Überschall & Co: So fliegt die Luftfahrt in die Zukunft

Elektro, Biosprit, Wasserstoff: Damit wir auch künftig abheben, werden schon jetzt Konzepte entwickelt. Auch Privatjets und Überschalljets mischen mit.

Von Daniel Voglhuber und Bernhard Praschl

"Vor fünf Jahren glaubte keiner in der Luftfahrtindustrie, dass die Entwicklung des Elektroflugzeugs einmal unumgänglich sein werde“, meinte Airbus-Technologiechefin Grazia Vittadini vor drei Jahren. Mittlerweile setzt die Flugschule Watschinger in Bad Vöslau unter anderem ein Elektroflugzeug für die Ausbildung künftiger Piloten ein. Und Sabine Klauke, die neue Airbus-Technikchefin, sieht bereits in den nächsten Jahren einen Wasserstoffjet in eine völlig neue Zukunft der Luftfahrt abheben.

So schnell kann es offenbar gehen. Kaum ist der internationale Flugverkehr nicht mehr durch die Pandemie zum Stillstand gezwungen, geraten die unterschiedlichsten Visionen in Bewegung. Mit einem Wort: Die Zukunft ist nicht nur planbar, sondern durchaus auch machbar. Wird ja auch Zeit, mögen jene denken, die verklärt auf die Tage zurückblicken, in denen der Überschalljet Concorde als Nonplusultra des technischen Fortschritts über den Wolken galt.

Die „Königin der Lüfte“

Die „Königin der Lüfte“ prägte vor 50 Jahren den Begriff Jetset. Denn mit ihr vermochten diejenigen, die es sich leisten konnten, die Zeitzonen auszutricksen.

Schnell, schlank, alles andere als leise, aber eine technische Meisterleistung: die Concorde

©REUTERS/Stephen Hird

Stars wie Grace Jones konnten damit prahlen, schnell einmal von Paris nach New York zu jetten, um im Studio 54 vorbeizuschauen – und dennoch rechtzeitig wieder zu Hause zu sein, um der Luxuskatze das Abendessen zu servieren. Oder Phil Collins. Der Genesis-Drummer schaffte es dank der zweifachen Schallgeschwindigkeit der Concorde beim legendären Live-Aid-Event im Juli 1985 an einem Tag abends auf zwei Kontinenten aufzutreten, im Londoner Wembley Stadion und im John F. Kennedy Stadium in Philadelphia.

Storys wie diese weckten auch Begehrlichkeiten bei Passagieren gewöhnlicher Unterschallflugzeuge: das Glas Champagner etwa, sobald die Reisegeschwindigkeit erreicht ist. Oder eine bevorzugte Behandlung als VIP, weil man sich mehr als eine Flugreise im Jahr gönnt.

Sting einst beim Champagnisieren auf einer Concorde

©PA Images via Getty Images/Stefan Rousseau - PA Images/Getty Images

Mit steigendem Bewusstsein für die endenden Ressourcen der Erde schwindelt man sich heute nicht mehr so leicht über die Tatsache hinweg, dass die Freiheit über den Wolken ihren Preis hat. Fliegen ist für zwei bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das schafft Handlungsbedarf.

Grüner Himmel

Stichwort klimaneutrales Fliegen. Wie der Weg dorthin aussieht, hat der europäische Flugzeughersteller Airbus im Vorjahr so skizziert: Dank Nutzung alternativer Kraftstoffe, der Wasserstofftechnologie, dem Elektroantrieb sowie einem verbesserten Flugverkehrsmanagement soll es auf den Hauptverkehrsrouten am azurblauen Himmel merklich grüner werden.

Schon im kommenden Jahr soll der Flughafen Lyon-Saint Exupéry über eine Wasserstoffinfrastruktur verfügen, um die Energiewende am Himmel einzuleiten. Gut möglich daher, dass Flugzeuge demnächst auch nicht mehr die bekannte Erscheinungsform mit Rumpf und Flügeln aufweisen.

Existiert bis jetzt nur als Minimodell: der "Nurflügler" von Airbus - Maveric

©Airbus

Airbus hat schon vor drei Jahren das spektakuläre Modell eines „Nurflüglers“ präsentiert. Die „Maveric“ genannte Konzeptstudie könnte wegen ihrem breiten Rumpf tatsächlich mehr Platz für den dann erforderlichen großen Wasserstofftank aufweisen.

Bis zum Jahr 2035 könnte sich der Elektroantrieb bei mittleren Strecken auch im Luftverkehr etablieren. Einige Start-up-Firmen planen, bauen, testen in dieser Richtung. Durchaus mit Erfolg. Mit dem Zweisitzer Pipistrel Velis Electro steht das erste in Europa für den Flugverkehr zugelassene Flugzeug sogar schon startbereit in einem Hangar bei Wien. Die Flugschule Watschinger aus Bad Vöslau nutzt die Innovation aus Slowenien etwa zur Pilotenausbildung.

