Nächstes Jahr feiern Billy Talent mit Gitarrist Ian D’Sa (2. v. li.) und Sänger Ben Kowalewicz (Mitte) 30 gemeinsame Karrierejahre

Neues Album von Billy Talent: Gegen Tabus und Leichtsinn

Die Kanadier melden sich mit „Crisis Of Faith“ zurück. Es ist das ambitionierteste Werk der Band.

Im April 2020, am Höhepunkt der ersten Welle der Pandemie, veröffentlichten Billy Talent auf YouTube ihren Song „I Beg To Differ“. Nicht nur für die Fans der kanadischen Rock-Band wurde dieser Vorbote des eben erschienenen Albums „Crisis Of Faith“ zur Hymne der Hoffnung in der so schwierigen Zeit. Denn die Botschaft war: „Du bist nicht allein!“

Entstanden war der Song aber schon Ende 2019, um das Thema Gemütskrankheiten zu enttabuisieren: „Es geht um mentale Gesundheit, Depressionen und Ängste“, erzählt Gitarrist, Songwriter und Studiotüftler Ian D’Sa im Interview mit dem KURIER. „Wir wollten unsere Hörer damit wissen lassen, dass wir alle solche Phasen haben. Und dass es absolut okay und wichtig ist, um Hilfe zu bitten, um da wieder raus zu kommen. Aber wegen Covid 19 ist dieses Problem seither noch viel größer geworden.“

„I Beg To Differ“ war einer der ersten Songs, die Billy Talent für „Crisis Of Faith“ geschrieben haben. Und er ist einer von denen, die mit geradlinigem Rock den bisherigen Billy-Talent-Stil weiterführen.

Verrückt

Mit Tracks wie „Forgiveness I+ II“, auf dem eine Prog-Rock-Sequenz mit Bläsern zu hören ist, oder dem mit Streichern eingespielten „The Wolf“ erweitert die Band ihr Sound-Spektrum diesmal aber sehr stark.

„Weil wir keine Tour spielen konnten, hat mir die Pandemie die Zeit gegeben, Dinge auszuprobieren, die ich schon immer machen wollte“, sagt D’Sa. „Ich konnte so verrückte Sachen machen wie die mit den Streichern von ,The Wolf’. Die spielten nämlich in Nashville, während unser Dirigent in Los Angeles war. Und ich saß in Kanada in unserem Studio, um das aufzunehmen.“

Inhaltlich wollten Billy Talent mit „Crisis Of Faith“ eigentlich ein Manifest für „Hoffnung und Resilienz“ schaffen. D’Sa gibt aber zu, dass es auch ihm in der Krisenzeit oft schwerfiel, die Hoffnung zu bewahren. „Am Ende sprechen wir auf dem Album alles an, was in den letzten Jahren so passiert ist. Denn die besten Songs sind die, in denen man ehrlich ist.“

Besetzung
Benjamin Kowalewicz (Gesang), Ian D’Sa (Gitarre), Jonathan Gallant (Bass), Aaron Solowoniuk (Drums). Letzterer leidet an Multipler Sklerose und wird deshalb auf Tour durch Jordan Hastings ersetzt.

Werdegang
Die Mitglieder von Billy Talent trafen einander mit 16 Jahren, begannen 1993 unter dem Bandnamen Pezz. Der Erfolg kam 2003 nach der Umbenennung in Billy Talent mit dem zweiten  Album. Es hieß „Billy Talent“ und wurde mit dreifach Platin ausgezeichnet.


 

Dabei kommt auch die Sorge bezüglich des Klimawandels zum Tragen. Speziell in dem Song „Reckless Paradise“, bei dem die Kanadier auf ihr südliches Nachbarland blicken.

„Auch ,Reckless Paradise’ entstand Ende 2019. Da gab es diese verheerenden Brände in Australien. Trump war zwei Jahre im Amt gewesen und verleugnete den Klimawandel. Ich dachte, Amerika ist so ein großartiges Land, das so große technologische Fortschritte macht und alle Möglichkeiten für einen andern Weg hätte. Und dann wählen wir Politiker, die so leichtsinnig und rücksichtslos sind! Ich empfand das als riesigen Rückschritt.“

Brigitte Schokarth

Über Brigitte Schokarth

Brigitte Schokarth kennt die Rock/Pop/Indie-Welt in allen Aspekten, pendelt für Konzerte zwischen Flex und Stadthalle, für Interviews zwischen Berlin, London und New York. Sie spricht genauso gern mit Robbie Williams und Pink wie mit Amanda Palmer und James Blake und spürt in den Clubs der Musikmetropolen Trends und Newcomer auf.

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