Die Freiheit auf zwei Rädern

Revolution Fahrrad: „Freiheitsmaschinen“ für viele Frauen

Die Autorin Hannah Ross über Feministinnen, die mit dem Fahrrad fuhren und was das zur Emanzipation der Frauen beitrug.

Sie zitiert die Fahrräder in ihrem Buch als „feministische Freiheitsmaschinen“. Für Hannah Ross ist die Autonomie der Frauen auch mit dem Radfahren verknüpft.

Die Frauenrechtlerin Susan B. Anthony sagte, dass das Fahrrad mehr zur Emanzipation beigetragen hat „als irgendetwas anderes“. Hat Sie denn recht?

Hannah Ross: Zu der Zeit, als Anthony dies sagte, das war 1896, war das Leben der Frauen sehr eingeschränkt, mit wenig bis gar keiner sozialen, wirtschaftlichen und politischen Autonomie und Freiheit. Sie wurden nicht ermutigt, sich körperlich frei zu bewegen, sondern generell von körperlichen Aktivitäten abgehalten. Sogar ihre Kleidung – lange Röcke, Unterröcke, Korsetts usw. – war so konzipiert, dass sie die Bewegungsfreiheit deutlich einschränkte.

Wie half das Fahrrad den Frauen?

Es symbolisierte und verwirklichte das Gegenteil des eingeschränkten Lebens, der fehlenden Autonomie und der erzwungenen Untätigkeit, die viele Frauen zu dieser Zeit erduldeten.

Was begeisterte die frühen Radfahrerinnen?

Das Fahrrad bot ihnen die Möglichkeit, ihre Welt zu erweitern. Einige gingen sogar so weit, die Welt auf zwei Rädern zu umrunden. Aber auch diejenigen, die es nie weiter als bis zum örtlichen Park schafften, überwanden die damals gängige Meinung, dass Frauen als schwache Geschöpfe am besten für ein erdrückendes Leben in geschlossenen Räumen geeignet wären. Obwohl die meisten zum Vergnügen radelten, war es ein politischer Akt, ihren Körper auf diese Weise zu benutzen. Es ist auch kein Zufall, dass jene Frauen, die dafür kämpften, dass die Frauen als gleichberechtigte Bürgerinnen behandelt werden, begeisterte Radfahrerinnen waren.

Welche Hürden mussten die Pionierinnen überwinden?

Die frühen Radfahrerinnen wurden als „Flittchen“ beschimpft. Man sagte ihnen, es würde ihr Aussehen ruinieren, sie unfruchtbar machen oder zu Promiskuität führen. Helena Swanwick, eine Suffragette und Schriftstellerin, beschrieb ihre Erfahrungen, als sie Anfang der 1890er-Jahre in London mit dem Fahrrad unterwegs war, so: „Busfahrer schlugen mit der Peitsche nach mir, und Taxifahrer fanden es lustig, sich mir von hinten zu nähern. Einmal wurde ich in einem Slum in Notting Hill an meinem Rock gezerrt.“

Es gab aber auch Frauen, die gegen die Radfahrerinnen Stimmung machten.

Ja, im Jahr 1896 reichte etwa Charlotte Smith von der Women’s Rescue League eine Petition im amerikanischen Kongress ein, um Frauen das Radfahren zu verbieten. Als „Teufelsbraten“ hat sie sie verurteilt. Es würde zum moralischen und religiösen Niedergang führen, wenn man es weiterhin zuließe, und ließe „die Reihen der rücksichtslosen Mädchen anschwellen, die schließlich in die stehende Armee der ausgestoßenen Frauen der Vereinigten Staaten abdriften würden“. Mit anderen Worten: Radfahren würde anständige Frauen zu Prostituierten machen.

Inwieweit hat das Radfahren die Mode beeinflusst?

Im 18. Jahrhundert gab es Initiativen, die Kleidung der Frauen zu ändern, um sie praktischer, bequemer und sicherer zu machen, aber sie hatten keinen Erfolg, da es als zu umstritten galt, dass Frauen überhaupt so etwas wie Hosen tragen sollten. Mit der Einführung des Fahrrads wurde es aber dringend notwendig, die Kleidung der Frauen anzupassen, um das Radfahren sicherer zu machen. Einige Frauen wählten Pumphosen oder Knickerbocker anstelle eines Rocks. In Frankreich war es Frauen lange verboten, Hosen zu tragen, aber mit der Popularität des Fahrrads wurde das Gesetz 1892 geändert, um eine Ausnahme zuzulassen, sofern die Frau in Hosen „einen Fahrradlenker oder die Zügel eines Pferdes hielt“. Andernfalls musste sie bei der Polizei um Erlaubnis bitten, sich „wie ein Mann“ zu kleiden.

Welche Radfahrerin hat sie besonders beeindruckt?

Annie Kopchovsky, eine lettische Einwanderin, die in den frühen 1890er-Jahren in Boston wettete, dass sie als Frau mit dem Fahrrad um die Welt fahren könne. Das war bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sie erst einige Wochen vor ihrem Aufbruch Radfahren lernte. Die Italienerin Alfonsina Strada fuhr 1924 den Giro d’Italia und ist damit die einzige Frau, die dies je tat. Faszinierend auch Frauen in Afghanistan, die eine Bewegung für den Radsport von Frauen in einem Land gründeten, das ihnen weiterhin weitgehend feindlich gesinnt ist.

Warum fahren heute noch immer deutlich weniger Frauen Rad als Männer?

Die Sicherheit im Straßenverkehr, das ist der von Frauen am häufigsten genannte Grund, warum sie nicht mit dem Rad fahren.

Uwe Mauch

Über Uwe Mauch

Uwe Mauch, geboren 1966 in Wien, seit 1995 Redakteur beim KURIER, Autor lebensnaher Porträts und Reportagen sowie zahlreicher Bücher, unter anderem: "Unsere Nachbarn", "Wien und der Fußball", "Lokalmatadore", "In 80 Arbeitstagen um die Welt", "Stiege 8/Tür 7. Homestorys aus dem Wiener Gemeindebau", "Die Armen von Wien" (2016) sowie eines "Wien"- und eines "Zagreb"-Stadtführers.

Kommentare