Hip-Hop und Bling Bling: Wer erfolgreich ist, versteckt das nicht

Fette Ketten, funkelnde Ringe, glitzernder Zahnschmuck. Teure Klunker gehören für viele US-amerikanische Rapper zur Grundausstattung. Warum das so ist und welche Preziosen die Szene hervorgebracht hat, zeigt ein neuer Bildband.

Wer sich durch Arbeit Reichtum geschaffen hat, kann schauen, dass das Geld beieinander bleibt. Luxus ist der Blick ins Aktiendepot auf dem neuesten Handy. Das wachsende Vermögen bleibt, wo es sicher ist – im Depot oder im Geldtascherl. Die einzige Zier ist und bleibt die Bescheidenheit.

©Ahmed Klink/New York 2018

Oder man schmeißt das Geld mit beiden Händen in den wirtschaftlichen Kreislauf der Luxus-Industrie. Teurer Champagner, ausschweifende Feste, schwere Autos, fette Goldketten, glitzernde Diamanten. Viele US-amerikanische Rapper haben sich für Zweiteres entschieden. Neureich zu sein, gehört gezeigt. Hip-Hop, mittlerweile die erfolgreichste Popkultur der Welt, wäre ohne Bling Bling kaum denkbar. The Notorious B.I.G. trug schwere Kreuze oder einen Jesuskopf um den Hals. Sein Widersacher 2 Pac hatte eine Pistole an einer Kette hängen. Ironischerweise half das beiden nicht, sie starben nach Schussattentaten. Flavor Flav von Public Enemy trägt kleinere und größere Uhren vor seiner Brust, gleichzeitig glänzt der Grill, ein an eine Zahnspange erinnernder Schmuck aus dem Mund hervor. Frauen wie Nicki Minaj platzieren wuchtige Schriftzüge wie „Barbie“ oder „City Girl“ am Dekolleté.

„Aufs Große zu setzen, das ist, wie wir ticken. Das ist der schwarze Swag (lässige Ausstrahlung, Anm.), das ist afroamerikanisch zu sein bis auf die Knochen. Das gilt für unsere Musik, unsere Tänze, unseren Sinn für Mode ... und für unseren Schmuck“, schreibt der Rap-Pionier Ricky Walters, besser bekannt als Slick Rick im Vorwort des mächtigen Bildbands „Ice Cold. A Hip-Hop Jewelry History“ von Vikki Tobak, der bei Taschen erschienen ist.

Megan Thee Stallion mit einem diamantbesetzten Grill – der Zahnschmuck ist in der Szene beliebt – und einer üppig behangenen „Cuban Link Chain“-Kette 

©Zach Boisjoly/New York 2018

Hip-Hop hat seine Wurzeln in den Armenvierteln New Yorks. Die Bandenkriminalität war hoch, der Drogenkonsum auch. Hier war man nur reich an Kreativität. Neben Rap über das harte Leben entstanden Breakdance oder Graffiti – manche Konflikte wurden auf der Tanzfläche oder auf der Wand ausgetragen. Die Pioniere fuhren in den 1970ern die ersten Erfolge ein. Der Schmuck, den sie trugen, war noch eher dezent. Run DMC hatten dann schon etwas dickere Goldketten über Adidas-Trainingsjacken hängen. Die Ladys von Salt ’n’ Pepa trugen wuchtige Ohrgehänge und dicke Ringe. Und sie setzten damit etwas in Gang.

Big Sean trägt gleich mehrere Ketterln um den Hals. Auf einem hängt ein Jesus-Kopf 

©Raven B. Varona/Los Angeles 2021

Symbole der Macht

Ein paar Jahre später sah die Sache schon anders aus. Hip-Hop explodierte, das Genre brachte die ersten Superstars hervor. Viele waren wahre Gangsta-Rapper mit nicht ganz blütenreiner Vergangenheit. Und auch die ließen es krachen. Sie schafften es aus den verfallenen Häusern heraus, in denen sie gewohnt hatten, und erfüllten sich die lang gehegten Träume von ausschweifendem Luxus. Und natürlich – wie in anderen Kulturen auch – sind Edelmetalle und Edelsteine ein Zeichen von Macht und sozialem Status. Aber: Man kann den Rapper aus dem Ghetto holen, doch nicht das Ghetto aus dem Rapper, ließe sich eine alte Boxer-Weisheit umtexten. „Hip-Hop und Schmuck bargen immer Gefahr. Du könntest ausgeraubt, verletzt oder sogar getötet werden. Aber wir haben ohnehin Fortschritte gemacht. Riesige Goldstücke wurden zu Gold mit Ice“, schrieb Slick Rick. Ice heißen im Szenejargon die mit Diamanten verzierten Goldketterl.

Lil Yachty mag es gerne farbenfroh

©Kenneth Cappello/Los Angeles 2017

Auf jeden Fall, man musste sich damit unangreifbar fühlen, meint etwa Autorin Vikki Tobak. „Und falls eine Kette gestohlen wurde, hieß das, da war ein noch gröberes Kaliber unterwegs. In der Kultur der Straße gibt es weniger Dinge, die respektloser sind, als sich die Kette stehlen zu lassen.“ In Brooklyn kursiere heute noch die Anekdote vom Gangster Kelvin Martin, dem originalen 50 Cent (von ihm hat auch der Rapper 50 Cent den Namen). Dieser nahm die Ketten von Rakim und LL Cool J unerlaubterweise an sich und präsentierte sie in seiner Hood. Später musste der Union Square in Brooklyn gesperrt werden, weil das Ketten-Stibitzen wie die darauffolgende Gewalt zunahm.

Kash Doll trägt ihren Namen mehrfach zur Schau, wie auch ihre Uhren und Armbänder

©Daniel Malikyar 2021

Solche Geschichten haben sicher mit dazu beigetragen, dass die Verkaufszahlen für die Musik in die Höhe – bis in den Himmel – hinaufgeschnellt sind. „The Sky is the Limit“, erkannte schon The Notorious B.I.G. – Hip-Hop ist mittlerweile die erfolgreichste Musikkultur, sie hat Rock schon vor Jahren abgelöst und ist bei Jugend und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Das erkennen auch die Edelmarken.

Die City Girls sind ein weibliches Hip-Hop-Duo aus Miami, der Name ist auch ein beliebtes Schmuckmotiv

©Mike Miller/Atlanta 2019

Es darf anzunehmen sein, dass diese früher nicht so begeistert waren, wenn sich wilde Rapper mit stolzem Vorstrafenregister mit ihren Preziosen schmückten – wenn sie ihr Geld nicht gerade bei kultureigenen Juwelieren mit klingenden Namen wie „Jason of Beverly Hills“, „Icebox Jewelry“ oder „Iceman Nick“ ließen. Aber das Blatt hat sich gewendet. A$AP Ferg war der erste Hip-Hop-Musiker, der Markenbotschafter bei Tiffany & Co wurde. 2018 bearbeitete er mit Elle Fanning den Klassiker „Moon River“ aus „Breakfast at Tiffany’s“ und peppte ihn mit Rapeinlagen auf. Zuletzt interpretierte auch Beyoncé den Song für das Unternehmen neu. Gefilmt hat das ihr Ehemann und Hip-Hop-Mogul Jay Z.

Meck Mill hat eine erfolgreiche Mixtape-Reihe namens „Dreamchasers“ herausgebracht. Das zeigt er auch mit seinem Schmuck

©Ahmed Klink/New York 2018

Buchtipp

Vikki Tobak: „Ice Cold.  A Hip-Hop Jewelry History“, Taschen Verlag, ca. 80 Euro, 388 Seiten

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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