eigene Resultat:

Guitar Man

Ich spiele dasselbe auch mit einem anderen Instrument durch: der Klassischen Gitarre. Keine Verlegenheitslösung, denn selbst der Säulenheilige Keith Richards wurde über weiche Nylonsaiten zum steinharten Rocker. Also Schulgitarre entstauben und sich an "Keef" ein Beispiel nehmen.

Seine ersten Schritte auf den sechs Saiten hatte die düstere Hälfte der Glimmer Twins auf einer Flamencogitarre unternommen. Die hing bei seinem Großvater Gus über dem Klavier. Als dieser gemerkt hat, dass Klein-Keith mit neun Jahren öfter zu der Klampfe schielte, brachte er ihm ein paar Griffe bei.

"Gus war kein Überflieger auf der Gitarre", erinnert sich Richards in seiner Autobiografie "Life", "aber die Grundlagen waren ihm vertraut. Er brachte mir meine ersten Licks und Akkorde bei, er zeigte mir die wichtigsten Griffe, D, G und E. ,Wenn du Malagueña spielen kannst', sagte er immer, kannst du alles spielen.'"

Na, bitte, das geht doch. Norman Gänser betreibt in Wien die Guitarschool. Von "Liedbegleitung" bis "E-Gitarre für Einsteiger" gibt es eine Reihe von niederschwelligen Online-Kursen, die angehenden Gitarreros auf die Sprünge helfen.

Andreas Maria Germek lehrt dabei die Feinheiten der Flamencogitarre. Von den Techniken Rasgueado über Golpe und Picado bis Alzapua ist alles dabei, was einen zum Star beim nächsten Sommerfest macht. Der Spanischexperte unterrichtet noch dazu auf Deutsch! Eine Seltenheit bei den Hunderten im Internet kursierenden Musikkursen.

Ich halte mich ran, meine Malagueña klingt noch ein wenig unrund und der nächste Sommer kommt bestimmt...

Klavier nach Noten

Mit der Klavier-Spielhilfe "TonGenau" hat der Eisenstädter Bernhard Rauchbauer ein Tool entwickelt, das allen hilft, für die Noten ein spanisches Dorf darstellen. Einfach die notierte Leiste über die Klavieratur legen, schon kommt Klarheit in das Notensystem. Erhältlich ist die "Klaviatur mit Herz" im guten Musikalienfachhandel. tongenau.at

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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