Peter Kraus im Interview: „Tramfahren? War damals nicht möglich“

Der Platin-Romy-Preisträger im FREIZEIT-Interview über Elvis, Swing, "Sugar Baby" - und die Frage, was er mit 33 trieb.

Sein Markenzeichen, den Hüftschwung, beherrscht er nach wie vor. Aber dennoch will sich der ehemalige Teeniestar, der in den 1950er-Jahren der deutschsprachigen Jugend den Rock 'n' Roll näher brachte, demnächst von einer anderen Seite zeigen: als Swing- und Jazzsänger. Für Anfang 2023 ist eine große Tournee mit 23 Konzerten in Deutschland und Österreich geplant. Neben seinen eigenen Hits wie „Sugar Baby“ oder „Kitty Cat“ wird er da auch Standards und Evergreens von Frank Sinatra, Nat King Cole und Sammy Davis Jr. interpretieren. Daneben bleibt dem Musiker noch genügend Zeit für seine Hobbys und Nebenbeschäftigungen. Peter Kraus baut in der Südsteiermark auch seinen eigenen Wein an, nimmt gerne an Oldtimer-Rallyes teil und hat auch nichts gegen ein paar Stunden auf dem Rennrad oder auf dem Segelboot einzuwenden.

Wir feiern!

Die KURIER freizeit feiert ihren 33. Geburtstag. Zum Jubiläum haben wir mit Peter Kraus im 33er gesprochen.

Sehr geehrter Peter Kraus, zum Jugendidol wurden Sie 1957 mit den Hits „Sugar Baby“ und „Kitty Cat“. Bald zeigte sich, dass Sie nicht nur den Rock ’n’ Roll draufhaben, 1960 haben Sie in Wien das Lied „In einem kleinen Café in Hernals“ aufgenommen, ein Wienerlied. Sind Sie Richtung Hernals vielleicht mit dem 33er gefahren?

Peter Kraus: Was glauben Sie, was los gewesen wäre, wäre ich mit der Tram gefahren? Das war damals nicht möglich. Fast meine gesamte Jugendzeit musste ich mich vor Fans verstecken.

Wir treffen uns hier in der Josefstadt zum Interview im Café Hummel. Und es ist nicht zu übersehen, dass die Fans Ihnen nach wie vor folgen. Ihr Autogramm bleibt begehrt. Sie haben einen Stapel Autogrammkarten mit, sind aber auch für Selfies zu haben.

Sicher, in den 1950er-Jahren bekamen sie die Autogrammkarten am Kiosk, heute verteile ich sie selbst, wenn ich darum gebeten werde. Und Selfies? Warum nicht, wenn es den Leuten eine Freude macht. Auch zu Kaffeehäusern haben Sie eine enge Beziehung, Ihr Vater hatte eines. Ja, er führte in München das erste italienische Espresso. Kein Kaffeehaus im klassischen Sinn, sondern eines mit kleinen Hockern und Tischen. Die Idee war, du trinkst deinen Espresso und verschwindest wieder, also das Gegenteil von einem Wiener Kaffeehaus, in dem man Stunden verbringt. Espresso, wie der Name schon sagt: Schnell, zack, und wieder raus.

Peter Kraus

©Kurier/Gilbert Novy
Sie aber haben dort viel Zeit verbracht?

Ich habe dort am Nachmittag meine Hausaufgaben gemacht. Das war sehr schön. Ich habe dort auch gegessen, was nicht so aufregend war. Toast, Gulaschsuppe und das war’s dann ungefähr.

Ihr Lieblingsessen, schrieben Sie in Ihrer Biografie „Für immer jung“, war lange Zeit der legendäre Toast Hawaii mit Schinken, Käse und einer Scheibe Ananas.

Bis zu meinem 21. oder 22. Lebensjahr habe ich wie die jungen Leute heute aus dem Papierl gegessen. Erst durch meinen Produzenten Gerhard Mendelson, der ein Paris-Fan war, habe ich eine andere Welt kennengelernt. Der hat mich einmal nach Paris geschleppt und ich musste mit ihm unendlich lange in einem Lokal sitzen und „Gänge“ essen. Das war für mich etwas deprimierend. Aber irgendwann hatte er den Dreh heraus und machte einen kleinen Gourmet aus mir.

Italienisches Espresso, französisches Bistro, da hätten Sie ja beinahe ein Cantatore oder ein Chansonnier werden können.Ich habe auch „Volare“ gesungen, blieb aber meiner Musik sehr treu.

„Sugar Baby“ ist meine Visitenkarte, die öffnet mir die Türen. Das wollen die Leute von mir hören.

