Buhlschaft: Ist die Haarlänge bei Frauen noch immer wichtig?

Die Debatte um der Buhlschaft Haare köchelt weiter. Warum ist gerade für diese Rolle das Volumen der Mähne so wichtig? Oder ist am Ende alles Haarspalterei?

Die Haare der Buhlschaft – eine wunderbare Diskussion, die von der anbetungswürdigen Schauspielerin Verena Altenberger im vergangenen Jahr entfacht wurde. Und wohl auch heuer Thema sein wird, denn noch immer entspricht  Altenbergers Frisur nicht dem, was man seit über 100 Jahren von Jedermanns Geliebter gewohnt ist.

Es sei keine bewusste Entscheidung gewesen, erklärte Verena Altenberger. Die Haare waren wegen einer anderen Rolle ab, niemand dachte, dass die Haarpracht, oder eben ihr Fehlen, derartige Reaktionen hervorrufen würde. Das ist durchaus verständlich. So wie es manche der Reaktionen waren.

Der Apostel Paulus hätte die Hände sich die Haare gerauft - oder Schlimmeres. Ein Mann mit langen und eine Frau mit kurzen Haaren, das galt als von Gott höchstpersönlich verboten

©Matthias Horn

Die Buhlschaft ist als Frau kein Individuum, sie ist ein Typ. Den kann man mögen oder nicht, man kann ihn auch für überholt halten, überwunden, endlich, zum Glück. Das ändert nichts am Typ an sich. Die „Buhle“ ist alles, was verführerisch ist an einer Frau. Aus männlicher Sicht. Wie sollte es anders sein, Hugo von Hofmannsthal war ein Kind seiner Zeit.

Mehr noch, sein „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ will ja Typen zeigen, keine Menschen aus Fleisch und Blut. Den guten Gesell, mit dem es sich leichtfüßig leben lässt, der aber leichten Fußes verschwindet, wenn die Zeiten schwierig werden. Die Mutter, leidend, besorgt, vergebend, die Party-People der Tischgesellschaft. Und eben die Buhlschaft. Idealtypische Charaktere, denen erst die Schauspieler Leben einhauchen – eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Schwacher Mann und starke Frau? Lars Eidlinger und Verena Altenberger als Jedermann und Buhlschaft. Entgegen den "Typ" besetzt?

©Ingo Pertramer

Was das mit den Haaren der Altenberger zu tun hat? Die klassische Verführerin hatte schon lange vor der klassischen Antike lange Haare und daran änderte sich auch in der Neuzeit nichts. Egal ob Nymphe oder Göttin, Nixe oder Gänsemagd – die langen Haare stehen für knisternde Erotik. Loreley, Frau Venus, Brigitte Bardot – oder ins entsetzliche übersteigert bei Medusa und ihren Schlangen, deren Anblick Männer versteinert, hilflos, machtlos macht.

Denn die langen Haare der Frauen sorgten immer auch für Furcht vor ihrer, aus männlicher Sicht, unbeherrschbaren Sexualität. So wies der Apostel Paulus wiederholt auf die Wichtigkeit der langen Haare hin – aber auch auf die Gefahr, die davon ausgeht. Seine Conclusio: Frauen, die ihre Haare nicht bedecken wollen, sollen geschoren werden, wie er an die Korinther schrieb.

So radikal blieben die Sitten zum Glück nicht, aber das schöne lange Haar sollte doch gebändigt werden, in Zöpfe geflochten, geknotet, aufgetürmt. Nur Verführerinnen, gefährliche Frauen, zeigten ihre unbändige Lockenpracht, wie etwa Senta Berger in ihrer Interpretation der Buhlschaft.

Als „Prachtweib“ wurde Senta Bergers Buhlschaft der von Verena Altenberger entgegengestellt. Aber wer entscheidet wirklich, WAS heute verführerisch ist?

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Muss das jetzt für alle Ewigkeit so bleiben? Nein, wie wir letztes Jahr gesehen haben. Ob die kurzhaarige Schauspielerin als Typ der verführerischen Buhle passt, entscheidet letztendlich der Zuschauer. Und die Zuschauerin.

Apropos Typ: Auch Altenbergers Partner Lars Eidinger bekam als Jedermann gehörig sein Fett ab. Von einem Kritiker wurde er gar als „greinender Weichling aus Berlin“ bezeichnet. Und ja, ebenso wie Altenberger entzieht er sich dem Bild des virilen Lebemannes, wie es von Walter Reyer, Maximilian Schell oder Curd Jürgens geprägt wurde. Aber auch hier gilt: Wird sein Jedermann für uns lebendig, greifbar – dann hat er alles richtig gemacht.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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