Kritik

Florence + The Machine: Tanz-Sound mit Chorälen und Mittelalter-Flair

Band-Chefin Florence Welch begab sich im Lockdown auf die Suche nach Euphorie - nicht immer erfolgreich

Barfuß in Hippie-Outfits wie besessen über die Bühne zu laufen, sich um die eigene Achse drehen wie ein Sufi-Derwisch in Trance. Und all das so tun, als wäre es ein religiöses, mysteriöses Ritual, in dem man sich verliert.

Das ist, was Florence Welch, Frontfrau der Band Florence + The Machine, unter Tanz versteht. Den Soundtrack dazu liefert sie mit dem neuen Album „Dance Fever“, und wer bei dem Titel an Club-Sounds denkt, wird enttäuscht sein. Mit „My Love“ enthält dieser seit 2018 erste Longplayer der Londonerin nur einen Song, der in die Club-Richtung geht.

Sonst aber interpretiert Welch den Tanz-Sound genau so, wie Kenner das von der 35-Jährigen erwarten: „Ich habe Chorgesang dabei, der an gregorianische und kirchliche Traditionen erinnert, vieles vermittelt mittelalterliches Flair“, erzählte Welch dem Kulturmagazin Vulture. „Ich hatte keine Tanzmusik im Sinn, als ich mit der Arbeit an dem Album begann. Aber das war während des ersten Lockdowns, als alle sich nach Euphorie und Befreiung gesehnt haben.“

Tanzbare Songs sind auf dem Album deshalb eher kleine Eruptionen zwischendurch – für die es je zwei Tracks gibt, die getragener und melancholisch sind und ähnlich wie das mit einem jazzigen Bass beginnende Zwischenspiel „Prayer Factory“ dämonische Untertöne haben.

Die Höhepunkte von „Dance Fever“ gehören zu der zweiten Kategorie. „Dream Girl Evil“, der beste Song des Albums, beginnt mit einem perkussiven Beat und steigert sich in eine Art wehmütigen Sinnesrausch.

In „King“ macht Welch mit stampfenden Drums, Bass und ihrer Stimme den Konflikt zwischen dem Willen, eine Performerin und eine Mutter zu sein, spürbar.

Poetisch wie immer und gerne angelehnt an Mythen, die voll mit tierischen Metaphern, Feen und Fabelwesen sind, verhandelt Welch Themen wie ihr aufgrund von mangelnder Selbstliebe gespaltenes Verhältnis zu Intimität, Essstörungen und die Nachwirkungen ihrer Alkoholsucht, die sie vor acht Jahren überwinden konnte.

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©APA/AFP/ANGELA WEISS / ANGELA WEISS

Und diese Texte sind zumeist besser als die Songs. Wenige der 14 Tracks können nachhaltig beeindrucken. Wie bei ihren Erfolgsalben „Lungs“ und „Ceremonials“ von 2009 und 2011 bleibt Welch auf „Dance Fever“ bei dem Konzept, reduziert im Singer/Songwriter-Stil zu beginnen, viel Geklatsche und Perkussion einzubauen und sich in rasende Leidenschaft hineinzusteigern – Letzteres diesmal mit mehr Synthesizer- und Elektronik-Einsatz als damals.

Diesmal allerdings wirkt diese Leidenschaft und Euphorie häufig wie ein Konzept, wie eine eingelernte Routine. Trotz des meisterlichen Einsatzes von Welchs einzigartigem Kehlorgan entbehrt sie häufig die Dringlichkeit im Ausdruck, die damals so fasziniert hat.

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