Interview Caroline Peters: "Das Christkind ist mir ein Rätsel“

Caroline Peters nimmt in ihrer neuen Komödie Weihnachten bei einer Patchwork-Familie aufs Korn. Im Interview spricht sie über Rentier-Pullis, aber sie ist auch voller Sorge – über die Radikalisierung der Gesellschaft.

Die vegane Weihnachtsgans fliegt aus dem Fenster. Entnervt vom misslungenen Versuch, es am Heiligen Abend allen recht zu machen, schmeißt Caroline Peters in „Wie kommen wir da wieder raus?“ das gegrillte Tier raus auf die Straße. Es ist eine von vielen eskalierenden – und hochkomischen – Situationen. Denn hier wird nichts anderes versucht, als Weihnachten als Patchworkfamilie zu bewältigen. Harmonisch soll es werden. 

Doch die Bruchlinien werden mehr als deutlich: atheistisch, feministisch, woke oder Reiki-Lehrerin, Corona-Leugner und Hallodri – beim Feiern mit den bekannten Protagonisten aus dem Vorgängerfilm „Womit haben wir das verdient“ trifft alles aufeinander. Mittendrin glänzt Peters, Mitglied am Burgtheater, Ex-Buhlschaft beim „Jedermann“, Star aus der Krimireihe „Mord mit Aussicht“ oder dem Kinofilm „Der Vorname“. Wir sprachen mit ihr über Weihnachten, Wokeness und die Spaltung der Gesellschaft.

Frau Peters, Ihr neuer Film ist zwar ein Weihnachtsfilm, eitel Wonne und harmonisch geht es darin aber ganz und gar nicht zu. Was hat Sie denn als Teenager am meisten zu Weihnachten genervt? 

Eindeutig das Essen: Das wurde bei uns zuhause immer sehr traditionell zelebriert. Am 24. gab es den Karpfen und am 25. die Gans. Das musste Jahr für Jahr so sein. Selbst minimale Abweichungen waren nicht erlaubt. Dieses Zwanghafte hat mich immer sehr gestört. Und Karpfen finde ich bis heute scheußlich, obwohl ich Fisch gerne esse. All das hat sich nicht nach Tradition angefühlt, sondern nach Zwangsneurose.

Sie sagen es, aufeinander zuzugehen wird immer schwieriger. Wie machen Sie das?

Ich finde das meiste, was ich erlebe, zur Zeit schwierig und heikel. Bei manchen Sachen, die ich zu hören bekomme, denke ich, das ist doch wirklich der größte Blödsinn, den ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Meine Methode ist es, etwas total Uncooles zu tun, nämlich ruhig zu bleiben. Und nicht immer dieser Aufregungskultur nachzugehen, mich wahnsinnig zu echauffieren und unglaublich beleidigt zu fühlen und mit dem Finger auf andere zu zeigen. Um nochmal das Boot zu bemühen, in dem alle alleine sitzen, es ist denkbar wackelig und kurz vorm Untergehen. Da hilft Ruhe mehr als Hysterie.

Gendersternchen, Klimakleber, Veganer – was regt Sie auf? 

Was mich wirklich aufregt, ist der Antisemitismus, der sich im Moment überall Bahn bricht. Das bringt mich über die Maßen auf. Bei anderen Themen denke ich: Alles erstmal zwei Grad kälter kochen – und dann reden wir nochmal drüber.

Warum besitzen manch vergleichsweise kleine Themen so großes Erregungspotenzial? 

Das ist mir tatsächlich ein Rätsel. Der Sinn des Genderns etwa leuchtet mir vollkommen ein, weil die Sprache konstituiert wie wir denken und die Welt sehen. Es ist im Alltag nur oft schwer zu befolgen. Ich war das mein Leben lang anders gewohnt. Also muss erstmal viel neu gelernt werden. Aber ist das so schlimm? Ich lerne ja auch jedes Jahr neue Technologien.

Kann man Weihnachten in der Familie überhaupt noch feiern, ohne irgendwas falsch zu machen oder jemandem auf die Füße zu treten?

Nein! (lacht) Aber konnte man das je? Momentan jedenfalls auch nicht, sobald man beim Essen über Themen der Zeit spricht. Im Augenblick sind so viele Positionen extrem und extrem unversöhnlich und extrem rechthaberisch.

Die Fronten in der Gesellschaft verhärten sich.

Früher hatte man den Eindruck, man sitzt im selben Boot und ist hie und da anderer Meinung. Jetzt scheinen alle für sich alleine im Boot zu sitzen und alle sind überzeugt, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein. Man weist sich gegenseitig zugespitzte Rollen zu, und mit der Realität kennt sich keiner mehr aus. Mir fehlt momentan das Vereinen von Widersprüchen, auch in sich selbst. Das scheint momentan gar nicht aushaltbar zu sein für viele.

In einem Dialog im Film kommt die Frage auf: Soll man die Gräben zwischen Menschen zuschütten – oder sind sie ganz praktisch, weil dadurch jeder weiß, wo der andere steht.

