Politserie "Borgen" ist wieder da: Es ist etwas faul im Staate Dänemark

Das lang erwartete Comeback der dänischen Serie scheitert am politischen Umfeld, in dem wir inzwischen leben.

Die Politik gebärdet sich derart jenseitig, dass man sie eigentlich nicht mehr überspitzen kann: Dieses schwierige berufliche Schicksal der Satiriker und Kabarettisten hat nun, bei ihrem lange erwarteten Comeback mit der neuen Staffel, auch die tolle dänische Politserie „Borgen“ erfasst.

Was schade ist.

Was war das damals (2010 bis 2013) für ein aufrüttelnder Blick hinter die Kulissen des Politbetriebs! „Borgen“, produziert vom dänischen Rundfunk, schlug ordentliche Wellen: Hautnah konnte man in drei Staffeln zusehen, wie einander Politiker aus keinem anderen Grund an die metaphorische Gurgel gingen, als dass sie ihre Macht bewahren wollten. So klar und kantig und schonungslos hatte man das damals kaum je gesehen, schon gar nicht aus Europa, schon gar nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (hust, hust, ORF).

©Mike Kollöffel/Netflix/Mike Kollöffel

„Borgen“, die Burg, ist das dänische Parlament; mehr noch aber jener emotionale und ideologische Panzer, in den sich Politiker eingraben und der sich um jeden einzelnen Handelnden zunehmend verknöchert. Man kapierte beim Serienschauen, wie Politik funktioniert, warum sich diese so oft im Gerangel erschöpft und kaum je etwas Substanzielles weiterbringt, man spürte den Tribut, den das Leben als Politiker von den handelnden Personen fordert. und auch den Sturm von Zynismus, der im Hintergrund alles umweht. Nun ja, das liest man jetzt gefühlt alle zwei Tage in neuen Chats, und zwar derart ungelenk, dass man es jedem Drehbuchautor zurückschmeißen würde.

Kleines Land, große Welt

In die angestaute Vorfreude auf Birgitte (sic!) Nyborg (gespielt von Sidse Babett Knudsen), jene Politikerin, die im Zentrum des Ganzen steht, mischt sich daher alsbald ein Gefühl des: „Und was ist sonst nicht neu?“

Man sieht (bei Netflix) ein kleines Land mit seinen im Klein-Klein verfangenen Politikern, die plötzlich – auf Grönland wird Öl gefunden, was Amerikaner, Chinesen und Russen aufschreckt – große Weltpolitik machen müssen und kläglich daran scheitern.

Man sieht persönliche Animositäten, private Probleme und eine vom Schnell-Schnell der neuen Medienwelt aufgeriebene Presse. Man sieht wieder ein realistisches Bild von Politik – zumindest ein anderswo, bei unseren politisch aufgeräumteren Freunden im Norden, realistisches Bild. Nyborg kommt deswegen unter Druck, weil sie nicht sofort mit der Presse offen reden will, und das Geräusch, das Sie hören, ist das Lachen aller Innenpolitikredaktionen dieses Landes.

Und man würde gern in einem Land leben, in dem einen das alles noch hinter dem Ofen hervorlockt.

Georg Leyrer

Über Georg Leyrer

Seit 2015 Ressortleiter Kultur und Medien, seit 2010 beim KURIER, seit 2001 Kulturjournalist. Zuständig für alles, nichts und die Themen dazwischen: von Kunst über Musik bis hin zur Kulturpolitik. Motto: Das Interessanteste an Kultur ist, wie sie sich verändert.

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