Pipistrel Velis Electro

©EPA/PHIL NIJHUIS

Und dann macht es Boom

Mit der Verwendung von synthetischem, aus nachhaltigen Rohstoffen gewonnenem Kerosin will auch das in Denver, Colorado, beheimatete Unternehmen Boom Technology punkten. Dessen Überschallflugzeug Boom Overture könnte sogar das Gemeinschaftsprojekt „Son of Concorde“ der NASA mit dem renommierten Hersteller Lockheed-Martin ausstechen.

"Son of Concorde": Testflieger für das NASA-Lockheed-Martin-Projekt eines leisen Überschalljets

©APA/AFP/NASA/JET FABARA

Im Jahr 2029 jedenfalls soll die Overture den regulären Linienbetrieb aufnehmen. Und das mit einem hoch ambitionierten Ziel: Jeder Ort der Welt soll künftig in nur vier Stunden erreichbar sein. Ob bis dahin auch das Problem mit dem lauten Überschallknall gelöst sein wird?

Die US-Fluglinie United soll jedenfalls schon 50 Exemplare geordert haben, um für die neue Zukunft der Überschallfliegerei bestens gerüstet zu sein.

Boom Overture

©NATHAN LEACH-PROFFER

Bis jetzt existiert der schlanke, bis zu 88 Passagiere fassende Jet bloß als Modell. Für 2026 ist der Jungfernflug geplant. Firmenboss Blake Scholl hat dafür schon einen Hangar am International Airport in Greensboro, North Carolina, reserviert.

Nicht ohne Hintergedanken natürlich. Unweit von dort liegt das 3.000-Einwohner Städtchen Kitty Hawk. Und ebenda absolvierten anno 1903 die Gebrüder Wright erfolgreich den allerersten Hüpfer mit einem motorisierten Flugzeug.

Luxus liegt in der Luft

Der Luxus, ungestört zu fliegen: Während der Pandemie gab es eine erhöhte Nachfrage nach Privatjets. Das Unternehmen NetJets fliegt allein in Europa 900 Flughäfen an.

In der Lounge ploppen die Champagner-Korken, die Brötchen liegen angerichtet auf dem Tablett, draußen wartet der Kleinbus für den Weg zum Hangar. In der Halle klettern zwei junge Menschen vor einem  Herren im Anzug in einen von zwei ausgestellten Privatjets, um zu spüren, wie es sich damit ohne fremde Menschen reisen lässt.

Im zweiten sitzt Neil Steinberg im bequemen Ledersitz und deutet auf die Holzverkleidungen. „Ist schon eine schöne Maschine. Stimmt’s?“, sagt der Regional-Direktor für Deutschland, Österreich und die Schweiz mit einem Ton, der Zustimmung erwartet.

Holzverkleidungen und Ledersitze. So lässt es sich mit nötigem Kleingeld reisen

©NetJets

Ja, hier wirkt es, als würde die Milliardärsfamilie Roy aus der Serie „Succession“ reisen. Der Pilot berichtet von jungen Gästen, die auf dem Flug nach Ibiza anständig Party gemacht haben oder von anderen, die mit Katze reisten – und wie das Tier das Cockpit inspiziert habe.

So sieht es aus, wenn NetJets um Kunden buhlt. Der Weltmarktführer  der privaten Luftfahrt war vor kurzem mit einer Abordnung beim General Aviation Center des Flughafen Wien, um Interessierten mit dem nötigen Kleingeld ein luxuriöses und entspanntes Fliegen schmackhaft zu machen. Und das werden offenbar immer mehr.

Während der Corona-Pandemie haben Privatjets einen ungeahnten Boom erfahren. Im Jänner 2022 lag die Zahl der Flüge laut Flugsicherung Eurocontrol europaweit sieben Prozent über dem Vorkrisenmonat Jänner 2020. Immerhin reist man im kleinen Kreis – das senkt die Gefahr vor Ansteckungen. Und das nicht nur an Bord. Der Check-in geht meist in kleinen Gebäuden abseits der großen Terminals mit ihren Massenabfertigungen über die Bühne.

Wer ungestört reisen will und es sich leisten kann, kauft entweder einen Anteil eines NetJets-Flugzeugs, least eine Maschine oder erwirbt einen Stundenblock. Wie viel genau das kostet, verrät man nicht – jedes Paket werde individuell geschnürt. Je nachdem, wofür man Geld hinblättert, steht der Flieger zehn bis 24 Stunden nach Buchung bereit. „Mit unserer Flotte fliegen wir allein in Europa 900 Flughäfen an“, sagt Steinberg. 5.000 Ziele seien es weltweit. Aktuell stehen gerade Ziele wie Mallorca, Ibiza oder die Côte d'Azur hoch im Kurs.

Synthetischer Treibstoff

Privatjets sind in den vergangen Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Laut Charterportal Fly Victor liegen die Emissionen pro Passagier im privaten Jet um rund 20 Mal höher als in einem großen Linienflugzeug. Natürlich versucht man bei NetJets, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen „Wir setzen uns dafür ein, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und verwenden nachhaltigen Treibstoff“, sagt Steinberg. Und außerdem: „Wir kaufen CO2-Zertifikate.“

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