Christoph Waltz und Rachel Brosnahan in dem Western "Dead for a Dollar"
Film

Christoph Waltz in Venedig: „Keine Sorge! Wenn er dich umbringt, bring ich ihn um“

Filmfestival Venedig: Der zweifache Oscarpreisträger Christoph Waltz spielt einen Kopfgeldjäger in Walter Hills Western "Dead for a Dollar“

Woher kommt der mysteriöse Kopfgeldjäger mit dem undeutbaren Akzent? Aus Holland, Schweden oder gar aus Deutschland?

„No, I’m American“, antwortet er auf der Frage nach seiner Herkunft, aber wir wissen es besser: Es ist Christoph Waltz, geborener Wiener, wohnhaft in Los Angeles und Berlin.

Christoph Waltz reitet wieder. Der zweifache Oscarpreisträger, der den zweiten Goldbuben seiner Rolle in Quentin Tarantinos „Django Unchained“ verdankt, ist wieder in den Sattel gestiegen – in Walter Hills Comeback-Western „Dead for a Dollar“, der außer Konkurrenz im Wettbewerb von Venedig gezeigt wurde. Water Hill zählt zu den großen Macho-Regisseuren der 80er-Jahre und profilierte sich mit mittlerweile legendären Actionfilmen wie „Die Warriors“ und „Long Riders“. Auch Buddy-Komödien à la „Nur 48 Stunden“ mit Nick Nolte und Eddy Murphy zählen zu seinen Spezialitäten, neben Dramen wie „Johnny Handsome“ mit Mickey Rourke. Zudem produzierte Hill die „Alien“-Reihe mit Sigourney Weaver und schrieb dazu auch die Drehbücher dazu.

Seine große Liebe aber gehört von Jugend an dem Western, und Hill bewies seine Leidenschaft mit Werken wie „The Long Riders“, „Wild Bill“ oder „Geronimo: An American Legend“ bewies.

„Dead for a Dollar“ ist eine vergleichsweise kleine Produktion und wurde in nur knapp dreißig Tagen gedreht. Christoph Waltz spielt darin einen Kopfgeldjäger namens Max Borlund: Er wird beauftragt, die entführte Frau eines reichen Geschäftsmanns wieder einfangen und in den Hafen der Ehe zurückbringen. Allerdings stellt sich heraus, dass die Ehefrau – übrigens gespielt von der famosen Rachel Brosnahan, bekannt als „The Marvelous Mrs. Maisel“ – freiwillig mit ihrem Entführer durchgebrannt ist und wenig Lust hat, zu ihrem ruchlosen Gatten zurückzukehren.

Revolverheld

Christoph Waltz (re.) mit Rachel Brosnahan in "Dead for a Dollar"

©La Biennale di Venezia/Lewis Jacobs

Wer Christoph Waltz als sardonischen Nazi wie in „Inglourious Basterds“, maliziösen „Bond“-Bösewicht Blofeld oder exaltierten Revolverheld, wie in „Django Unchained“ in Erinnerung hat wie in „Django Unchained“ in Erinnerung hat, lernt einen anderen Waltz kennen. Unter Hills Regie legt Waltz seine üblichen Manierismen ab und zeigt sich von angenehm zurückhaltender Seite.

Mit Schnauzer im Drei-Tagesbart schreitet er breitbeinig und gemessen durch Walter Hills bernsteingetönte Bilder, versenkt ohne viel Federlesen seine Bleikugeln in die Leiber der Bösewichter und entwickelt sich durch seine überlegene Art zu einer Art moralischem Zentrum. Als Waltz’ großer Gegenspieler taucht Willem Defoe als Falschspieler und Pferdedieb auf: Die beiden Männer haben eine offene Rechnung – und die wird im blutigen Finale beglichen.

Walter Hill changiert in seinem theaterhaft inszenierten Western zwischen grandiosen Landschaftsbildern und extremen Nahaufnahmen. Es sind nicht mehr nur weiße Männer, die den Wilden Westen beherrschen, sondern auch Schwarze Protagonisten und furchtlose Frauen; sie alle können bestens mit der Waffe umgehen und müssen sich nicht mehr vom weißen Mann retten lassen, im Gegenteil: „Keine Sorge“, sagt ein schwarzer Soldat zum Kopfgeldjäger Borlund: „Wenn er dich umbringt, bring ich ihn um.“

Tilda Swinton

Tilda Swinton in einer Doppelrolle in Joanna Hoggs "The Eternal Daughter"

©Sandro Kopp/La Biennale di Venezia/Sandro Kopp

Während Walter Hill mit „Dead for a Dollar“ zu seinem angestammten Filmgenre – dem Western – zurückkehrte, betritt Regisseurin Joanna Hogg mit ihrer neuen Arbeit „The Eternal Daughter“ unbekanntes Terrain. Die britische Filmemacherin, bekannt für ihre stark autobiografisch gefärbten Erinnerungsfilme wie „The Souvenir“, inszenierte ihren Wettbewerbsbeitrag im Bereich des Horrors.

Nebelschwaden wabern über den Gärten eines feudalen, englischen Landschlosses, das in ein Hotel umgewandelt wurde. Zwei Frauen – Mutter und Tochter – checken in den unheimlichen, alten Kasten ein und beziehen ein Zimmer.

Die Tochter ist längst eine erwachsene Frau, von Beruf Filmemacherin und wird gespielt von Tilda Swinton. Ihre Mutter, eine elegante alten Dame mit grauen Locken – wird ebenfalls gespielt von Tilda Swinton.

In ihrer Doppelrolle als Mutter und Tochter zeigt Swinton ihre gewohnt herausragende, darstellerische Souveränität. Ihr Spiel als besorgte Tochter ist nervös, unsicher und fahrig, während sie die Rolle der Mutter zwar offen, aber gleichzeitig auch distanziert verkörpert.

Die Mutter hat als Kind und junge Frau in dem alten Landsitz, der sich damals in Familienbesitz befand, viel Zeit verbracht. Die Rückkehr an diesen Ort der Jugend fördert traurige Erinnerungen zutage – an den Zweiten Weltkrieg, an den Verlust eines ungeborenen Kindes.

Nur zögerlich teilt sie ihre Erfahrungen mit der aufgewühlten Tochter. Man spürt das Bemühen der beiden Frauen, Nähe herzustellen, ihre Emotionen zu zeigen und daran auch immer wieder zu scheitern. Gespenstische Geräusche im Hotel wie knarrende Türen verstärken die seltsame Geisterhaftigkeit der fragilen Mutter-Tochter-Beziehung: Sie wird von Joanna Hogg als eine von Schuldgefühlen geprägte, intime Geschichte einer Annäherung erzählt – und als schmerzhafter Abschied.

Geburtstagsfeier: Tilda Swinton in Joanna Hoggs "The Eternal Daughter"

©Sandro Kopp/La Biennale di Venezia/Sandro Kopp
Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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