Ich vermute, die Leute wollen auch noch Ihren berühmten Hüftschwung sehen. Beherrschen Sie den noch?

Zweifellos, so wie früher.

Mit umgehängter Gitarre und angedeutetem Hüftschwung konnte man Sie 1959 an die Tür des Kinderzimmers pinnen. Es gab Sie als „Starschnitt“ des deutschen Jugendmagazins BRAVO.

Ich war der Erste. Brigitte Bardot war der erste Starschnitt. Aber ich war der erste männliche Starschnitt.

Haben Sie Ihren noch?

Nein. Ich habe alle Erinnerungen abgegeben. In der Schweiz gibt es ein kleines Museum in Zürich, das ein Fan eingerichtet hat, dort hängt einer. Ich hänge nicht so sehr daran. Ich lebe sehr im Heute und Morgen.

Sie wirken sehr optimistisch. Hat das mit der Musik zu tun?

Mein Job ist einfach schön. Ich gehe auf die Bühne, um die Menschen zu unterhalten und das gelingt mir. Ich gehe nach Hause und bin glücklich. Was will man mehr?

Gibt es noch Fans der ersten Stunde?

Jaja, zweifellos. Ich habe Fanclubs, die existieren, seit ich sechzehn bin. Deren Mitglieder kommen natürlich jetzt auch schon im reiferen Alter zu meinen Konzerten. Aber es gibt auch junge Leute, die an der alten Zeit hängen. Die sagen sich, was ich verstehen kann: Ich hätte lieber in den 1950er-Jahren gelebt. Es ist ja nicht nur der Rock ’n’ Roll, der immer wieder ein Comeback erlebt, sondern der ganze Zeitgeist von damals, die Mode, das Design.

©Kurier/Jeff Mangione
Die letzten zwei Jahre haben Sie wegen der Pandemie pausiert. Jetzt, mit 83 Jahren, kündigen Sie eine neue Tournee an. Ab 4. 2. 2023 werden Sie mit Ihrer Band 23 Konzerte in Deutschland und in Österreich geben. Was dürfen Ihre Fans dabei erwarten?

Es wird ein Best-of meiner letzten Tourneen plus einer ganz anderen Musikart, der Musik aus meiner Jugendzeit mit internationalem Charakter: das American Songbook auf Deutsch. Das ist eine neue Facette von mir und da bin ich sehr stolz darauf, denn damit werden meine Konzerte noch abwechslungsreicher.

So wie der Mond als Sehnsuchtsort hat auch das American Songbook wieder ein Comeback erlebt. Sogar Rod Stewart hat es vor Jahren neu interpretiert. Und jetzt Sie. Der Frank-Sinatra-Klassiker „Fly Me to the Moon“ heißt bei Ihnen dann „Schieß mich doch zum Mond“.

Alle Großen nehmen irgendwann diese Lieder auf, ob Paul Anka oder Sinatra, das ist die Basis der guten Musik.

Sie haben heuer ein Album mit Jazzklassikern wie „Mr. Bojangles“ und eben „Fly Me to the Moon“ aufgenommen.

Damit waren wir vor kurzem in Deutschland sogar die Nummer eins oder Nummer zwei in den Jazz-Charts.

Gratuliere! Haben Sie das eigentlich von Ihrem Vater gelernt, der hatte ja ein Gesangsduo?

Ja, der hat auch früh angefangen. Er hat mit sechzehn oder siebzehn Jahren seine erste Platte aufgenommen, „Ernst und Fred – die singenden Gitarristen“.

Da hatten Sie Glück. In den Biografien vieler Musiker stößt man oft auf Eltern, die sich bei den Karrierewünschen ihrer Kinder querstellen. Bei Ihnen war das offenbar ganz ...

Ja, das war ganz anders. Gerade hier in Wien habe ich mit meinem Vater jegliche Art von Musik gemacht. Wenn er mich zum Heurigen mitgeschleppt hat, haben wir Wienerlieder gesungen, etwa „Unser Vater ist ein Hausherr und ein Seidenfabrikant“, kennen Sie das?

Nein, aber ich kenne das Lied vom kleinen Café in Hernals.

Das habe ich im Fernsehen gemacht, in der Show, bei der ich selbst Regie geführt habe. Da ging es los am Klavier und dann habe ich es auf Swing weitergespielt. Da habe ich auch in den USA eine Platte aufgenommen, mit „Long Long Ago“. Bei mir musste das auch grooven. Meine Musiker sind derselben Meinung.

Sie sind also ein Swing Kid gewesen?

Absolut. Ich habe das von den Großen gelernt. Mit dieser Musikform bin ich aufgewachsen, darum ist sie für mich auch die schönste.

