Clara Blume: „Wir wissen gar nicht, wie viel Glück wir haben“

Eine der besten Songwriterinnen des Landes meldet sich mit einer neuen CD zurück: Clara Blume. Vor fünf Jahren zog sie nach San Francisco. Und machte dort eine Karriere, die so nicht vorauszusehen war.

"Soñemos, alma“ heißt ihre neue CD, die erste seit sieben Jahren. Neun traumhaft schöne, spanisch gesungene Songs. Clara Blume war die strahlende Prinzessin des heimischen Singersongwriter-Zirkus.

Einen Ausdruck, den sie übrigens selbst geprägt hat. Denn als Veranstalter hat Clara Blume in der von ihr so genannten Konzert-Reihe etliche Acts auf die Bühne gebracht, die uns lange Freude bereitet haben und noch bereiten. Der Nino aus Wien etwa, James Hersey, Lylit oder Dawa, die mit einigen sensationellen Auftritten bei den großen ESC-Shows des ORF begeistern konnten. Sie selbst schaffte es zu ihrer großen Enttäuschung damals nicht in die Finalrunden ...

Schön & gut: Clara Blume war und ist eine schillernde Bereicherung der österreichischen Musikszene

©Walter Mussil
Clara, was gab vor fünf Jahren den Ausschlag, dass du der heimischen Musikszene den Rücken gekehrt hast? Frustration?
Nein, auf keinen Fall. Auch wenn Frust natürlich da war. Du bist als Künstler in einem hohen Maß auch vom Airplay abhängig, kannst ja nicht ständig live spielen, da die Venues begrenzt sind. Bei meinen Songs war halt das Problem, dass FM4 sie für zu mainstreamig hielt, während sie für die Format-Radios zu „indie“ waren. Der eigentliche Anlass war aber ganz profan: Mein Lebenspartner bekam eine Forschungsstelle in Berkeley. Und ich hatte gerade meine Dissertation geschrieben, die auch als Buch veröffentlicht wurde. Die Idee, weiter wissenschaftlich zu arbeiten, schien mir damals verlockend. Und ich bin in gewisser Weise ja eine Reisende ...
Stimmt, du warst ja auch nicht immer in Österreich. Deine Wurzeln sind spanisch, richtig?
Ja, meine Mutter ist Spanierin, aus Madrid. Dort hab ich als Kind viel Zeit verbracht, und später dann auch Kunst studiert.
Und worum geht's in deiner Dissertation beziehungsweise deinem Buch?
(lacht) Um nichts weniger als die Frage der Wahrheit. Das Buch heißt „Die Sieger schreiben Geschichte“ – im konkreten Fall die des Spanischen Bürgerkriegs. Das historische Narrativ hat mich interessiert: Wie verändert sich Wahrheit?
Historisch betrachtet: War der Umzug nach San Francisco so, wie du ihn dir vorgestellt hast?
Ich habe sehr schnell einen Job beim Konsulat gefunden, wurde dann Leiterin einer Forschungseinheit, die sich mit Kunst und künstlicher Intelligenz beschäftigt. Ich kuratiere Ausstellungen und Events, Bildende Kunst, aber auch Musik, Literatur. Unter anderem hat Daniel Kehlmann bei uns zu diesem Thema gesprochen. Die letzten zwei Jahre war ich Vize-Konsulin.
Oh wow – das klingt doch richtig nach Karriere. Allerdings ganz anders, als man es sich vorgestellt hatte, als du in Wien auf der Bühne dein Publikum begeistert hast. Dabei bist du mit San Francisco doch in einer   Stadt gelandet, in der du dich als Musikerin richtig wohl fühlen müsstest, nicht?
Das ist ein bisschen ein romantisches, altmodisches Bild, das wir in Europa von San Francisco haben. Die Stadt ist längst nicht mehr eine der Musik oder der Hippies. Start-ups, High-Tech und Big Business prägen heute den Charakter von San Francisco. Da bleibt für Musik nicht viel übrig.
Du hast es aber doch geschafft, in dieser ehemaligen Musik-Hauptstadt einige Gigs zu spielen.
Ja, das schon, ein paar kleine. Ganz lässt einen die Musik ja nicht los. Aber wie gesagt, in San Francisco ist in der Hinsicht nicht viel los – da gibt’s in Wien täglich sicher mehr Konzerte als hier.
Wenn wir gerade bei Vergleichen sind: Was ist für Musiker in Kalifornien, oder generell in den USA anders als in Österreich? Ist es so eine Art „gelobtes Land“ oder ist das nur ein Bild, das wir im Kopf haben?
Wir wissen gar nicht, wie gut wir es in Österreich haben, mit staatlichen Förderungen für Musik und Kunst im Allgemeinen. Dadurch entsteht eine diverse Kunstszene, die in Ländern, in denen praktisch ausschließlich der kommerzielle Erfolg zählt, gar nicht vorstellbar ist.
Willst du damit sagen, dass Österreich die Nase vorn hat?
Nein, eben nicht. Denn in den USA ist der Erfolg ein echter Motor. Man glaubt an ihn. Die Hingabe, mit der Musiker, aber auch andere Künstler für ihre Sache leben, ist unglaublich. Manche wohnen in ihren Autos, weil sie sich nicht einmal ein Zimmer leisten können und jeden Cent in Proberäume, Equipment, Studios stecken. Und, ganz wichtig: Erfolg ist hier weder etwas, für das man sich schämen muss, noch ist einem irgendwer diesen Erfolg neidig. Im Gegenteil. Man freut sich für jeden, der es geschafft hat. Weil es einem zeigt, DASS man es schaffen kann. Und so entsteht eben dieses unglaubliche Innovationspotenzial. Nicht nur in Sachen Musik – sondern auf vielen Gebieten,  auch in der Tech-Branche.

„In den USA ist Erfolg weder etwas, für das man sich schämen muss, noch ist einem irgendwer diesen Erfolg neidig.“

Bist du inzwischen zur Amerikanerin geworden? Du klingst richtig  begeistert.
Ich lebe gerne hier. Und ich gehöre nicht zu den Europäern, von denen es hier doch sehr viele gibt, die nur mit anderen Ex-Pats abhängen. Ich will mich auf das einlassen, was ich tue – auch auf das Land, in dem ich lebe.
Aber deine neue CD hast du dann doch mit den bekannten  Wiener Produzenten Alexander Nefzger und Marcus Pristernik gemacht.
Hah, ja, aber wir haben das Projekt noch in Wien gemeinsam begonnen. Es war auch Alexander, der mich überzeugt hat, auf Spanisch zu singen. Und dann plötzlich das Team zu wechseln, das wollte ich einfach nicht. Prinzipiell waren wir auch 2019 fertig, aber dann kam Corona und es machte wenig Sinn, sie herauszubringen, weil wir ja nicht touren konnten.
Und sie ist fantastisch geworden. Danke für deine Musik – und das Gespräch.

 

Clara Blume

Clara Blume wurde in Wien geboren.  Mutter Spanierin, der Vater hat indonesische Wurzeln. In Madrid studiert sie Kunst und Gesang, spielt in der spanischen Band The Proud. Zurück in Wien kommt ihre Debüt-CD „Here Comes Everything“ in die Top-20 der Charts. 2017 ging sie überraschend nach Amerika. Vier Tage nach dem Interview brachte sie ihre erste Tochter, Alice, zur Welt. Die "freizeit"  gratuliert!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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