Oscar-Verlierer: Diese Stars sind ständig nominiert, aber gewinnen nie

Ein Grüppchen toller Schauspieler hat in der Oscar-Nacht nie Glück. Um zu gewinnen, braucht es mehr: eine Oscar-reife Marketingkampagne.

Samuel L. Jackson ist wütend. Und Samuel L. Jackson ist niemand, von dem man sich wünscht, dass er wütend ist. Zu lebhaft ist uns noch in Erinnerung, wie er als Profikiller in „Pulp Fiction“ seine Aufträge ausführte: Die 9-mm-Pistole, in deren Lauf so mancher im Tarantino-Film blickte, war da höchstens für einen Teil seiner furchteinflößenden Präsenz verantwortlich. Denn wie er,  bevor er den Abzug drückt, einen Bibel-Vers zitiert – „Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer!“: Himmel, zum Fürchten! 

Vor kurzem gab Jackson also The Times ein Interview, und sein Zorn schien ähnlich biblisch – selbst wenn er dabei lächelte. 
„Ich hätte dafür einen Oscar gewinnen sollen“, so Jackson, und für seine Rolle in Spike Lees „Jungle Fever“ gelte das Gleiche. Der Schauspieler ortet Rassismus. Schwarze würden vor allem dann gewinnen, wenn sie wieder einmal den Gangster markieren, wie Denzel Washington in „Training Day“. Dessen Heldendarstellungen, wie die des „Malcolm X“, blieben dagegen eher unbelohnt. 

Jackson kann sich trösten: Nicht nur gehört er zu den bestbezahlten Schauspielern der Welt. Eine Tatsache, die ihm äußerst bewusst ist. Er erhält, wenn am 27. März die Oscars verliehen werden, auch den Ehrenpreis für sein Lebenswerk. Wie immer eben, wenn die Academy ein schlechtes Gewissen hat. Jackson versprach, in seiner Dankesrede dennoch höflich zu bleiben. 

Keine ging öfter leer aus

Was würde wohl Glenn Close an seiner Stelle dem Auditorium ausrichten? Würde sie cool bleiben, es sogar mit Humor nehmen? Oder würde sie der Academy einmal richtig die Meinung geigen? Nachvollziehbar wäre es. Achtmal wurde die Schauspielgröße bisher für den wichtigsten Filmpreis der Welt nominiert. Gewonnen hat sie ihn kein einziges Mal.

Die 75-Jährige hält damit einen Rekord, den keiner will: Keine andere Frau ging in Hollywoods Nacht der Nächte öfter leer aus. Und das, obwohl die John-Irving-Adaption „Garp und wie er die Welt sah“, „Eine verhängnisvolle Affäre“ (der Film gewordene Albtraum aller Seitenspringer) oder „Gefährliche Liebschaften“ Geschichte schrieben. 

„Ich habe mich niemals als Verliererin gesehen“, gestand Close kürzlich, „in meinen Augen sind alle, die nominiert werden, Gewinner. Viele Schauspieler dürfen diese Ehre niemals erleben, und auch sie sind keine Verlierer.“ Gut möglich, dass diese neidlose Pose gut eingeübt ist. Neid, das weiß man, gilt in Hollywood nicht als Laster, sondern als Tugend. Oder Close hat sich tatsächlich einen gewissen Gleichmut antrainiert.

Ähnlich ist es bei Amy Adams. Tolle Rollen spielte sie (abgesehen vom nervtötenden „Enchanted“, doch Schwamm drüber), von der scheuen Nonne in „Glaubensfrage“ bis zur Trickbetrügerin in „American Hustle“. Ihre sechs Niederlagen trägt sie mit Fassung. Gut möglich, dass Adams – im Gespräch smart, aber zurückhaltend –  sich als Gewinnerin mit Glorienschein zu wenig aufdrängt. Dass sie der Academy zu subtil ist, zu wenig Schlagzeile. 