Ich bin da eindeutig fürs Zuschütten. Man sollte sich bemühen, zueinander zu finden. Ich habe auch den Eindruck, dass es vielen Diskussionen aktuell gar nicht am Wahrheitsgehalt mangelt, dafür aber an der Fähigkeit, sich gegenseitig zu hören und das Gehörte aufzunehmen. Das Bild im Ganzen ansehen, anstatt nur den eigenen Ausschnitt. Es ist eine Kollektivkrise, dadurch ist es so anstrengend. Es gibt keinen, dem es besser geht. Keinen, an dem man sich hilfesuchend anlehnen kann.

„Das Boot, in dem wir alle alleine sitzen, es ist denkbar wackelig und kurz vorm Untergehen. Da hilft Ruhe mehr als Hysterie.“

 

Sie sagen es, aufeinander zuzugehen wird immer schwieriger. Wie machen Sie das?

Ich finde das meiste, was ich erlebe, zur Zeit schwierig und heikel. Bei manchen Sachen, die ich zu hören bekomme, denke ich, das ist doch wirklich der größte Blödsinn, den ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Meine Methode ist es, etwas total Uncooles zu tun, nämlich ruhig zu bleiben. Und nicht immer dieser Aufregungskultur nachzugehen, mich wahnsinnig zu echauffieren und unglaublich beleidigt zu fühlen und mit dem Finger auf andere zu zeigen. Um nochmal das Boot zu bemühen, in dem alle alleine sitzen, es ist denkbar wackelig und kurz vorm Untergehen. Da hilft Ruhe mehr als Hysterie.

Gendersternchen, Klimakleber, Veganer – was regt Sie auf? 

Was mich wirklich aufregt, ist der Antisemitismus, der sich im Moment überall Bahn bricht. Das bringt mich über die Maßen auf. Bei anderen Themen denke ich: Alles erstmal zwei Grad kälter kochen – und dann reden wir nochmal drüber.

Warum besitzen manch vergleichsweise kleine Themen so großes Erregungspotenzial?  

Das ist mir tatsächlich ein Rätsel. Der Sinn des Genderns etwa leuchtet mir vollkommen ein, weil die Sprache konstituiert wie wir denken und die Welt sehen. Es ist im Alltag nur oft schwer zu befolgen. Ich war das mein Leben lang anders gewohnt. Also muss erstmal viel neu gelernt werden. Aber ist das so schlimm? Ich lerne ja auch jedes Jahr neue Technologien.

Caroline Peters: „Es wird immer Leute geben, die andere drangsalieren wollen“

©Kurier/Juerg Christandl

Wie woke, also extrem wachsam, was Diskriminierungen betrifft, sind Sie denn?

Aus der Sicht junger Leute wahrscheinlich nicht besonders, aus der Sicht älterer dafür extrem. Ich bin für einen gleichberechtigten Umgang miteinander und die Milderung hierarchischer Strukturen. Mit klassischen Hierarchien habe ich mich zeit meines Lebens schwer getan. Ich finde es auch gut, dass junge Leute am Theater aktuell mehr Rechte einfordern. Gleichzeitig finde ich, dass sie diese oft nur für sich einfordern. Und anderen dafür Rechte nehmen. Genau wie jene es einst getan haben, gegen die sie sich jetzt wenden. Aber auch das sind nur Nebenschauplätze.

Was identifizieren Sie als Hauptschauplatz?

Der allgemeine Drang zur Radikalisierung, das ist immer ein Vorbote für Faschismus. Sie geht am Menschen und der Wirklichkeit vorbei, sie verhindert Zusammenleben. Radikalität führt nur zu Krieg, Zerstörung, Frustration. Ich hätte nicht gedacht, dass die gesellschaftliche Stimmung noch einmal so leicht hochzukochen ist. Wir haben im Geschichtsunterricht in der Schule in den 80ern das so stark gelernt, das „Nie wieder“. Aber es war anscheinend nur ein „Nie weg“.

Noch kurz zurück zum Theater. Sie haben sich immer wieder zu den Arbeitsbedingungen Ihres Berufs geäußert. Ist es besser geworden? 

Und wie schlimm war es vorher tatsächlich? Unterschiedlich: Man trifft auf tolle, dann wieder auf nicht funktionsfähige Personen. Es wird immer Leute geben, die andere drangsalieren und über sie hinweg bestimmen wollen. Grundsätzlich aber kann man feststellen, dass der Umgangston sich ändert. Als ich 20 war, waren die damals 50-Jährigen allesamt Nachkriegskinder mit Gewalterfahrung, das war auch zu spüren. Davon abgesehen gilt, es ist nicht so, dass früher alles schlecht war. Aber da ist heute schon eine Art Revolution im Gange.

