FREILUFTBÜHNE - THEATER IM PARK: NIAVARANI

Michael Niavarani: Klimaproteste in Museen sind "natürlich legitim"

Michael Niavarani und Georg Hoanzl über den „Sommernachtstraum“ im Theater im Park, über den Besucherschwund bei den Bühnen, Corona, Krieg und Krise.

Es war (mal wieder) ein Jahr, in dem es deutlich weniger zu lachen gab, als man sich wünschen würde. Sehnen sich die Menschen da mehr nach Unterhaltung? Michael Niavarani, der mit Georg Hoanzl mit dem Theater im Park eine der wenigen Erfolgsgeschichten der Pandemie sowie zuvor auch das Globe Wien ins Leben gerufen hat und das legendäre Kabarett Simpl leitet, sieht das vergangene Jahr gemischt.

Es war „leichter und schwieriger gleichzeitig“, sagt Niavarani. „Es gibt eine Gruppe von Leuten, die das Theater indoor weiterhin meidet. Und eine andere Gruppe, die jetzt mehr denn je ein bisschen Zerstreuung und Vergnügen sucht.“

Theater im Park
Das Theater im Park nahe dem Belvedere in Wien bleibt zumindest für drei weitere Saisonen bestehen. Zentrale Produktion  für 2023 ist die Wiederaufnahme des „Sommernachtstraums“ von und mit Michael Niavarani nach Shakespeare (ab 25. Mai).

 

Und vieles mehr

Weiters treten u. a. Alex Kristan, Maria Happel & Michael Maertens, T. C. Boyle, Thomas Stipsits, Christoph Fitz, Michael Köhlmeier und Nobelpreisträger Anton Zeilinger, Joachim Meyerhoff oder auch Carolin Kebekus auf

 

Info und Tickets
theaterimpark.at

 

Warum Theater langweilt

Also spielt Corona noch eine Rolle beim vieldiskutierten Publikumsschwund in den Theatern? „Corona war der Auslöser, aber die tatsächlichen Probleme liegen etwas tiefer“, sagt Niavarani. Die Londoner Theater etwa seien zwar bei den Inszenierungen konservativer, aber „sie geben ein Versprechen ab, nämlich, dass sie die Leute nicht langweilen“, sagt er (beim Gespräch ist Niavarani in London). „Bei uns langweilt das intellektuelle Theater die Leute oft unendlich. Wenn man sich weigert, Geschichten zu erzählen, darf man sich nicht wundern, wenn keiner mehr ins Theater gehen will.“

FREILUFTBÜHNE - THEATER IM PARK: NIAVARANI / HOANZL
©APA/HERBERT NEUBAUER / HERBERT NEUBAUER

Und es gibt starke Konkurrenz durch die Streamingdienste. „Da kann ich wunderbar in Geschichten eintauchen“, sagt Niavarani. „Daran muss sich das Theater orientieren – an diesem hundertprozentigen Willen, spannende, traurige, lustige Geschichten zu erzählen. Das brauchen wir in Krisenzeiten.“

Die eigentliche Gefahr: Der Klimawandel

Apropos Krise: Schadet die, schadet der Krieg dem Theater? „Dass wir in einer Krise leben, ist richtig. In der Krise, dass unser Überfluss ein bisschen weniger wird“, sagt Niavarani. „Wir schmeißen 30 Prozent der Lebensmittel weg. Und vernichten 50 Prozent der Produkte, die zu Weihnachten nicht gekauft wurden. Wir schrecken uns, weil es im Winter vielleicht kalt werden könnte und die Sachen, die wir nicht brauchen, mehr kosten. Die Dinge, die wir brauchen, kosten auch mehr. Da gibt es Preisdeckelung, Unterstützung von der Regierung. Ich finde, es geht uns sehr gut, es ist nicht existenziell. Noch nicht.“

Noch? „Wir sind natürlich in Gefahr – nicht wegen Corona oder dem Ukrainekrieg, sondern wegen der Klimakrise“, sagt Niavarani.

„Das ist wirklich ein Riesenproblem. Und das wird uns vielleicht noch einmal dazu führen, dass wir tatsächlich in zerbombten Häusern in Wien leben müssen. Weil so viele Menschen um ihr Leben rennen, weil sie bei den Temperaturen nicht mehr leben können.“ Niavarani findet die Proteste der Klimaaktivisten angesichts dessen „natürlich legitim. Man regt sich über die jungen Leute auf, die Tomatenpaste über eine Glasscheibe schütten und sich wo festkleben. Ein Temperaturanstieg, eine Überschwemmung, eine Trockenheit nimmt nicht so viel Rücksicht auf unsere Kultur.“

Esel und Elfenkönigin

Zentrale Produktion im Theater im Park ist auch 2023 der „Sommernachtstraum“. „Es ist ein Stück über die Liebe und die Hilflosigkeit des Menschen angesichts der Biologie“, sagt Niavarani. „Ich spiele jemanden, der von einem Poltergeist in einen Esel verwandelt wird und Sex mit der Königin der Elfen hat. Ein Marvel-Comic ist nichts dagegen!“

Ein „wichtiges Thema ist auch der Neid. Und der spielt in unserer Gesellschaft eine sehr, sehr große Rolle. Das ist auch der Grund, warum der ,Sommernachtstraum’ eines der, wenn nicht überhaupt das erfolgreichste Shakespeare-Stück ist.“

Diese große Produktion im Theater im Park auf die Bühne zu bringen, war ein Risiko, sagt Hoanzl – „30 Leute auf der Bühne, 30 Leute im Hintergrund, unsubventioniert“.

Eines, das sich gelohnt hat und nun in die zweite Runde geht: „Wir haben ja gar keine Premiere gemacht. Für uns fangen wir jetzt erst in der zweiten Saison an, das Stück nach unserem Anspruch eines ,fertigen Stücks’ zu spielen. Das ist eine schöne Art zu arbeiten.“

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©APA/HERBERT NEUBAUER / HERBERT NEUBAUER

Über 100 Veranstaltungen

Und sonst auf dem Programm 2023? „Wir haben alles, von Klassik bis zu Musical, von Literatur bis zum Nobelpreisträger Anton Zeilinger“, sagt Hoanzl. Es sind über 100 Veranstaltungen in jener künstlerischen Breite, für die das Theater im Park zu Beginn der Pandemie gegründet worden war, um Künstlerinnen und Künstlern aus allen Bereichen Auftrittsmöglichkeiten zu geben.

„Es gibt kein anderes Theater auf der Welt, in dem ein Nobelpreisträger beim Buffet warten muss, bis ich meine Semmel aufgegessen habe“, sagt Niavarani.

Georg Leyrer

Über Georg Leyrer

Seit 2015 Ressortleiter Kultur und Medien, seit 2010 beim KURIER, seit 2001 Kulturjournalist. Zuständig für alles, nichts und die Themen dazwischen: von Kunst über Musik bis hin zur Kulturpolitik. Motto: Das Interessanteste an Kultur ist, wie sie sich verändert.

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