Hörten Sie diese Lieder damals schon im Radio?

Ich glaube nicht, dass damals die einzelnen Lieder des American Songbook im Radio zu hören waren, aber Swing war ganz normal. Paul Kuhn, Bill Ramsey, alle spielten Swing. Ich meine, Jazz, Swing, Blues und Rock ’n’ Roll sind nicht so weit voneinander entfernt. Hier in Wien war mit Johannes Fehring ein Komponist, Bandleader und Produzent, mit dem ich viel aufgenommen habe, auch eine Jazzplatte.

Das war ein Geschenk von der Plattenfirma, weil ich so viele Platten verkauft habe. Dafür hatte ich einen Wunsch frei. Da habe ich mit dem Fehring eine EP aufgenommen mit Standards wie „Love Me or Leave Me“. Hier nahm die keiner zur Kenntnis, aber plötzlich bekam ich die Einladung aus England, bei einer Jazzshow mitzuwirken. Weil davon auch eine Bombenkritik in einer englischen Zeitung war. Die Sendung hieß „Tempo 60“. Da habe ich dann live Jazz gesungen, live in England.

Witzig, im selben Jahr starteten die Beatles von Hamburg aus ihre Weltkarriere. Wie kam es eigentlich, dass Sie so früh die Songs von Little Richard und Elvis gecovert haben, das war ja nur ein paar Monate nach dem Original?

In der Schulzeit in München hatte ich einen Freund, der GI war. Ted Turner hieß der. Den habe ich kennengelernt, weil ich unbedingt Original-Baseballschuhe haben wollte. Der hat mich zu dem Shop gebracht, in dem nur US-Soldaten einkaufen konnten. Da gab es die echten Jeans und die echten Baseballschuhe. Und der hat mich auch zu AFN gebracht, der Radiostation der US-Soldaten. Ich hatte ein Tonbandgerät und die hatten die neuesten Platten aus den USA.

Ein Glücksfall!

Ja, das war reiner Zufall. Es war ja nicht so, dass Elvis eine Platte gemacht hat und die dann auf der ganzen Welt gespielt wurde. Auch bei den Radiostationen waren ja viele der Meinung, das sei Schrott und diese Musik wurde eben nicht sofort gesendet. Aber diese GIs in München haben mir das überspielt, „Bluejean Bop“ von Gene Vincent und so. Deshalb jetzt auch die Hommage an diese Sänger.

Peter Kraus

Peter Kraus

wurde 1939 als Peter Siegfried Krausnecker in München geboren. Erster Erfolg: als Johnny in der Kästner-Verfilmung „Das fliegende Klassenzimmer“ (1954).  Mit Little Richards eingedeutschtem „Tutti Frutti“ wurde er 1956 zum Teeniestar. Er lebt mit Ehefrau Ingrid am Luganersee/CH und in Gamlitz/Stmk. Unter anderem mit seinem aktuellen Album "Idole", auf der er Songs von Frank Sinatra, Nat King Cole oder Sammy Davies jr. interpretiert - mit Annett Louisan, Götz Alsmann, Helge Schneider und Till Brönner -, geht er 2023 auf Tour. 

Anfang Februar kommenden Jahres soll es losgehen. Müssen Sie da regelmäßig Gymnastik betreiben, damit Sie eine Tour auch bewältigen können? Immerhin sind Sie mit 83 Jahren kein Teenie mehr.

Ich würde sagen, Dehnübungen sind das Wichtigste. Mehr noch als Übungen mit Gewichten. Wenn man die macht, funktioniert vieles.

Ein Studio mit Gewichten und Hanteln ist also nicht notwendig, um sich fit zu halten?

Genau. Wenn schon Gewichte, dann das Eigengewicht. Liegestütze oder so. Es nützt nichts, wenn Sie irrsinnig viel heben können. Dieses Gewicht liegt genauso auf dem zweiten und dem dritten Wirbel – und denen tut’s weh.

Hätte Elvis Ihre Fitnesstipps befolgt, könnte er heute noch leben. Er ist nur vier Jahre vor Ihnen geboren.

Wenn Sie meinen. Ich mache mir auch keine Sorgen um den Rock ’n’ Roll. Selbst wenn’s mich nicht mehr gibt, wird er noch bestehen.

Weil wir uns hier an der Strecke der 33er-Straßenbahn befinden, wissen Sie noch, was Sie im Alter von 33 Jahren gemacht haben? In Ihrer Biografie habe ich dazu nichts gefunden, mit 34 Jahren aber wurden Sie Vater.

Ah, dann habe ich mit 33 geübt ...

Vielen Dank für das Interview.
©Mike Kraus/Telamo Musik
Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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