„Heutzutage ist es ja fast peinlich, für irgendwas ein Star genannt zu werden. Heute ist jeder ein Star.“

Wie haben Sie eigentlich den Rücktritt von Maria Happel als Chefin des Max-Reinhardt-Seminars wahrgenommen, nachdem Studenten Ihren Rücktritt forderten, weil sie zu wenig gegen Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft unternommen habe?

Ich bin davon sehr weit weg und habe das nur medial verfolgt. Dabei entstand für mich der Eindruck, dass vieles auch nur medial stattgefunden hat. Es las sich alles, als hätte die Diskussion zwischen Studierenden und DozentInnen nie in der Wirklichkeit stattgefunden. Da muss sie aber hin. Das ist Theater: Auseinandersetzung und Handlung. Vielleicht war auch der Wunsch, etwas Bestehendes zu renovieren nicht so groß wie der Wille, etwas zu canceln.

Sie drehen gerne Komödien, ist das die eigentliche Champions League und wird das trotzdem immer noch unterschätzt?

Aus meiner Sicht schon. Es hat viel mit Technik und Timing zu tun, um Komik gekonnt herzustellen. Und ich finde es ein sehr gutes Mittel, um mit aktuellen heißen Eisen und Krisen umzugehen. Weil man über das Lachen versucht, eine emotionale Reaktion herzustellen – und nicht über Empörung, Demütigung oder Angstmacherei.

In einem Interview haben Sie einmal Isabelle Huppert zitiert. Schlummert in Ihnen die geheime Sehnsucht, manchmal die Diva zu geben?

Auf jeden Fall! Gerade privat stelle ich mir das spannend vor: arrogant, alle immer ein wenig vor den Kopf stoßend und sich ein bisschen besser fühlen als die anderen. (schmunzelt) Macht das Leben sicher einfacher, als zu versuchen, es allen recht zu machen, wie ich das oft probiere. Also, gegen so einen französischen Diven-Gestus hätte ich nichts einzuwenden, muss ich sagen.

Von Catherine Deneuve sagt man etwa, Sie hätte einen eigenen Assistenten, der allein dafür zuständig ist, ihr Feuer für ihre Zigarette zu geben. 

Fantastisch. Wobei ich glaube, diese Zeiten sind unweigerlich vorbei. Ich würde mich wundern, wenn Catherine Deneuve diesen Assistenten heute noch hätte. Das klingt danach, was es früher hieß, ein Star zu sein. Heutzutage ist es ja fast peinlich, für irgendwas ein Star genannt zu werden. Heute ist jeder ein Star – auch ohne Angestellte zu haben.

Caroline Peters

Caroline Peters

Caroline Peters wurde 1971 in Mainz geboren. Sie ist  Ensemblemitglied am Burgtheater, spielte in der Krimiserie „Mord mit Aussicht“, war 2020 die Buhlschaft im „Jedermann“ und in Kinofilmen  wie „Womit haben wir das verdient?“ Peters lebt in Wien. Ihr Lebensgefährte Frank Dehner ist ebenfalls Schauspieler. 

Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Weihnachten: Was ist denn Ihr Rezept dafür, dass der Heilige Abend nicht zum Desaster gerät?

Ich versuche traditionelle mit neuen Elementen zu verbinden. Wechselnde Gäste, immer anderes Essen, mal ein Christbaum, dann wieder nicht.

Aber Geschenke gibt es?

Auf jeden Fall, Geschenke finde ich toll. Ich mag Weihnachten. Auch wenn man im Laufe des Abends zum Tanzen übergeht. Es soll einfach immer etwas Neues passieren.

Was ist denn Ihr persönlich liebster Weihnachtsfilm?

„Love Actually – Tatsächlich Liebe“ sehe ich wahnsinnig gerne. Da kann ich inzwischen auswendig mitsprechen. Der Film ist lustig, trotzdem auch romantisch. Am liebsten ist mir die Geschichte mit Hugh Grant als Premierminister, der sich in seine Mitarbeiterin verliebt und auf verschlungenen Wegen zur Liebe findet.

Vegane Gans und Weihnachtspullover: Caroline Peters und Simon Schwarz in der Komödie „Wie kommen wir da wieder raus?“, ab 30.11. im Kino

©Mona Film

Tragen Sie Weihnachtspullis, wie das heute durchaus Brauch ist? 

Die mit blinkenden Rentieren vorne drauf? Heuer nicht. Ich habe es einmal versucht, das gebe ich gerne zu. Aber diese Pullover sind in der Regel aus ganz schlechten, billigen Materialien gemacht. Das bedeutet, man beginnt schnell darin zu stinken. Also haben wir das schnell wieder gelassen.

Team Christkind oder Team Weihnachtsmann – auf welcher Seite stehen Sie?

Ich bin Team Weihnachtsmann. Das Christkind ist mir ein völliges Rätsel. Wie soll denn ein Kind die ganze Nacht in der Gegend herumfliegen und Geschenke verteilen? Beim Weihnachtsmann hingegen scheint mir alles ganz logisch abzulaufen: Schlitten, Rentiere, von Dach zu Dach, Schornstein, alles klar. Aber das Christkind?

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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