Gefühlt ist sie ja längst mit einem Oscar ausgezeichnet. Wie etliche andere auch: Wer hätte gedacht, dass Edelmimen wie Ed Harris oder John Malkovich noch keinen Goldbuben in der Hand hielten? Tatsächlich war der eine viermal, der andere zweimal nominiert. Edward Norton („Birdman“) kommt auf drei Nominierungen. Sigourney Weaver („Aliens“) ging dreimal leer aus, ebenso wie die Herren Tom Cruise und Johnny Depp. Und dass Filmgöttin Michelle Pfeiffer („Die fabelhaften Baker Boys“) bei drei Chancen noch nie einen Oscar erhielt, ist eigentlich unverzeihlich.

Für alle gilt: Immer schien ein anderer da zu sein, an dem es am betreffenden Abend kein Vorbeikommen gab. Dessen Filmstoff aktueller, vielleicht zeitgeistiger erschien; die Gelegenheit, sie oder ihn auszuzeichnen, eine einmalige Gelegenheit zu sein versprach – während man sich dachte, eine Michelle Williams oder Annette Bening (je vier Nominierungen), die würden ihren Oscar schon noch erhalten.

Mit Rufmord zum Sieg

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Oscar vergibt, ist berühmt-berüchtigt für ihre Irrungen und Wirrungen. Das Kunststück, Genies der Filmgeschichte zu ignorieren, gelingt ihr öfter: Peter O’ Toole („Lawrence von Arabien“) wurde achtmal erfolglos nominiert, bis man ihm 2003 den Trostpreis – einen Ehrenoscar – zusprach. „Immer die Brautjungfer, nie die Braut!“, witzelte er. 

Alfred Hitchcock wurde fünfmal als bester Regisseur erwogen, blieb aber ebenso ohne Preis wie „Barry Lyndon“-Macher Stanley Kubrick (viermal). Auch „Hitch“ erhielt (wie Charlie Chaplin, den man gar nie für den Regie-Preis in Betracht gezogen hatte) einen Oscar für sein Lebenswerk. Der Brite hielt die kürzeste Oscar-Rede aller Zeiten: „Danke“, sagte er – und ging. Auch so kann man seinem Frust Ausdruck verleihen.

Enttäuschungen bringen Preise immer mit sich. Bradley Cooper hoffte heuer wohl auf seine vierte Nominierung (für „Licorice Pizza“). Daraus wurde nichts. Die größte Überraschung war jedoch, dass Lady Gagas Leistung in „House of Gucci“ unberücksichtigt blieb – obwohl sie heftig dafür geworben hatte. Denn, das ist wichtig zu wissen: Wer nominiert wird und wer gewinnt, wird wie im Wahlkampf ausgefochten. Strategen sind damit beauftragt, Millionen werden dafür ausgegeben, alle Tricks aufgeboten. 

Ein Narrativ wird aufgesetzt, das die Gewinnchancen eines Films vergrößern soll. Filme werden etwa als aktuell besonders gesellschaftlich relevant verkauft, Inserate helfen dabei. Die Schauspieler touren durch die Talkshows, geben  Interviews. Um eine Nominierung zu erreichen, wird versucht, einen Hype zu erzeugen, auch durch Partys und Screenings, bei denen die am Film Beteiligten Rede und Antwort stehen. Den Academy-Mitgliedern, denen nachgesagt wird, sie würden mitunter gar nicht alle Filme sichten, soll durch all das klargemacht werden: Diesen Film oder jene Performance dürfe man dieses Jahr auf gar keinen Fall verpassen.

Zwischen drei und zehn Millionen US-Dollar kann so eine Kampagne kosten. Auch auf schmutzige Tricks wird gesetzt. Als Urheber der bösartigsten Kampagne gilt Produzent Harvey Weinstein, derzeit als Sexualstraftäter im Gefängnis. 1999 galt der Tom Hanks-Kriegsfilm „Saving Private Ryan“ als sichere Oscar-Bank.

Bis Weinstein eine enorm aggressive Kampagne für „Shakespeare in Love“ lostrat. Mit Dreistigkeit, Lobbying und schlechter Nachrede gelang ihm das scheinbar Unmögliche: Die harmlose Liebeskomödie mit Gwyneth Paltrow gewann als Bester Film –  Kritikerliebling „Saving Private Ryan“ ging leer aus. Eine höchst kontroverse Überraschung. Und eine, die die meisten Academy-Mitglieder heute laut „Hollywood Reporter“ bitter bereuen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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