In „Sonne“ von Kurdwin Ayub erobern drei Girl mit Hijab das Internet

Kurdwin Ayub, Regisseurin von "Sonne": „Ich mag den Wiener Schmäh“

Kurdwin Ayub, österreichische Regisseurin mit kurdischen Wurzeln, eröffnet mit ihrem Spielfilmdebüt „Sonne“ die Diagonale

„Cool“ ist eines von Kurdwin Ayubs Lieblingswörtern. „Sehr cool“ findet sie zum Beispiel, dass ihr erster Spielfilm „Sonne“ am Dienstagabend die diesjährige Diagonale eröffnen wird: „Seit ich Filme mache, werden sie auf der Diagonale gezeigt“, sagt Ayub: „Dort zu sein ist für mich, wie zu Hause zu sein.“

Die Diagonale (5. bis 10. April) ist nicht das erste Filmfestival, auf dem „Sonne“ zu sehen ist. Bereits auf der Berlinale lief Ayubs erster Langspielfilm in der renommierten Reihe „Encounters“ und gewann dort prompt den Preis für besten Erstlingsfilm.

Seitdem bekommt die 32-jährige Filmregisseurin, die im Irak geboren und 1991 im mit ihren Eltern als kleines Kind nach Wien geflüchtet ist, viel Post von Produktionsfirmen: „Ich höre mir alles gerne an und bin offen“, meint Kurdwin Ayub gut gelaunt: „Aber momentan möchte ich gerne ,Mond‘ machen.“

„Mond“ ist das Nachfolgeprojekt von „Sonne“, einer geplanten Trilogie, die mit dem Film „Sterne“ enden soll: In allen drei Arbeiten geht es um die Beziehung zwischen dem Okzident und dem Orient. Während „Mond“ im Milieu von Boxerinnen angesiedelt sein wird, handelt „Sonne“ von drei Wiener Teenagerinnen.

Die drei jungen Mädchen haben unterschiedlichen Hintergrund und sind gut befreundet: Yesmin (Melina Benli) hat kurdische Wurzeln, Bella (Law Wallner) stammt aus Ex-Jugoslawien und Nati (Maya Wopienka) ist geborene Wienerin. Zu dritt nehmen sie per Spaß ein Musikvideo auf: Sie ziehen alle drei den Hijab über, obwohl eigentlich nur Yesmin aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt, nehmen den Song von R.E.M. „Losing My Religion“ auf und stellen ihn auf YouTube. Dort geht das Video, zur Überraschung aller, viral. Die drei Girls avancieren innerhalb der muslimischen Community zu lokalen Stars und werden eingeladen, auf diversen Hochzeiten aufzutreten.

Pop und Kopftuch

Die ursprüngliche Idee zu „Sonne“ kam der Regisseurin durch eine schiitische Girl-Band im Internet: „Sie sangen muslimische Lieder auf Englisch und ich beschloss, eine Doku über sie zu machen. Ich habe sie deswegen angeschrieben, aber sie haben sich nie zurückgemeldet.“ Also beschloss Ayub, selbst einen Film über eine Girl-Band zu drehen – und dabei jene unterschiedlichen Formate zu verwenden, wie sie unter Jugendlichen am meisten verwendet werden: TikTok-Clips, Handyvideos, Instagram und Chat-Nachrichten: „Das war von Anfang mein Plan. Ich wollte diese Ebene im Film drin haben, weil sie indirekt eine Emotionswelt der Mädels liefert – so wie Newsflashes. Die Welt der Teenager läuft wie eine Instagram-Story nach der anderen. Aber es ist nicht so oberflächlich, wie es wirkt. Dahinter verbergen sich andere Probleme: Wer bin ich? Woher komm’ ich? Wie schaue ich aus? Was will ich? Das sind die Fragen, die so wichtig sind. Das wollte ich zeigen.“

Regisseurin Kurdwin Ayub eröffnet mit "Sonne" die Diagonale

©Kurier/Franz Gruber

Schon in ihren Kurzfilmen hat sich Kurdwin Ayub, deren Generation mit Myspace und Facebook aufgewachsen ist, mit den sozialen Medien und deren Einfluss auf (weibliche) Identitätsbildung beschäftigt: „Wie zeigt man sich in der Öffentlichkeit, obwohl man selbst ein Alltagsmensch ist? Wie stellt man sich dar? Es war schwer, als Teenie einem angeblichen Ideal zu entsprechen. Man sieht ununterbrochen toll aussehende Frauen und glaubt, es ist normal, wie sie aussehen. Seitdem ich Kunst und Film mache, geht es mir viel um Selbstdarstellung in den sozialen Medien.“

Und natürlich ging es in „Sonne“ auch darum, gängige Stereotypen über Muslime und Musliminnen aufzugreifen, die innerhalb der Gesellschaft kursieren: „Das Kopftuch ist in Österreich ein großes Thema, das ich ein bisschen witzig behandelt wollte. Ich finde es lustig, wenn sich Leute, die selbst kein Kopftuch tragen, so viele Gedanken darüber machen.“

Auch das Klischee, dass Mädchen, die zum Islam übertreten, sich umgehend dem IS anschließen, wollte Kurdwin Ayub spielerisch und mit Humor aufgreifen.

Sie selbst ist übrigens in Simmering im Gemeindebau aufgewachsen und mag den Wiener Schmäh: „Ich glaube, das hat etwas mit dem Kurdischen gemeinsam: Den schwarzen Humor, das Sudern, das Jammern.“ An dieser Stelle muss sie lachen: „Immer leiden und dann einen Witz darüber machen: Das liebe ich. Ich würde sagen, das bin ich auch.“

Fakten

Simmering
Kurdwin Ayub, geboren 1990 im Irak, flüchtete 1991 mit ihren Eltern nach Wien und wuchs in einem Gemeindebau in Simmering auf. Wäre es nach ihren Eltern gegangen, die Ärzte sind, hätte sie Medizin studiert, sie entschied sich aber für die Kunst. Für die Eltern war das „ein großer Schock“

 

Filmemacherin
Ayub studierte Malerei und experimentellen Animationsfilm an der Angewandten und performative Kunst an der Akademie der bildenden Künste. Seit 2010 nimmt sie mit Filmen an Festivals wie zuletzt der Berlinale teil, wo sie für „Sonne“  den Preis für besten Erstlingsfilm gewann

 

Filmrollen
In der Doku „Paradies! Paradies!“ (2016) reist  Ayub  mit ihrem Vater nach Erbil in den Nordirak. Sowohl er wie auch Kurdwin Ayubs Mutter spielen wichtige Rollen in den Filmen ihrer Tochter

 

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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