Ein Österreicher schreibt Musikgeschichte: The Fantastic Mr. Hahn

Mit 26 Jahren ist Patrick Hahn der jüngste Generalmusikdirektor. Sein Erfolgsrezept: „freie Entwicklungsmöglichkeit“

Die aktuelle Spielzeit hat es für Patrick Hahn in sich. Der 26-jährige Grazer schreibt in diesen alles andere als einfachen Zeiten Musikgeschichte. Zum einen als jüngster Generalmusikdirektor. Das Amt trat er beim Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester an. Zum Vergleich: 1988 war der damals 29-jährige Christian Thielemann jüngster GMD Deutschlands. Bei Hahn kamen in dieser Saison noch zwei Posten dazu: auch das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra bot ihm den Chefposten an. „Das wäre doch etwas zu viel“, sagt Hahn im Gespräch. Er wurde Erster Gastdirigent in Istanbul und beim Münchner Rundfunkorchester, das für ihn diesen Titel erst geschaffen hatte.

In Wuppertal steht am 6. März die erste große Neuproduktion bevor: Richard Wagners „Tannhäuser“. Zuvor, am 16. Februar, ist Hahn in Wien im Konzerthaus mit zeitgenössischer Musik aus Polen zu erleben. Das Attribut „jüngster“ interessiere doch eher das Publikum, sagt er. „Im Orchester interessiert es niemanden. Die merken sofort, ob man etwas kann. Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, ist die Chance vorbei.“

Hahn nützte seine Chancen. „Ich hatte Glück, dass ich die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt um mich hatte und vor allem die richtigen Pädagogen“, erzählt er. Seine Eltern – beide ohne musikalische Vorlast, die Mutter Industriekauffrau, der Vater Schlosser, – haben ihn und seine beiden Brüder stets unterstützt. Die drei Buben lernten Instrumente und sangen im Chor. Nachdem er einen der drei Knaben in der „Zauberflöte“ gesungen hatte, schrieb er selbst eine Oper mit dem Titel „Die Frittatensuppe“. Mit 12 Jahren! Der Chorleiter lehrte ihn die Grundbegriffe der Schlagtechnik, damit er seine Oper selbst dirigieren konnte.

„Ich wollte nie diese übliche Kapellmeister-Tour machen, das heißt, sich nach oben arbeiten, bis man dirigieren darf“, sagt er. Trotzdem bewarb er sich um eine Stelle als Korrepetitor in Hamburg und München. Kyrill Petrenko erkannte sein Talent und holte ihn für eine Kinderoper nach München.

©Uwe Schinkel

Einstieg Klangforum

Woher aber kommt seine Affinität zur zeitgenössischen Musik? Die sei dem Klangforum geschuldet, das ihn 2019 ans Pult holte. „Zunächst dachte ich, was soll ich dort? Die sind doch alle Experten, dann bekomme ich den Probenplan und sehe, dass die ein Stück von 10 bis 15 Minuten Aufführungsdauer zweimal drei Stunden proben. Das war total ungewöhnlich, wenn man den typischen symphonischen Probenplan kennt. Aber das war so toll“, schwärmt Hahn.

Trotz des Erfolgs ist Hahn Realist geblieben. „Ehrlich gesagt sind die nächsten zwei Jahre extrem dicht“, beschreibt er seinen Alltag. „Ich muss sehr viel Repertoire erarbeiten, über das ein 40-jähriger Dirigent schon verfügt.“

Und wie geht er mit der Pandemie um? „Ich hatte das Glück, dass ich schon so weit im Betrieb verankert war, dass mir das keine Steine in den Weg gelegt hat. Wenn das ganze zwei Jahre früher gewesen wäre, wäre das ein Problem gewesen. Dann hätte ich viele Debüts nicht machen können.“ Die großen symphonischen Orchester haben oft weitergespielt. Wenn auch nur für Radio und Fernsehen. Da konnte ich dann arbeiten.“

Ein hörenswertes Beispiel ist auf YouTube verfügbar. Ein „Wohnzimmerkonzert“, für das er mit den Wiener Symphonikern während eines Lockdowns im November 2021 Franz Schrekers „Intermezzo“ für Streichinstrumente und Giovanni Bottesinis zweites Kontrabass-Konzert in h-Moll mit Ivan Kitanovic, dem Solo-Kontrabassisten des Orchesters einspielte.

Was wäre die ideale Fortsetzung seines Dirigentenlebens? „Ich würde sehr gern mehr in Wien dirigieren“, sagt Hahn. Mit den Tonkünstlern und den Wiener Symphonikern ist er für die nächsten Jahre im Gespräch. „Das Orchester abseits der Philharmoniker, das mir in Wien noch fehlt, ist das RSO (Radio-Symphonieorchester Wien).“ Und fügt hinzu: „Ich weiß, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe.“

Susanne Zobl

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