Oscarpreisträger Joaquin Phoenix als paranoider Mann in Ari Asters surrealem Horror-Trip „Beau hat Angst“

"Beau hat Angst": Mutterkomplex als Triebfeder

„Joker“-Darsteller Joaquin Phoenix kämpft sich durch einen kafkaesken Albtraum von Regisseur Ari Aster

Von Gabriele Flossmann

Seit seiner Studentenzeit trägt Ari Aster, Regisseur von den kultisch verehrten Horrorfilmen „Hereditary“ und „Midsommar“, die Albtraumkomödie „Beau hat Angst“ als Herzensprojekt mit sich herum.

Es beginnt mit Beaus Geburt. Gefilmt durch die Augen des Neugeborenen. Schon in diesem Moment ängstigt er Mutter und Gynäkologen: Er bleibt den ersten Schrei schuldig. Danach folgt ein harter Schnitt. Aus dem Neugeborenen ist ein erwachsener Mann geworden.

Der im Baby-Hals stecken gebliebene Schrei angesichts der Frau, die damals noch an seiner Nabelschnur hing, ist zu einem handfesten Trauma herangereift. Ein längst überfälliger Mutter-Besuch, zu dem ihm sein Therapeut geraten hat, wird für Beau zum kafkaesken Albtraum: Ein wilder Ritt durch sein eigenes Leben, das in Rückblenden immer wieder auftaucht.

Der 36-jährige Aster inszeniert fast schon hyperrealistisch das kaputte Amerika als urbanen Kriegsschauplatz. Und Beau ist mittendrin, in einem heruntergekommenen Viertel einer amerikanischen Großstadt.

Sitzfleisch

Direkt unter Beaus Wohnung befindet sich ein Puff, das sich nicht nur als Geräuschkulisse unangenehm bemerkbar macht. Auf der Straße lungern nackte Bettler. Jeder Passant trägt sichtbar eine Schusswaffe. Dabei gaukelt ihm seine Psyche bedrohliche Widersacher vor, die er bekämpfen muss.

Mutterkomplexe und Paranoia als Triebfedern eines wild ausufernden Kinoalbtraums, in dem vor allem die schauspielerische Leistung von Joaquin Phoenix zu überzeugen vermag. Eine filmische Tour de Force, in der fürchterlich spannende und furchtbar lustige Momente einander abwechseln. Es geht an die nervliche Substanz – und ans Sitzfleisch.

INFO: USA/GB/FIN 2023. 179 Min. Von Ari Aster. Mit Joaquin Phoenix, Patti LuPone, Amy Ryan.

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